Tiktok muss US-Bann fürchten
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Der chinesische Technologiekonzern und Social-Media-Betreiber Bytedance gerät mit seiner weltweit erfolgreichen Kurzvideo-Plattform Tiktok immer stärker in die Mühlen des aufgeheizten sicherheitspolitischen Konflikts zwischen China und den USA. Der bereits seit einigen Jahren schwelende Streit über Datenschutzrisiken bei dem in den USA mehr als 150 Millionen Nutzer zählenden Tiktok-Dienst ist zuletzt wieder stark auf die politische Agenda in den USA gerückt.
Die Avancen in Washington laufen darauf hinaus, die US-Version des Tiktok-Dienstes entweder ganz zu verbieten oder aber eine Abspaltung vom Bytedance-Konzern zu erzwingen, um den theoretischen Zugriff der chinesischen Regierung auf Tiktok-Publikumsdaten oder eine anderweitige Beeinflussung der Nutzer zu verhindern. Mitte März hatte das für nationale Sicherheitsaspekte von ausländischen Investitionen in den USA zuständige Gremium CFIUS Bytedance dem Vernehmen nach dazu aufgefordert, über einen Verkauf von Tiktok dafür zu sorgen, dass keine chinesischen Anteilseigner mehr bei der US-Einheit präsent sind. Andernfalls drohe zur Ausschaltung von Datensicherheitsrisiken ein landesweites Verbot der App. Aktuell wird im US-Repräsentantenhaus ein Gesetzentwurf dazu entwickelt.
Im August 2020 hatte der damalige US-Präsident Donald Trump, in dessen Amtszeit entscheidende Restriktionen gegenüber dem chinesischen Telekomausrüster und Smartphonebauer Huawei verfügt worden waren, versucht, ein Verbot der Tiktok-App zu erwirken, das allerdings vor US-Gerichten scheiterte und von der nachfolgenden Biden-Administration zunächst nicht weiter verfolgt wurde.
Bytedance fährt den Videodienst als eine Parallelveranstaltung im chinesischen und internationalen Markt. In China ist die durch begleitende E-Commerce-Dienste bereits stark monetisierte App mit fast 700 Millionen Nutzern unter dem Namen Douyin bekannt und steht unter der für alle chinesischen Internetdienste geltenden politischen Überwachung. Bytedance ist seit jeher bemüht, die auf den gleichen Algorithmen wie Douyin basierende internationale Tiktok-Version als eine von Pekinger Einflüssen unberührte Einheit darzustellen, stößt dabei aber insbesondere in den USA auf wachsende Skepsis.
Bei einer umfangreichen Kongressanhörung vor dem Energie- und Handelsausschuss des US-Repräsentantenhauses ist es dem aus Singapur stammenden CEO Shou Zi Chew alles andere als gelungen, die Bedenken der US-Politiker zu zerstreuen. Bei dem fast fünfstündigen, in überwiegend feindseliger Stimmung abgehaltenen Kreuzverhör geriet Shou mehrfach ins Schlingen, wenn es darum ging, Fragen nach dem Zugriff auf Tiktok-Daten seitens chinesischer Mitarbeiter bei Bytedance in Peking zu beantworten oder die Beeinflussung von Tiktok-Inhalten im Interesse der chinesischen Politik und Parteiführung zu verneinen.
Die Widersprüche entstehen allein dadurch, dass China nicht nur volle politische Kontrolle über alle Social-Media-Betreiber und Zugriff auf alle Daten hat, sondern auch den Auftritt chinesischer Tech-Firmen im Ausland und insbesondere in den USA einer extremen sicherheitspolitischen Kontrolle unterstellt. Die ist gerade in den letzten Jahren unter anderem im Zusammenhang mit der US-Börsenpräsenz von chinesischen Tech-Unternehmen und dem Zwangsabschied des Fahrdienstriesen Didi Global von der New Yorker Börse immer deutlicher geworden.
Tiktok wird als eine von Bytedance unabhängig geführte Plattform mit zwei Hauptquartieren in Singapur und Los Angeles bezeichnet, deren US-Datenfluss durch ein Arrangement mit dem US-Softwarekonzern Oracle auf US-Boden gesondert geschützt und von China abgeschirmt wird.
Aus der Kongressanhörung wurde allerdings erneut deutlich, dass sich chinesische Unternehmen in Sachen Datenzugriff sämtlichen Anforderungen Pekings zu beugen haben. Damit reduziert sich der sicherheitspolitische Aspekt auf die Frage, ob Peking ein manifestes Interesse an Tiktok-Daten hat oder sich mit der Überwachung von Douyin in China begnügt.
Seitens des chinesischen Außenministeriums wurde am Freitag erneut erklärt, dass chinesische Unternehmen niemals dazu aufgefordert würden, Daten und Informationen aus ihren Aktivitäten im Ausland auf eine Weise zu übermitteln, die gegen die Bestimmungen des jeweiligen Landes verstießen.