Im InterviewTui-Chef Sebastian Ebel

Tui-Aktionäre müssen sich noch gedulden

Mit dem Aktienkurs der Tui ist Sebastian Ebel nicht zufrieden. Mit einer Dividendenzahlung auf die Sprünge helfen wird der Tui-Chef dem Kurs aber vorläufig nicht, sein Fokus bei der Verwendung des freien Cash-flow liegt auf Investitionen und Schuldenabbau.

Tui-Aktionäre müssen sich noch gedulden

Im Interview: Sebastian Ebel

„Den meisten Investoren ist der Handelsplatz egal“

Tui-Chef setzt Priorität auf Investitionen und Schuldenabbau − Konzern soll internationaler werden − Keine Dividendenzahlung in Sicht

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Mit dem Aktienkurs der Tui ist Sebastian Ebel nicht zufrieden. Mit einer Dividendenzahlung auf die Sprünge helfen wird der Tui-Chef dem Kurs aber vorläufig nicht, sein Fokus bei der Verwendung des freien Cashflow liegt auf Investitionen und Schuldenabbau.

Herr Ebel, das Geschäft von Tui läuft, aber der Aktienkurs kommt nicht auf die Beine, woran liegt’s?

Wir waren mal bei etwas über 5 Euro, jetzt sind wir fast bei 8 Euro, aber der Aktienkurs ist natürlich dennoch unbefriedigend. Wir sehen mittlerweile, dass die Shortseller deutlich geringere Positionen haben und ich glaube, dass das zu einer Verbesserung geführt hat – denn die Shortseller wetten ja auf sinkende Kurse. Aber der aktuelle Kurs spiegelt meiner Einschätzung nach immer noch nicht den realistischen Wert der Tui wider. Das Einzige, was dauerhaft zu einer kontinuierlich besseren Bewertung führen wird, ist Ergebniswachstum. Das können wir beeinflussen, daran arbeiten wir. Wir haben acht Quartale in Folge ein zweistelliges Ebit-Wachstum geliefert. Unser Ziel bleibt auch in Zukunft nachhaltiges und profitables Wachstum.

Sie vermelden steigende Umsätze und Ergebnisse, aber die Marge bleibt schwach.

Wir werden noch zu sehr als reiner Reise-Veranstalter wahrgenommen. Tui Ist aber auch Entwickler, Investor und Betreiber im Hotel- und Kreuzfahrtgeschäft und das sehr erfolgreich. Das Veranstaltergeschäft ist in der Tat niedrigmargig, aber die Kreuzfahrt- und Hotelgesellschaften der Tui werfen hohe Renditen ab. Deshalb werden wir vor allem im Veranstaltersegment, aber auch bei den Airlines die eingeleitete Transformation zum Erfolg führen. Die niedrigen Margen sind nicht gottgegeben, es gibt gute Beispiele dafür, dass auch wir diese Geschäfte profitabler machen.

Gibt es für die Tui eine Zielrendite?

Wenn man sich die Kapitalstruktur anschaut, haben wir auf der einen Seite Hotels oder Flugzeuge, die eine hohe Kapitalbindung haben. Im Veranstaltergeschäft hat man Investitionen in IT und die Marke, aber eine geringe Kapitalbindung. Die Ergebnisse zum abgelaufenen Geschäftsjahr werden wir erst im Dezember bekannt geben. Wir hatten die Prognose dazu im September bestätigt, mindestens 25% Wachstum beim bereinigten Ebit für 2023/24. Zudem haben wir mittelfristige Ziele, wir wollen beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern mittelfristig mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 7 bis 10% wachsen. Insofern ist das mit der genauen Marge schwer zu beantworten.

Und was genau sieht die Transformation im Veranstaltergeschäft vor?

Das ist ein Bündel von Maßnahmen, die Wachstum generieren und die Effizienz steigern. Das soll zum Beispiel gelingen, indem wir neue Märkte erschließen und so neue Kunden gewinnen. Zudem soll mit Hilfe von neuen Produkten der Warenkorb für bestehende Kunden vergrößert werden. Damit meine ich nicht, dass jemand die dritte Pauschalreise im Jahr bucht, sondern wir wollen dem Kunden Aktivitäten und andere Ancillaries (Zusatzprodukte) und Services verkaufen, wie sie unsere Tochter Tui Musement anbietet. Wir gehen so auch viel stärker in die Produktdifferenzierung rein.

Was ist damit gemeint?

Nur ein Beispiel: wir vereinbaren mit den Hoteliers, dass es in ihren Häusern bestimmte Angebote nur für Tui-Kunden gibt, damit es einen unique selling point gibt. Das kann so was wie der Tui Kids Club sein oder bestimmte Zimmerkategorien. Ich vergleiche das immer gerne mit Netflix oder Amazon, die sind dann richtig erfolgreich geworden, als sie eigene Serien produziert haben. Bei uns sind es die eigenen Produkte, neue Services und die Tui-eigenen Marken, die Wachstum bringen.

Im Plattform-Geschäft stehen Sie im starken Wettbewerb mit booking.com und ähnlichen Anbietern und sind außerdem spät dran, wie soll das gelingen?

Bisher hatte jedes Land seine IT-Plattform und man hat Dinge vielfach gemacht. Mittlerweile bauen wir Plattformen, die für alle Märkte nutzbar sind. Das senkt Kosten und sorgt für eine höhere Entwicklungsgeschwindigkeit. Booking.com hat sicher als first mover Vorteile, aber es gibt da ja große Unterschiede zu unserem Angebot. Wir sind selber Betreiber von Hotels und Schiffen, das sind Produkte und Marken, die wir designen, die unsere DNA haben. Wir verkaufen primär Pakete und haben zusätzlich über die Reisebüros nach wie vor den direkten Kontakt zum Kunden. Hochwertige Beratung, der Service im Reisebüro und die Sicherheit der Pauschalreise sind ein großer Wert. Trotzdem darf die Pauschalreise nicht durch staatliche Überregulierung überfrachtet und so verteuert werden. Die deutschen Veranstalter hinterlegen aktuell Millionen in einem Sicherungsfonds, während ausländische Plattformen ihre Reisen ohne Absicherung der Kunden verkaufen können. Das ist Regulierung gegen deutsche Unternehmen und gegen den mittelständisch geprägten Reisevertrieb.

Werden Sie denn bei den Bewertungen mit Plattformen wie booking.com verglichen?

Vom Set-up her ist die Tui schon ziemlich einzigartig. Global gibt es meinem Kenntnisstand nach keinen weiteren Player dieser Art, der Plattformtechnologie und Kundennähe so kombiniert. Deshalb auch mein sehr klares Bekenntnis zu Reisebüros - das ist keine Nostalgie, sondern Service, Komfort und Kundennähe.

Haben Sie das Gefühl, dass das, was die Tui auszeichnet, von Analysten und Investoren verstanden wird?

Die Analystenkommentare fallen in der Regel positiv aus und kommen zu ganz anderen Bewertungen als unser aktueller Aktienkurs. Dass das so auseinanderfällt, habe ich selten erlebt. Der Transformationsprozess, den das Unternehmen durchläuft, wird aber mehr und mehr verstanden.

Hat der Wechsel zu einer alleinigen Notiz in Frankfurt und/oder die Aufnahme in den MDax irgendwelche Impulse gebracht?

Für uns ist die Börsennotiz nur in Frankfurt viel weniger komplex und das verursacht deshalb niedrigere Kosten. Wir haben die Liquidität der Aktie an einem Börsenstandort gebündelt und im MDAX eine prominentere Position. Den meisten Investoren ist der Handelsplatz allerdings relativ egal.

Die Dividendenzahlung wurde im Zusammenhang mit den staatlichen Hilfen in der Pandemie eingestellt, wann wird wieder ausgeschüttet?

Das ist ein Thema mit dem wir uns beschäftigen müssen. Wir haben im Geschäftsjahr 2024 das Ergebnis deutlich gesteigert und unsere Bilanzstrukturen signifikant verbessert. Wir haben das Ziel, unseren Net Leverage auf deutlich unter 1x zu senken. Sie werden im Dezember bei der Vorstellung unserer Geschäftsjahreszahlen sehen, dass wir diesem Ziel schon einen großen Schritt nähergekommen sind. Wir waren im Jahr 2023 mit 1,2x Net Leverage schon besser als im Vor-Corona-Jahr 2019. Beim Rating haben wir zwar auch schon eine Verbesserung gesehen, wir sind aber noch nicht wieder auf Vorkrisenniveau. Diese Komponenten sind die Basis zur Formulierung einer nachhaltigen Ausschüttungspolitik, damit eine unternehmerische Entscheidung, die wir zu gegebener Zeit treffen werden.

Und wie könnte diese unternehmerische Entscheidung mittelfristig aussehen?

Das wägen wir Jahr für Jahr ab.

Wie ist der Stand beim Abbau der Verschuldung?

Auch da geht es immer um ein gutes Ausbalancieren. Wenn wir alles in den Abbau der Verschuldung stecken, können wir nichts mehr investieren. Wir wollen den freien Cash-flow für beides nutzen, investieren und Verschuldung abbauen. Unsere Ratings sind mit positivem Ausblick versehen, da wird durchaus wahrgenommen, was wir machen.

Unternehmen wie die Lufthansa wollen wegen der hohen Standortkosten in Deutschland ihr Geschäft internationaler aufstellen, gilt das auch für die Tui?

Wir müssen uns internationaler aufstellen. Wir sind mittlerweile im Veranstaltergeschäft Marktführer in Polen und haben den Markteintritt in Tschechien geschafft. Das haben wir im Übrigen mit der polnischen Plattform gemacht. 2025 soll die Slowakei und möglicherweise auch Rumänien folgen auf der gleichen Plattform. Dadurch hat man kaum zusätzliche Fixkosten. Wir wachsen in Portugal und Spanien und sind auch in Süd- und Mittelamerika aktiv. Wir werden außerdem sicher demnächst mit dem Veranstaltergeschäft nach Nordamerika gehen. Im Hotelgeschäft sind wir schon global unterwegs, überwiegend mit eigenen Hotels in Europa, in der Karibik, in Afrika. Wir sind mit ersten Hotels in China und in anderen asiatischen Ländern vertreten und bauen die Hotel-Cluster in Nord-, West- und Ost-Afrika aus.

Wie verteilten sich die Tui-Umsätze derzeit regional?

Beim Ergebnis sind die Hotel- und Kreuzfahrt-Gesellschaften unsere stärksten Säulen, also Tui-exklusive Marken wie Tui Cruises mit Mein Schiff, Robinson, Riu oder Tui Blue. Wir haben heute bei den Umsätzen unserer Reiseveranstalter zwei große Kernmärkte, Deutschland und Großbritannien. In der Ergebnisverteilung spiegelt sich das aber nicht entsprechend wider. Die Ergebnisse, die wir heute erzielen und die wir morgen erzielen werden, werden zunehmend aus den globalen Aktivitäten kommen. Ich hoffe natürlich, dass Deutschland in Sachen Konjunktur noch mal die Kurve kriegt, aber das ist keine Sache von zwei Jahren.

Ist das hochpreisige Geschäft, auf das die Tui verstärkt setzt, nachhaltig angesichts der zunehmenden konjunkturellen Schwierigkeiten?

Unser Marktanteil im höherpreisigen Segment ist viel größer als im Niedrigpreissegment. Und dieses Segment ist konjunkturunabhängiger. Durch die weltweit höhere Reisetätigkeit, lässt sich eine Schwäche im europäischen Geschäft zudem nicht 1:1 runterbrechen. Früher sanken die Hotelerlöse um 5%, wenn die Buchungen in Europa um 5% runtergingen. Heute wird das durch Reiseströme aus anderen Quellmärkten ausgeglichen und die bringen zum Teil höhere Erlöse. Unsere Hotels in der Karibik zum Beispiel haben heute bereits im Schnitt bis zu 80% Kunden aus den USA und Kanada. Die Tui Blue Hotels in China haben chinesische und asiatische Gäste als Zielgruppe.

Das Interview führte Lisa Schmelzer.

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