Im InterviewSebastian Ebel und Mathias Kiep, Tui

„Unser Fokus liegt auf dem eigenen Cashflow“

Die Tui setzt bei einer künftigen Ausschüttungspolitik nicht auf Aktienrückkäufe. Aktuell konzentriert sich das Unternehmen auf den eigenen Cashflow. Die Gründe erläutern CEO Sebastian Ebel und CFO Mathias Kiep im Interview.

„Unser Fokus liegt auf dem eigenen Cashflow“

IM INTERVIEW: SEBASTIAN EBEL UND MATHIAS KIEP

„Unser Fokus liegt auf dem eigenen Cashflow“

Der Tui-Vorstand über neue Absatzmärkte, neue Airline-Partner, Ratingziele und eine künftige Ausschüttungspolitik

Die Tui setzt bei einer künftigen Ausschüttungspolitik nicht auf Aktienrückkäufe, wie dies immer mehr Unternehmen tun. Aktuell konzentriert sich das Unternehmen auf den eigenen Cashflow, um die noch verbliebene KfW-Kreditlinie von 550 Mill. Euro zurückzugeben und auch, um ein besseres Rating zu erzielen.

Herr Ebel, Herr Kiep, der postpandemische Nachholbedarf bei Reisen dürfte ausgeschöpft sein. Was sind nun die Wachstumstreiber für die Tui?

Ebel: Wir haben ein gutes erstes Halbjahr gehabt und erwarten auch einen guten Sommer. Rund 50% des Sommers sind mittlerweile verkauft. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich, dass wir den avisierten Anstieg beim bereinigten operativen Ergebnis von mindestens 25% erreichen. Mittel- und langfristig geht es darum, dass wir unsere Strategie weiterhin konsequent umsetzen. Wir wollen bestehenden Kunden mehr Produkte verkaufen, wir wollen neue Kunden gewinnen und wir wollen uns global stärker positionieren, das heißt, Tui wird nicht nur neue Urlaubsziele, sondern auch neue Absatzmärkte erschließen.

Dabei haben Sie starke globale Wettbewerber, die auch nicht schlafen. Wo setzen Sie an?

Ebel: Wir haben eine der stärksten touristischen Marken im Markt. Der Tui Smile ist ikonisch und auch international sehr präsent. Zudem paketieren wir unsere Angebote zunehmend dynamisch. Damit sind wir viel flexibler und agiler als früher. Daher kommt aktuell unser starkes Wachstum. Besonders attraktiv ist die Kombination aus den bekannten Tui-Produkten und zusätzlichen tagesaktuell eingekauften Hotelzimmern oder Flugsitzen. Hier weiten wir die aktuell verfügbaren Kapazitäten in Europa in diesem Jahr, unter anderem durch eine Kooperation mit Ryanair, deutlich aus. Wir sehen weitere attraktive Möglichkeiten für weitere Partnerschaften. Damit werden bei Tui Reisen verfügbar, die wir so zuvor gar nicht im Angebot hatten, zum Bespiel verstärkt Kurzreisen und Städtetrips und einzelne Segmente. So können wir zu den relevanten Marktführern aufschließen. Wir sind in jedem Land in Europa bei der Markenstärke die Nummer eins oder die Nummer zwei. Auf Basis unserer starken Marke wollen wir stärker wachsen als der Markt.

Damit werden bei Tui Reisen verfügbar, die wir so zuvor gar nicht im Angebot hatten, zum Bespiel verstärkt Kurzreisen und Städtetrips und einzelne Segmente. So können wir zu den relevanten Marktführern aufschließen.

Tui-CEO Sebastian Ebel über Wachstumschancen im Reisemarkt

Kiep: Der operative Erfolg im ersten vollen Geschäftsjahr ohne Einfluss von Covid und das Rekordergebnis im ersten Quartal unseres neuen Finanzjahres hat auch dazu beigetragen, dass im Aktionärskreis wieder eine Normalisierung greift. Wir hatten noch vor Jahresfrist zahlreiche kurzfristig orientierte Aktionäre an Bord. Jetzt kristallisieren sich schon weitere Investoren heraus, die länger engagiert bleiben wollen. Dabei spielt mit der Rückkehr an den Börsenplatz Frankfurt natürlich auch die Perspektive der Aufnahme in den MDax eine Rolle.

Langfristig orientierte Anleger erwarten in der Regel auch eine Dividende. Wann wird die Tui so weit sein, dass sie wieder Gewinne ausschüttet?

Kiep: Wir sollten in der Tat den Anspruch haben, unseren Aktionären in der Zukunft wieder eine Dividende zu zahlen, und das ist auch unsere Absicht. Wir haben dazu einen klaren Plan. Der sieht vor, dass wir zunächst noch einige Hausaufgaben zu erledigen haben. Wir haben die Staatshilfen zurückgezahlt und wollen auch noch die letzte verbliebene Tranche aus der KfW-Kreditlinie über ursprünglich 2 Mrd. Euro zurückgeben, die wir in diesem Jahr nicht mehr genutzt haben. Wir haben diese Kreditlinie bereits deutlich reduziert und als Nächstes gilt es, die letzten 550 Mill. Euro Verfügungsrahmen zurückzugeben. 

Was kostet die Kreditlinie noch?

Kiep: Die Bereitstellungskosten sind gering. Von daher haben wir keinen Grund zur Eile. Ich gehe davon aus, dass wir sie mit einem Vorlauf von 12 Monaten bis zur Fälligkeit ersetzen. Und da schauen wir uns in Ruhe verschiedene Instrumente an. Als Touristikunternehmen machen wir üblicherweise unser Hauptgeschäft im Sommerhalbjahr, also zwischen April und September. Uns war es daher wichtig, diese Absicherung über den Winter zu behalten.

An welche Instrumente denken Sie?

Ebel: Wir schauen uns in Ruhe an, welche Instrumente wir dann sinnvoll einsetzen können. Unser Fokus liegt auf dem eigenen Free Cashflow. Ein positiver Cashflow ist immer sehr wichtig, um die Finanzierungskosten zu optimieren.

Kiep: Es kommt hinzu – und da komme ich zurück auf Ihre Frage nach der Dividendenperspektive –, dass wir auch unsere relative Verschuldung noch weiter reduzieren wollen, um auch wieder ein besseres Rating für das Unternehmen zu erzielen. Derzeit liegen wir auf dem Niveau „B+“, mit positivem Ausblick. Vor der Pandemie wurden wir im „BB“-Bereich bewertet. Da ist also noch ein Weg zu gehen. Sobald wir das erreicht haben, ist der richtige Zeitpunkt, eine Ausschüttungspolitik zu definieren.

Aktienrückkäufe fasst man dann ins Auge, wenn einem die Ideen fehlen, wo sich ansonsten Investitionen lohnen würden. Uns mangelt es aktuell nicht an guten Ideen.

Tui-CEO Sebastian Ebel über die künftige Mittelverwendung

Gibt es schon strukturelle Überlegungen, künftig flexibel mit zwei Instrumenten, Dividende und Aktienrückkäufen zu operieren, so wie es andere Unternehmen zunehmend tun? Zumal die Stimmrechte durch die Kraftakte der Kapitalerhöhungen auch stark verwässert wurden, bietet sich da nicht ein Aktienrückkauf auch prinzipiell an?

Ebel: Unser Ziel ist, profitabel zu wachsen. Aktienrückkäufe fasst man dann ins Auge, wenn einem die Ideen fehlen, wo sich ansonsten Investitionen lohnen würden. Uns mangelt es aktuell nicht an guten Ideen, wie wir durch Digitalisierung und weitere Globalisierung wachsen können. Operativer Erfolg ist das, was Wert stiftet. Die Tui wird heute nicht als Wachstumsaktie wahrgenommen, aber die Reisebranche ist eine Wachstumsbranche, und wenn wir im zweiten oder dritten Jahr ordentlich Wachstum zeigen, werden wir auch anders bewertet werden. Wir haben ambitionierte Ziele und wollen auch das liefern was wir versprechen.

Ihr Ziel ist also, die Tui eher primär als Wachstumstitel zu positionieren?

Ebel: Es geht darum, weiter Vertrauen zu gewinnen. Indem wir erstens unsere Hausaufgaben machen, die Verschuldung senken und unsere Wachstumschancen konsequent nutzen, damit die Tui-Aktie als Wachstumsaktie wahrgenommen wird. Der letzte Schritt ist, den einen oder anderen langfristig orientierten Investor zu gewinnen, der eine solide Dividende möchte.

Wie wirkt sich der starke Inflationsschub aus, der über die vergangenen Quartale eingetreten ist?

Ebel: Der Inflationsdruck hat zuletzt nachgelassen und das hat auch die Reisepreisentwicklung beruhigt. Ich denke nicht, dass wir da noch große Preiserhöhungen sehen werden. Und wir haben ein breites Angebotsspektrum, aus dem wir für jedes Reisebudget Destinationen anbieten können. Die Menschen reisen, das ist sehr klar im ersten Halbjahr zu sehen und auch beim Blick auf den Sommer sichtbar. Aber auch Urlaubsländer stehen im Wettbewerb. 

Preisauftrieb war in jüngster Zeit auch beim Ölpreis zu beobachten. Wo stehen Sie mit Blick auf die aktuellen Kerosinpreise in Ihrer Hedging-Strategie?

Kiep: Für uns war ein ganz wichtiges Ziel, zu einer normalisierten Hedging-Strategie zurückzukehren. Das bedeutet, dass wir vor Saisonbeginn voll abgesichert sind und mit stabilen Preisen kalkulieren können, wenn wir unsere Produkte verkaufen. Im letzten Jahr waren wir deutlich negativen Effekten ausgesetzt, da wir am Anfang der Saisons noch nicht gut abgesichert waren. Mittlerweile ist das wieder der Fall.

Sie haben die Investitionen zuletzt zurückgefahren, um den Cashflow zu schonen. Mit welcher Summe planen Sie künftig?

Kiep: Richtig ist, dass wir die eigenen Investitionen normalisiert haben. Vor der Pandemie hatten wir über Veräußerungserlöse 2 Mrd. Euro eingenommen und diese reinvestiert. Dieser Prozess ist abgeschlossen. Die rund 500 Mill. Euro, die wir nun im Jahr ausgeben, sind praktisch der Taktgeber für die Zukunft. Das kann mal etwas schwanken, wenn wir neue Flugzeuge in die Flotte nehmen. Aber die Investitionen in den Joint Ventures nehmen wir nicht auf unsere Bilanz. So finanziert sich das neue, zusätzliche Hotel-JV mit Riu aus einer Sonderdividende des Gemeinschaftsunternehmens.

Mit Blick auf Ihre früher formulierte „Asset-Right-Strategie“: Ist die bilanzielle Struktur also nun richtig oder besteht weiterer Handlungsbedarf?

Ebel: Wir werden uns im Einzelfall immer anschauen, ob wir ein Flugzeug auf unsere Bilanz nehmen oder ein neues Hotel. Da wird es immer Anpassungen geben, aber im Grunde passt die Struktur.

Die Airline bleibt also bei der Tui?

Ebel: Wir haben unsere Airline mit Flugbetrieben in fünf Ländern in Europa heute sehr gut aufgestellt. Eine Fluggesellschaft zu haben, ist für uns eine gute Sache, solange wir sie wirtschaftlich betreiben können. Wir müssen natürlich im Wettbewerb bestehen. Eine eigene Airline hat auch Vorteile. Wir können in Destinationen investieren und diese entwickeln, ohne darauf zu schauen, ob es fremde Flugkapazitäten dorthin gibt. Wir fliegen dann selbst, die Kapverden sind dafür ein sehr gutes Beispiel. Und eine eigene Airline bietet hohe Qualität und Zuverlässigkeit.

Das Interview führte Heidi Rohde.