Zweifel an Klimaschutzprojekten

Umweltbundesamt verweigert CO2-Zertifikate

Das Umweltbundesamt hat wegen Ungereimtheiten bei mehreren Projekten die Ausstellung von Klima-Zertifikaten verweigert. Betroffen sind Klimaschutzprojekte in China.

Umweltbundesamt verweigert CO2-Zertifikate

Umweltbundesamt verweigert Zertifikate

dpa-afx Berlin/Dessau

In der Affäre um mutmaßliche Betrugsfälle in China hat das Umweltbundesamt (UBA) deutschen Konzernen die Ausstellung von Klima-Zertifikaten verweigert. Es gehe um acht Klimaschutzprojekte in China, bei denen Unregelmäßigkeiten nachgewiesen worden seien, erklärte die Behörde am Freitag. Die acht verweigerten Zertifikate entsprächen einer Einsparung von 215.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid, die sich die Konzerne ursprünglich auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen wollten.

Das UBA hat nach eigenen Angaben bei sieben der acht Projekte die Freischaltung von Zertifikaten zurückgezogen, weil es „gravierende rechtliche und technische Ungereimtheiten“ gegeben habe. Ein weiteres Projekt erhalte kein Zertifikat, da es entgegen der Regeln „vorzeitig begonnen“ worden sei.

Hintergrund der Maßnahmen ist ein im Juni bekanntgewordenes Geflecht, in das deutsche Mineralölkonzerne involviert sein sollen. Genauere Angaben zu den Unternehmen könne man aus juristischen Gründen nicht machen, sagte ein Sprecher.

Behörde sieht Hauptverantwortung bei Projektträgern

Dass die Mineralölkonzerne jedoch direkt an einem Betrug beteiligt sein könnten, hält das Bundesumweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) nach eigenen Angaben für unwahrscheinlich. „Die Mineralölkonzerne betreiben die Projekte nicht. Sie kaufen bei Marktteilnehmern Projektbeteiligungen ein“, sagte ein Sprecher. Die Konzerne würden nicht direkt in die Projekte, die in China angesiedelt sind, investieren.

Die Hauptverantwortung für die Ungereimtheiten sehe das Ministerium bei den jeweiligen Projektträgern in China und den Gutachtern, die diese Projekte im Auftrag der Konzerne geprüft hätten, hieß es.

UBA schaltet Anwaltskanzlei ein

Neben eigenen Ermittlungen und den Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft hat das UBA nach eigenen Angaben auch eine internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet, um die mutmaßlichen Betrugsfälle aufzuklären. Diese sei auch in China vor Ort aktiv. Im nächsten Schritt würden 13 weitere Projekte unter die Lupe genommen. Zugleich betonte die Behörde, wie schwierig es sei, aus der Ferne und auf Basis von Satellitenbildern oder eingereichter Berichte einen Missbrauch aufzuklären und nachzuweisen. Auch deshalb sei die Anwaltskanzlei eingeschaltet worden.

Insgesamt stehen nach UBA-Angaben 40 von 69 China-Projekten unter Betrugsverdacht. Weitere Projekte wird es vorerst nicht geben: Bundesumweltministerin Lemke hatte angesichts der Verdachtsfälle alle Neuanträge mit Wirkung zum 1. Juli stoppen lassen.

Verdacht auf falsche Anrechnung

Den bisherigen Erkenntnissen zufolge ließen sich die Konzerne offenbar im Rahmen dubioser Klima-Projekte in China Beiträge auf ihre CO2-Bilanzen anrechnen, ohne dass es bei diesen Projekten tatsächlich zu einer Reduktion von Treibhausgasen gekommen wäre. Teilweise hätten die Projekte gar nicht existiert, teilweise habe die angegebene CO2-Reduktion nicht mit der realen Einsparung übereingestimmt, hieß es.

Ermöglicht wurde der mutmaßliche Betrug durch einen Mechanismus, der es Mineralöl-Konzernen in Deutschland erlaubt, mithilfe von Klimaschutzprojekten in China gesetzlich vorgegebene Klimaziele zu erreichen. Sie können Projekte, bei denen im Öl-Sektor Emissionen reduziert werden, finanzieren, und bekommen sie bei Anerkennung entsprechender Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben.

Diese „Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER) werden dann auf die sogenannte Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet. Die Konzerne sparen Geld, indem sie die Quote einhalten.

Ermittlungen gehen weiter

Zuständig für die finale Freischaltung der begehrten Zertifikate ist das Umweltbundesamt, das nach eigenen Angaben im August 2023 einen ersten Verdacht auf Betrug hatte. Öffentlich bekannt wurde die Affäre im Sommer dieses Jahres. Anfang Juli hatte das UBA bereits personelle Konsequenzen gezogen: Die Behörde suspendierte einen seiner für den Bereich zuständigen Mitarbeiter.

Mitte Juli kam es dann im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft in Bayern und Nordrhein-Westfalen zu Durchsuchungen bei Unternehmen, die auf die Erstellung von Umweltgutachten spezialisiert sind - unter anderem zu den umstrittenen Zertifikaten. Ermittelt werde gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges, hieß es.