Touristik

Tui will Staatskredite „zügig“ tilgen

Der weltweit größte Touristikkonzern Tui plant eine Kapitalerhöhung, um einen Teil der Staatshilfen zurückzuzahlen, die das Unternehmen während der Pandemie erhalten hat.

Tui will Staatskredite „zügig“ tilgen

cru Frankfurt – Vorstand und Aufsichtsrat der Tui wollen durch die Ausgabe neuer Aktien 1,1 Mrd. Euro aufbringen, um damit die Staatshilfen teilweise wieder zurückzuzahlen. Dies sei ein weiterer Schritt, um zur wirtschaftlichen Stärke zurückzufinden, sagte Tui-Chef Fritz Joussen. „Wir wollen die staatlichen Kredite zügig zurückführen.“

Der weltweit größte Touristikkonzern ist damit der jüngste Fall aus der Reihe von Unternehmen der Reisebranche, die bei Investoren frisches Eigenkapital einsammeln, um den Schuldenberg abzubauen. Mit den Nettoerlösen aus der Kapitalerhöhung will Tui die Zinskosten und die Nettoverschuldung senken. Die Kapitalerhöhung zum Discountpreis von 2,15 Euro pro Aktie – ein Abschlag von 35% – im Rahmen eines Bezugsrechtsangebots ermögliche es, die Inanspruchnahme des Rettungskredits der staatlichen Förderbank KfW um 375 Mill. Euro auf null zu reduzieren, teilte Tui am Mittwoch mit.

Das vollständig gezeichnete Bezugsrechtsangebot werde dazu beitragen, die Schulden der Tui inklusive der Tilgung von Krediten privater Banken von 8,7 Mrd. Euro auf 6,5 Mrd. Euro abzusenken. Eine stille Einlage und eine Wandelanleihe des Bundes von insgesamt rund 1,2 Mrd. Euro sind von dem Schritt nicht betroffen. Zudem bleibt die von der KfW eingeräumte Kreditlinie über etwas mehr als 3 Mrd. Euro bestehen, um flexibel auf die weitere Entwicklung der Pandemie reagieren zu können.

Tui hatte das Kapital schon im Januar um 500 Mill. Euro erhöht. Der Hauptaktionär Unifirm, der von der Familie des russischen Milliardärs Alexej Mordaschow kontrolliert wird, zieht dennoch voll mit und übt alle auf seine Beteiligung von 32% entfallenden Bezugsrechte aus. Das Angebot läuft von Freitag (8. Oktober) an bis zum 2. November. Federführend beauftragt sind Barclays Bank Ireland, Bank of America, Citi­group, Deutsche Bank und HSBC.

3,4 Mrd. Euro in der Kasse

Anfang Oktober verfügte Tui nach eigenen Angaben über finanzielle Mittel von 3,4 Mrd. Euro, samt Erlösen aus der Kapitalerhöhung seien es nun 4,5 Mrd. Euro. Auch mehrere andere Reiseunternehmen und Fluggesellschaften haben in jüngster Zeit neue Aktien verkauft, um ihre Bilanzen zu stärken, da die Lockerung der Reisebeschränkungen die Buchungen wieder ankurbelt. Die Deutsche Lufthansa bringt 2,1 Mrd. Euro durch eine Bezugsrechtsemission auf, um die Rückzahlung eines staatlichen Rettungspakets in Höhe von 9 Mrd. Euro zu beschleunigen. Hier soll der Erlös bereits für die Rückzahlung stiller Einlagen über bis zu 2,5 Mrd. Euro genutzt werden, während Easyjet im September eine Kapitalerhöhung in Höhe von 1,2 Mrd. Pfund ankündigte.

Als Reaktion auf die seit Juni diskutierte Tui-Kapitalerhöhung fiel der Kurs des in Hannover ansässigen Unternehmens, das in London notiert ist, um bis zu 2,6%, bevor die Aktie wenig verändert bei 329 Pence gehandelt wurde und dann um 1% ins Minus drehte. Seit Anfang 2019 hat sich der Börsenwert des Konzerns halbiert auf 4,2 Mrd. Euro. Durch die Transaktion werde die Aktie um rund 50% verwässert, berechnet Jefferies-Analystin Rebecca Lane.

Tui hatte mehrere Milliarden Euro aus drei Rettungsaktionen erhalten, seit die Pandemie das Kerngeschäft des Reiseveranstalters getroffen hat, das vor allem darin besteht, britische und deutsche Touristen in warme Urlaubsländer zu bringen. Nach dem dritten Geschäftsquartal (Ende Juni) hatte Tui einen um ein Drittel verringerten Verlust von 935 Mill. Euro gemeldet. Das Unternehmen, das die Fluggesellschaft Tuifly, Hotels und Kreuzfahrtschiffe betreibt, hat sich bei der Finanzierung neben der Bundesregierung auch auf private Investoren verlassen. Einschließlich der Tui-Kapitalerhöhung haben die europäischen Reiseveranstalter und Fluggesellschaften im Jahr 2021 bislang 8,9 Mrd. Dollar eingesammelt, bei einer Gesamtsumme von weltweit 21,8 Mrd. Dollar für die Branche, wie aus Bloomberg-Daten hervorgeht. Auch Air France-KLM, Jet2 und Wizz Air Holdings gehören zu den Fluggesellschaften in Europa, die im Jahr 2021 neue Aktien verkauft haben.

Wacklige Erholung

Nach Angaben der International Air Transport Association haben die Fluggesellschaften insgesamt 243 Mrd. Dollar an staatlicher Unterstützung erhalten, wovon annähernd die Hälfte zurückgezahlt werden muss. Die Rückkehr zu einem positiven Cash-flow im vergangenen Sommer verschafft dem Tui-Management nun eine Atempause beim Überstehen der Krise – vorausgesetzt, die Erholung gerät nicht erneut ins Stocken. Dank der wachsenden Reiselust habe sich die Zahl der Kunden im Juli und August auf 2,6 Millionen verdoppelt gegenüber den von der Coronakrise betroffenen Vorjahresmonaten.

Wie Tui am Mittwoch mitteilte, rechnet das Unternehmen in dieser Wintersaison mit einer breiteren Rückkehr zu internationalen Reisen und einer deutlich besseren Auslastung als im Jahr 2020. Zuletzt seien die Buchungen in Deutschland und den Niederlanden sogar deutlich über das Niveau des Vorkrisenjahres 2019 gestiegen, hieß es. Zudem erhole sich auch der Markt in Großbritannien, nachdem die Regierung die Coronabeschränkungen Mitte September gelockert habe.

Dennoch geht der Reiseveranstalter davon aus, dass die Auslastung nur 60 bis 80% des normalen Niveaus erreichen wird. Bei Langstreckenzielen gehe man weiter von einer langsameren Erholung aus. Dank starker Nachholeffekte und der großen Reiselust der Verbraucher rechnet der Konzern damit, dass sich das Geschäft für den Sommer 2022 dann wieder annähernd auf dem Vorkrisenniveau einpendelt.

Die Buchungen für den nächsten Sommer liegen demnach um 54% und der Durchschnittspreis um 15% über den Buchungen für den Sommer 2019 zum vergleichbaren Zeitpunkt. Die beliebtesten Reiseziele seien derzeit die Türkei, Florida, Griechenland und Zypern. „Wo immer staatliche Reisebeschränkungen aufgehoben sind, sehen wir sofort die schnelle Rückkehr des Geschäfts“, hieß es. „Insbesondere in den letzten Wochen wurde ein starker Aufwärtstrend festgestellt.“