K+S-Finanzchef Christian Meyer avisiert niedrige Dividende
Im Interview: Christian Meyer
„Die Dividende dürfte nicht allzu hoch ausfallen"
Der Finanzchef von K+S über die Lage auf dem Kalimarkt, das Projekt „Werra 2060“, den Ausbau in Kanada, Renditeziele und die anhaltende Kursschwäche
Die K+S-Aktie liegt nur knapp über ihrem Dreieinhalbjahrestief. Nach Ansicht von Finanzvorstand Christian Meyer spiegelt der Kurs die Entwicklung des Kalipreises, der „im Moment herausfordernd ist“, wie er im Interview der Börsen-Zeitung sagt. „Zudem stehen wir vor großen Investitionsprojekten.“ Das belastet den freien Cashflow, der 2024 „mindestens ausgeglichen“ sein soll, und wird Folgen für die Dividende haben, die „nicht allzu hoch ausfallen dürfte“.
Herr Dr. Meyer, vor einem Monat fiel der Kurs der K+S-Aktie auf 10 Euro. Das war das tiefste Niveau seit Mai 2021. Zurzeit kostet das Papier rund 11 Euro. Das heißt, dass der Wert seit dem Hoch Mitte 2022 bei 35 Euro um fast 70% gesunken ist. Bekommen Sie die Enttäuschung von Aktionären zu spüren?
Unser Geschäft ist sehr stark vom Kalipreis abhängig, und letztlich orientiert sich auch der Aktienkurs an dessen Entwicklung. Aus Gesprächen, etwa auf unseren Roadshows, weiß ich, dass unsere Investoren wissen, dass sie in ein zyklisches Geschäft investiert haben. Auch Analysten sind da sehr verständig. Wir sind nun mal ein Bergbauunternehmen – unsere Investitionen zahlen sich langfristig aus. Dagegen liegt der Zeithorizont, der am Aktienmarkt betrachtet wird, bei maximal 18 Monaten. Wenn man die Performance der K+S-Aktie mit der des MDax auf Sicht von drei Jahren vergleicht, sehen wir gar nicht mal so schlecht aus. Das Gleiche gilt für den Vergleich mit anderen börsennotierten Wettbewerbern, die auch der schwache Kalipreis belastet. Denn Tatsache ist, dass der Kalipreis im Moment herausfordernd ist und wir zudem vor großen Investitionsprojekten stehen. Deshalb prognostizieren wir einen mindestens ausgeglichenen freien Cashflow im Gesamtjahr. Kurz gesagt: Man braucht einen längeren Zeithorizont, wenn man in die K+S-Aktie investiert.
Man braucht einen längeren Zeithorizont, wenn man in die K+S-Aktie investiert.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Das führt uns zum Markt für Düngemittel und andere Kaliprodukte: Über die weißrussische Belaruskali wurden schon 2021 Sanktionen verhängt, auch die russische Uralkali hat im Westen Absatzprobleme. Das sind zwei der größten Kaliproduzenten der Welt. Wieso hat der Kalipreis, der nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine Rally hingelegt hat, seit 2023 so stark nachgegeben?
Global betrachtet sind wir jetzt wieder im Gleichgewicht, was Angebot und Nachfrage angeht. Die großen Player Russland und Belarus bzw. Uralkali und Belaruskali sind mit ihrem Angebot wieder auf dem Vorkriegsniveau von 2021 zurück auf dem Kalimarkt. Nach wie vor gelten aber die Sanktionen u.a. der EU, der USA und von Kanada gegenüber Belarus, die der Forderung nach freien und fairen Wahlen sowie Freilassung politischer Gefangener Nachdruck verleihen sollen. Sie wurden 2021 verhängt und 2022 erweitert. Dagegen ist Uralkali nie sanktioniert worden, weil Düngemittel auch der Nahrungsmittelproduktion dienen und damit unter die Ausnahmen der Sanktionen gegen Russland fallen. Dass die beiden Unternehmen zeitweilig große Probleme hatten, ihre Produktion anzubieten, hatte vor allem logistische Gründe.
Das müssen Sie erläutern.
Belaruskali wurde der Zugang zur Ostsee über die litauischen Häfen verwehrt. Dadurch mussten sich Belaruskali, Uralkali und Eurochem die Hafenkapazitäten bei St. Petersburg teilen. Wenn Sie aber Massengüter bewegen, stoßen Sie irgendwann in den Häfen an Kapazitätsgrenzen. Zudem gab es wohl auch weitere Herausforderungen, so dass diese Kaliproduzenten die gewohnten Mengen weder produziert noch in die Häfen bekommen haben.
Wie haben Belaruskali und Uralkali auf die Absatzprobleme in westlichen Märkten reagiert?
Sie haben ihre Stoßrichtung geändert und bedienen mit ihren Mengen jetzt viel intensiver als früher Asien, insbesondere China und Indien, sowie Brasilien. Dagegen ist der europäische Markt für Belaruskali geschlossen, und Russland verkauft hier nur noch rund 50% seiner Vorkriegsabsatzmenge. Dadurch konnte K+S seine Marktposition in Europa stärken. Außerdem bedienen wir Absatzregionen, in denen russische und weißrussische Anbieter nicht stark sind. Dort lassen sich dann auch höhere Erlöse erzielen.
Wie kommentieren Sie die hohe Volatilität des Kalipreises in den vergangenen Jahren?
Nach Inkrafttreten der Sanktionen gegen Belarus bzw. nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gab es eine Übertreibung beim Kalipreis, nun gibt es eine Untertreibung.
Wir als K+S sind mit einem globalen Marktanteil von 10% einer der kleineren Spieler.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Wenn es um die Marktaussichten geht, ist immer die Rede von den Jahreskontrakten, die große Anbieter mit China und Indien schließen. Könnten Sie die Hintergründe erläutern?
Grundsätzlich ist der Kalimarkt ein Spotmarkt – mit zwei wichtigen Ausnahmen: China und Indien, wo staatliche Organisationen für riesige Volumina Importkontrakte für ein Jahr abschließen. Dafür braucht man die großen Player: Canpotex, die kanadische Vertriebsorganisation von Nutrien und Mosaic sowie Uralkali – weil nur diese Produzenten solch großen Mengen liefern können. Wir als K+S sind mit einem globalen Marktanteil von 10% einer der kleineren Spieler und für die Dimensionen, in denen es in diesen Verträgen geht, ungeeignet. Wenn nun diese Verträge platziert sind, ist es für den Gesamtmarkt wichtig zu sehen, ob sie auf, über oder unter dem Preisniveau abgeschlossen wurden, das erwartet worden war. Die jüngsten Jahreskontrakte mit China und Indien haben den Marktteilnehmern gezeigt, dass der Boden beim Kalipreis offenbar erreicht ist. In anderen Regionen wird dann üblicherweise eine Prämie auf die mit China und Indien ausgehandelten Preise gezahlt.
Was sagen Sie zur Entwicklung der Absatzmärkte?
In Bezug auf die Warenströme hat sich der Markt infolge der Sanktionen und des Ukraine-Krieges verschoben. Der Angriffskrieg ist ein Thema zwischen Russland und der nordwestlichen Hemisphäre, also der Nato. Die russischen und weißrussischen Kaliproduzenten haben daher erfolgreich Absatzmärkte u.a. in Asien erschlossen.
Könnte man sagen, dass heute ein Oligopol an Anbietern jeweils unterschiedliche Weltregionen mit Düngemitteln versorgt?
Im Grunde schon. Die großen Player bedienen die Weltmärkte, doch es gibt nicht nur Canpotex und die russischen und weißrussischen Verkäufer, sondern auch noch kleinere Anbieter wie die israelische ICL und uns. Doch die Preise bestimmen am Ende die großen Produzenten.
Welche wichtigen Einflussgrößen auf den Kalipreis gibt es – außer den besagten Jahreskontrakten mit China und Indien – noch?
Die Jahreskontrakte setzen eine Basis für den Markt. Doch natürlich können sich die Preise im Jahresverlauf deutlich ändern. Auch die Preise der Agrarprodukte – also Weizen, Mais, Sojabohnen, Palmöl usw. – haben Einfluss auf die Kalipreise. Am Ende des Tages ist die Frage: Können und wollen sich die Landwirte den Dünger leisten oder nicht? Und wir sehen, dass im Schnitt die Landwirtschaft gar nicht so schlecht dasteht. Man ist vielleicht nicht mehr so euphorisch wie noch vor Kurzem, aber in der langfristigen Betrachtung geht es der Landwirtschaft global zurzeit ganz gut. Bei bestimmten Agrarprodukten lohnt sich beim gegenwärtigen Preisniveau die Düngung auf jeden Fall. Ein Faktor, der uns zusätzlich positiv stimmt, ist, dass Kali im Vergleich zu anderen Düngersorten wie Stickstoff und Phosphat in der Anwendung unterrepräsentiert ist. Und billiger ist er noch dazu.
Große Hoffnungen in Bezug auf Ausbringung und Profitabilität verband K+S mit dem Werk Bethune in Kanada, das sich der Konzern 3,1 Mrd. Euro kosten ließ. Gilt das noch?
Mehr denn je. 2017 war die Inbetriebnahme von Bethune. Das Werk liegt in der kanadischen Provinz Saskatchewan, wo sich die größte Kalilagerstätte der Welt befindet. Es ist eines von ganz wenigen Greenfield-Projekten im Bereich Kali in der westlichen Hemisphäre der vergangenen 40 Jahre. 2006 bis 2008 waren zwar rund 130 neue Projekte auf der grünen Wiese kommuniziert worden; realisiert wurden aber nur drei. Grund ist, dass die Umsetzung eines solchen Projekts eine große Herausforderung ist. Man braucht viel Geld, man muss die Expertise haben und in den richtigen Regionen investieren.
In der Anfangsphase gab es beim Kalitransport von Bethune zu den Häfen Probleme; es kam zur Verklumpung. Gibt es noch solche oder ähnliche Probleme?
Nein, schon lange nicht mehr. Natürlich hat es am Anfang hier und da etwas geruckelt – aber das ist normal. Heute sind wir in der Lage, das granulierte Kalisalz in alle Welt zu exportieren. Das ist übrigens nicht so einfach, wie es klingt. Denn das Kaliumchlorid muss nicht nur unverklumpt im Hafen ankommen, etwa in Vancouver, es muss auch am Zielort, etwa in Brasilien, wo eine ganz andere Luftfeuchtigkeit herrscht, so gelagert werden, dass es nicht zum Caking, also der Verklumpung, kommt.
Was unterscheidet das Werk von den Minen in Deutschland?
Wir betreiben in Bethune Solungsbergbau, das heißt, wir gehen dort – im Gegensatz zu unseren Werken in Deutschland – nicht mit Bergleuten unter Tage, sondern wir pumpen durch ein Bohrloch Frischwasser in lösefähiges Salzgestein, wodurch Kavernen entstehen. Anschließend wird die gesättigte Sole über eine weitere Rohrleitung an die Erdoberfläche gefördert. Nach Abschluss dieser Förderphase wird die Injektionsflüssigkeit von Frischwasser auf gesättigte Sole umgestellt; damit beginnt das Secondary Mining. Das Kali wird nun selektiver aus dem umgebenden Gestein gelöst, während das Salz weitgehend in der Kaverne verbleibt.
Wo liegt die Jahreskapazität von Bethune? Wo liegt das langfristige Förderziel?
Gegenwärtig sind wir in der Lage, in Bethune jährlich mehr als 2 Millionen Tonnen zu produzieren. Es war von Anfang an klar, dass die Kapazitäten dort nach und nach größer werden. Bis zur geplanten Endkapazität von 4 Millionen Tonnen pro Jahr wird es von der Inbetriebnahme 2017 an gemessen rund 20 Jahre dauern. Denn die Entwicklung einer Kaverne dauert bis zu fünf Jahre, bevor sie richtig in die Produktion geht.
Wir werden mit dem Werk Bethune eine der effizientesten und profitabelsten, weil kostengünstigsten Kaliminen weltweit haben.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Eben war vom Secondary Mining die Rede. Was ist der Unterschied zum Primary Mining?
Was Bethune für uns so wirtschaftlich macht, ist, dass wir dort auch die physikalischen Eigenschaften von Kali nutzen. Denn bei niedrigen Temperaturen kristallisiert Kali, und am Standort herrscht die Hälfte des Jahres Frost, wobei es bis zu minus 50 Grad kalt werden kann. Dann kann man das kristallisierte Kali aus den Kühlbecken, den Cooling Ponds, ernten. Dieser Prozess erfordert nur wenig Energie und ist daher kostengünstig. Das macht es so hochprofitabel. Die ersten 2 Millionen Tonnen aus Bethune werden mittels Primary Mining und die zweiten 2 Millionen Tonnen durch Secondary Mining gewonnen; in der letztgenannten Stufe sind die Kosten pro Tonne minimal. Dann werden wir mit dem Werk Bethune eine der effizientesten und profitabelsten, weil kostengünstigsten Kaliminen weltweit haben. Darüber hinaus ist der Ramp-up in Bethune auch ein Nachhaltigkeitsprojekt, weil das Secondary Mining sehr wassereffizient ist und zu einer massiven Senkung des CO2-Fußabdrucks des Werkes führt.
Wohin wird die Produktion aus Bethune verkauft?
Schwerpunkmäßig geht die Produktion nach Brasilien und Südostasien. Ein bisschen was geht nach China und Indien.
Als 2022 die Energiepreise in die Höhe schossen, hieß es, gerade für Bethune sei das eine besondere Belastung.
Richtig ist, die Kosten für Energie – sprich: Erdgas – sind in Bethune höher als für Personal. Wir haben dort 500 Mitarbeitende für 2 Millionen Tonnen Förderkapazität. Die anderen 5 Millionen Tonnen produzieren wir in Deutschland mit 8.000 Mitarbeitenden. Das zeigt, wie hocheffizient unser kanadisches Werk ist. Zugute kommt uns außerdem, dass Kanada über große Vorkommen an Gas verfügt – die Versorgungssicherheit ist also gewährleistet. Und das Preisniveau für Gas ist deutlich niedriger als etwa hier in Europa.
Welchen Anteil am operativen Konzernergebnis wird Bethune 2024 haben?
Dazu sagen wir nichts.
Betreibt K+S Wechselkurs-Hedging – insbesondere mit Blick auf Bethune?
Wir sind in zwei Währungsräumen unterwegs. Andererseits ist Kali global ein Markt, der auf US-Dollar lautet. Wir hedgen also den Dollar für die Mengen, die wir verkauft haben, und wir sichern somit den Geldeingang in US-Dollar ab. Daneben haben wir in Nordamerika viele Ausgaben in US-Dollar; daraus ergibt sich teilweise ein Natural Hedge.
In welchem Umfang wird Wechselkursabsicherung betrieben?
Wir sichern abgestuft auf drei Jahre den US-Dollar ab, um mit einem Mischkurs die starken Ausschläge nach oben oder unten auszugleichen. Für das laufende Jahr sind wir zum Beispiel vollständig gehedgt.
In Deutschland liegt der Fixkostenanteil bei rund 80%, in Kanada bei etwa einem Drittel der Gesamtkosten.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Was sind die größten Unterschiede in der Kostenrechnung zwischen Bethune und den deutschen Kaliwerken?
Wir haben in Deutschland deutlich mehr Personal, was auf die Relation zur produzierten Tonne Kali durchschlägt. Durch den Ramp-up in Bethune mit dem Kristallisieren von Kali werden wir dort noch weniger Energie pro Tonne einsetzen müssen, was die Kluft zu unseren deutschen Werken weiter vergrößert. In Deutschland liegt der Fixkostenanteil bei rund 80%, in Kanada bei etwa einem Drittel der Gesamtkosten. Letztlich werden wir mit Bethune unter die wettbewerbsfähigsten Kaliminen weltweit kommen.
K+S verfolgt derzeit zwei große Projekte. Durch den „Ramp-up Bethune“, wie sie es nennen, soll die Produktionskapazität in Kanada von 2 auf 4 Millionen Tonnen pro Jahr ausgebaut werden, was bis zu 15 Jahre dauern wird. Was verbirgt sich hinter dem Transformationsprojekt „Werra 2060“?
Es geht um unser Verbundwerk an der Werra, das wir dadurch fit für die kommenden Jahrzehnte machen. Dort werden wir von unseren drei Standorten zwei umbauen: Wir gehen von der nassen zur trockenen Produktion über. Das heißt, wir lösen künftig das Kali aus dem Rohsalz nicht mehr durch Zuführung von Wasser, sondern durch ein elektrostatisches Verfahren.
Welche Vorteile bringt das?
Im Vergleich zu klassischen nassen Aufbereitungsverfahren sind Energieaufwand und Produktionsrückstände in der trockenen Produktion deutlich vermindert. Bei diesem Aufbereitungsprozess fallen ab 2028 auch keine Produktionsabwässer mehr an, die bislang überwiegend in die Werra eingeleitet werden mussten. Darüber hinaus senken wir deutlich die weitere Aufhaldung, weil wir den Rückstand für Versatz – also die Verfüllung von unter Tage entstandenen Hohlräumen – nutzen. Wir werden so zudem unseren CO2-Fußabdruck um rund 50% reduzieren – aber natürlich auch deutlich wirtschaftlicher werden.
Was wird das Ganze kosten?
Wir gehen von einem Investitionsvolumen von insgesamt 600 Mill. Euro über mehrere Jahre aus. Durch diese Maßnahmen werden wir die Laufzeit des Verbundwerkes mindestens bis ins Jahr 2060 verlängern. Das heißt aber nicht, dass 2060 Schicht im Schacht ist. In 20 Jahren wird man sicher wieder neue Ideen haben, wie man die Ressource wirtschaftlich fördern und so die Laufzeit verlängern kann.
Wo sehen Sie Wachstumschancen im Bereich Kali – unterteilt nach Produkten und Regionen?
Die Megatrends sind intakt, etwa eine wachsende Weltbevölkerung, die mit Nahrung versorgt werden muss. Dadurch steigt der Bedarf an Düngemitteln, damit auf den vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen optimierte Mengen an Agrarprodukten für die Welternährung gewonnen werden können. Eine optimale Düngung gibt es nur in wenigen Regionen, wie beispielsweise in Deutschland, Frankreich, Nordamerika und Brasilien. In vielen anderen Regionen der Welt gibt es großen Nachholbedarf, Kalidünger optimal einzusetzen.
Seit dem Verkauf von Morton Salt in den USA spielt das Salzgeschäft bei K+S mehr denn je nur die zweite Geige. Was haben Sie mit diesem Geschäft vor?
Unser Salzgeschäft ist hochlukrativ, und die eine oder andere Effizienz wollen wir noch heben. Mit Blick auf das volatile Kaligeschäft sorgt es auch für eine gewisse Stabilität. Wir sehen bei Salz zudem eine steigende Nachfrage gerade aus rentableren Bereichen wie Nahrungsmittel, Pharma und für industrielle Anwendungen. Als Folge ziehen die Preise in diesen Segmenten an.
Welchen Anteil am Konzernumsatz und -ergebnis hat das Salzgeschäft?
Das lässt sich durch die Vermengung in unseren beiden Geschäftsbereichen, Landwirtschaft und Industrie+, und teilweise auch bei Produkten schwer sagen. Etwa zwei Drittel unserer Erlöse stammen aus dem Kundensegment Landwirtschaft, ein Drittel aus dem Kundensegment Industrie+, das neben der Industrie auch die Kommunen umfasst, die vor allem Auftausalz nachfragen. Grob gesprochen könnte man sagen: Das Salzgeschäft wächst etwa im Ausmaß der Inflation. Bereinigt um diesen Faktor legen Verkaufsmenge und -preise kaum zu, sinken aber auch nicht.
Angesichts der zunehmend milden Winter: Welche Bedeutung hat das Geschäft mit Auftausalz für K+S?
Der Beitrag von Auftausalz wird in der Gesamtbetrachtung des Segments Industrie+, zu dem das Geschäft gehört, immer unbedeutender. Der Anteil liegt noch bei rund 14 %.
Wo sind die Margen im Salzgeschäft am höchsten?
Bei Spezialitäten wie Pharmasalz, wo wir Weltmarktführer sind, oder dem hochreinen Kaliumchlorid KCl 99%; für solche Produkte wird das Zehnfache des Preises für Auftausalz gezahlt. Und trotz des viel höheren Produktionsaufwands sind solche hochreinen Salze sehr margenstark.
Was sind die wesentlichen Kostenfaktoren für K+S?
Der größte Block mit einem Anteil von mehr als 40% an den Gesamtkosten sind die Personalkosten. Bergbau ist nun einmal sehr personalintensiv. Danach folgen Material, Energie sowie Fremdlieferungen und -leistungen, etwa für die Wartung von Anlagen.
Wie haben sich Ihre Energiekosten entwickelt?
Auch wenn die Energiepreise von ihren Hochs, die nach Beginn des Ukraine-Krieges erreicht wurden, wieder deutlich zurückgekommen sind – wir liegen deutlich über dem Niveau, das vor dem Krieg bestand. Wegen dieser Volatilität haben wir eine Sicherungsstrategie, indem wir Kontrakte für das laufende, das nächste und das übernächste Jahr schließen.
K+S plant für 2024 mit Investitionen (Capex) von rund 550 (i.V. 525) Mill. Euro. Wohin fließt das Geld und wofür wird es ausgegeben?
Der Großteil der höheren Investitionen fließt in das Transformationsprojekt „Werra 2060“ und den Ramp-up in Bethune. In unserem deutschen Verbundwerk Werra werden im untertägigen Bereich die ersten Investitionen getätigt, für die wir insgesamt bis Ende 2027 rund 600 Mill. Euro eingeplant haben. In Kanada bauen wir z.B. eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlage und entwickeln die dortigen Kavernen weiter.
Wenn K+S keine speziellen Großprojekte verfolgt, welche Höhe haben die Investitionen dann?
Wir haben ein Basis-Capex von rund 400 Mill. Euro; die Summe fällt jedes Jahr u.a. für Instandhaltungsmaßnahmen an.
Wie finanzieren Sie „Werra 2060“ und den Ramp-up in Bethune?
Das können wir aus eigener Kraft stemmen – unabhängig von Preisschwankungen am Kalimarkt. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht möglich gewesen.
Mit der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen wurde die Erwartung an den Cashflow in diesem Jahr bestätigt und die Ebitda-Prognose präzisiert. Wie lautet die aktuelle Prognose?
Für das Gesamtjahr geht K+S nun von einem operativen Ergebnis (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Ebitda; die Red.) zwischen 530 und 620 Mill. Euro aus nach 712 Mill. Euro im Vorjahr. Zuvor lag die prognostizierte Ebitda-Bandbreite bei 500 bis 650 Mill. Euro; der Mittelwert wurde also bestätigt. Der bereinigte freie Cashflow sollte trotz der erhöhten Investitionen aufgrund des Ramp-up in Bethune sowie vorbereitender Ausgaben für „Werra 2060“ mindestens ausgeglichen sein. 2023 hatten wir einen bereinigten freien Cashflow von 311 Mill. Euro erwirtschaftet.
Im Kaligeschäft versuchen wir, unsere Kapazitäten optimal zu nutzen; das hängt auch mit dem hohen Fixkostenanteil an den Gesamtkosten zusammen.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Wo liegt Ihr Produktionsziel für 2024?
Im Kaligeschäft versuchen wir, unsere Kapazitäten optimal zu nutzen; das hängt auch mit dem hohen Fixkostenanteil an den Gesamtkosten zusammen. 2024 wollen wir im Kundensegment Landwirtschaft zwischen 7,4 und 7,7 Millionen Tonnen absetzen.
Das dritte Quartal liegt hinter uns. Sieht es danach aus, dass Sie die Ziele ändern müssen oder bestätigen können?
Den Zwischenbericht für die ersten neun Monate legen wir am 14. November vor. Zuletzt haben wir im August den Ausblick für das Gesamtjahr präzisiert.
K+S führt im dritten Quartal die Wartungen in den Werken durch. Dadurch ist das dritte Quartal in der Regel für uns das schwächste im Jahr.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Brachte das abgelaufene Quartal irgendwelche Besonderheiten mit sich?
Sie müssen wissen, dass K+S im dritten Quartal die Wartungen in den Werken durchführt. Dadurch ist das dritte Quartal in der Regel für uns das schwächste im Jahr. Marktseitig ist die Nachfrage weltweit gut. Einige Wettbewerber sind auf Sicht von ein, zwei Monaten ausverkauft. Das Preisniveau ist im Sommer auf dem Niveau vom Ende des zweiten Quartals geblieben, so dass wir für den Kalipreis im Jahresdurchschnitt etwa 313 Dollar pro Tonne erwarten.
Wie lauten Ihre längerfristigen Finanzziele?
Wir wollen über einen Zyklus von fünf Jahren unsere Kapitalkosten verdienen, also einen positiven Roce (Return on Capital Employed; die Red.) erzielen. Außerdem streben wir über diesen Zyklus eine Umsatzrendite bezogen auf das Ebitda von mindestens 20% an. Nicht zuletzt soll die Nettoverschuldung zum Ebitda maximal das 1,5-Fache betragen.
Verdient K+S seine Kapitalkosten?
Im von uns zugrunde gelegten Fünfjahreszeitraum lag der Schnitt des Roce zuletzt bei 12,25%; die Kapitalkosten lagen bei etwas mehr als 10%. Wir verdienen also unsere Kapitalkosten.
Welches Rating hat K+S?
Gegenwärtig wird K+S von Standard & Poor´s mit „BBB−“ bewertet; der Ausblick ist „stabil“.
Wie wichtig ist Ihnen ein Investment Grade?
Das Investment Grade ist für uns ein Qualitätssiegel dafür, dass wir besonnen und vorausschauend mit unseren Finanzen umgehen und letztendlich eine gute Finanzpolitik machen. Wir fragen uns sehr genau: Was können wir uns leisten? Was investieren wir? Darüber hinaus strahlt das Investment Grade natürlich auch auf den Aktienkurs aus. Vor allem war das Rating aber für unsere Anleihe sehr wichtig.
Zu diesem Bond bitte noch ein paar Worte von Ihnen ...
Am 19. Juni dieses Jahres haben wir eine neue Benchmark-Anleihe in Höhe von 500 Mill. Euro begeben. Diese diente insbesondere der frühzeitigen Refinanzierung der einen Monat später, am 18. Juli ausgelaufenen und vollständig zurückgezahlten Anleihe von 2018. Deren Kupon lautete auf 3,25%. Der Nominalzinssatz der neuen Anleihe, die bis Juni 2029 läuft, beträgt 4,25%. Ohne das Investment Grade von S&P wäre der Zinssatz mit Blick auf die damalige Marktlage sicher höher ausgefallen. Deshalb wollen wir diese Einstufung auch unbedingt verteidigen. Netto betrachtet haben wir die inverse Zinsstruktur – die langfristigen Zinsen sind dann niedriger als die kurzfristigen – nutzen können. Mit dem Geld haben wir eine solide Finanzbasis an Liquidität für die Projekte geschaffen, die nun vor uns liegen.
Aus welchen Bausteinen setzt sich die Finanzierung von K+S zusammen?
Wir nutzen grundsätzlich verschiedene Finanzinstrumente, u.a. die im Juni von uns begebene Benchmark-Anleihe über 500 Mill. Euro. Daneben steht uns ein Konsortialkredit im Volumen von 400 Mill. Euro zur Verfügung, den wir im Moment aber nicht benötigen, ebenso wenig unser Factoring-Programm oder das Commercial-Paper-Programm. Denn gegenwärtig haben wir eine Nettovermögensposition mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag; wir haben also keine Nettofinanzschulden. Zudem haben wir eine hohe Liquiditätsposition. Und abgesehen von dem Bond gibt es auch keine anderen ausstehenden Verbindlichkeiten.
Sie werden lange suchen müssen, um auch nur eine Handvoll Unternehmen zu finden, die wie wir keine Nettofinanzverbindlichkeiten haben.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Zeitweilig war K+S so hoch verschuldet, dass einige Marktteilnehmer angesichts schwacher Kalipreise und Ergebnisse die Existenz des Unternehmens gefährdet sahen. Vor allem durch den Verkauf von Morton Salt hat sich Blatt gewendet. Seit dem 30. September 2022 kann die Gruppe anstelle von Nettofinanzverbindlichkeiten eine Nettovermögensposition ausweisen. Zum 30. Juni belief sich diese auf 90,7 Mill. Euro. Sie ist jedoch seit über einem Jahr rückläufig. Muss man sich wieder Sorgen machen?
Nein, absolut nicht. Sie werden lange suchen müssen, um auch nur eine Handvoll Unternehmen zu finden, die wie wir keine Nettofinanzverbindlichkeiten haben. Dass die Vermögensposition angesichts unserer Investitionsprojekte und des niedrigen Preisniveaus für Kali leicht zurückgeht, ist nicht verwunderlich. Wir sind grundsätzlich viel resilienter für Durststrecken oder gar Krisen aufgestellt als vor dem Verkauf des amerikanischen Salzgeschäftes.
Angesichts der starken Bilanz – sind Übernahmen für K+S ein Thema?
Wir wollen unsere starke Bilanz behalten und haben mit „Werra 2060“ und „Ramp-up Bethune“ zwei in Bezug auf die Renditeaussichten vielversprechende Projekte laufen – darauf wollen wir uns konzentrieren. Das ist für uns viel interessanter, als jetzt eine Akquisition zu tätigen.
Für dieses Jahr haben wir den freien Cashflow mindestens ausgeglichen prognostiziert. Dass angesichts dieses Ausblicks die Dividende nicht allzu hoch ausfallen dürfte, ist klar.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Wie sieht die Dividendenpolitik von K+S aus?
Wir orientieren uns am Free Cashflow, also dem operativen Cashflow abzüglich der Investitionen. Wir wollen 30 bis 50% dieses freien Mittelzuflusses an die Aktionäre ausschütten. Für dieses Jahr haben wir den freien Cashflow mindestens ausgeglichen prognostiziert. Dass angesichts dieses Ausblicks die Dividende nicht allzu hoch ausfallen dürfte, ist klar. Aber das halte ich für eine gesunde Dividendenpolitik: Dass man nicht mehr ausschüttet, als man tatsächlich verdient bzw. in die Kasse geholt hat. Daneben werden in der Diskussion über die Dividendenhöhe auch die geplanten Investitionsvolumina und die aktuelle Finanzstruktur berücksichtigt.
Wie viel hat K+S in den vergangenen Jahren ausgeschüttet?
Für 2023 wurden 0,70 Euro je Aktie gezahlt und für das Jahr davor 1 Euro, wobei 2022 umgerechnet noch etwa 1 Euro hinzukam, der den Aktionären in Form von Aktienrückkäufen zugutekam. Über die Möglichkeit zu Aktienrückkäufen verfügen wir immer noch, wollen mit weiteren Rückkäufen jedoch warten, bis sich unsere Ergebnissituation wieder deutlich gebessert hat.
Wir sind sehr stark auf dem europäischen Markt; wir haben hier im Moment einen Marktanteil von fast 60%.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Was unterscheidet K+S von Wettbewerbern wie Nutrien aus Kanada, Mosaic aus den USA und ICL aus Israel?
In einigen unserer deutschen Werken fördern wir Rohsalz, in dem bereits Mineralien wie Magnesium und Sulfate enthalten sind, so dass die Weiterverarbeitung zu Kaliumsulfat , Korn-Kali (ein kombinierter Kalium- und Magnesiumdünger; die Red.) usw. für uns kostengünstiger ist und wir diese Produkte entsprechend leichter und günstiger anbieten können. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das uns von den Wettbewerbern unterscheidet. Des Weiteren sind wir sehr stark auf dem europäischen Markt; wir haben hier im Moment einen Marktanteil von fast 60%. Im Vergleich zur Konkurrenz kommt uns hier der Standortvorteil zugute, während andere Anbieter erst einmal ihre Produkte in die Häfen und dann noch zum Kunden bringen müssen. Darüber hinaus sind wir der einzige Düngemittelproduzent, der auf zwei Kontinenten – Europa und Nordamerika – Kali abbaut; damit haben wir die Risiken durch Energie-, Logistik- und anderen Kosten gestreut. Außerdem haben wir dadurch Vorteile im Vertrieb, weil z.B. der Transport von Produkten nach Südamerika in der Regel von Bethune aus erfolgt. Umgekehrt gibt es viele Märkte, die sich viel leichter von Deutschland aus beliefern lassen.
Man unterscheidet zwischen Kali-, Stickstoff- und Phosphatdünger. Die kanadische Nutrien, entstanden aus der Fusion der beiden kanadischen Konzerne Potash Corporation of Saskatchewan (52%) und Agrium (48%), ist der einzige große Spieler im Markt, der alle drei großen Düngerarten anbietet. Nutrien ist der weltgrößte Kalidüngerproduzent und der zweitgrößte Produzent von Stickstoffdünger. K+S produziert ausschließlich Kalidünger. Wenn Sie die Wahl hätten, wären Sie lieber breiter aufgestellt oder ist die Konzentration auf ein Kernprodukt das, was Sie präferieren?
Wir sehen gerade im Moment, dass die Wettbewerber ihre Probleme haben; zum Teil gibt es riesige Abschreibungen. Wir verfolgen dabei sehr genau, wo die Konkurrenz ins Schleudern gerät. Das bestärkt uns darin, dass wir uns mit unserer Aufstellung sehr wohlfühlen. Wir wollen uns lieber darauf konzentrieren und das weiter machen, was wir gut können.
Trifft Sie die Zuordnung zur „Old Economy“?
Wir sind Old Economy, blicken aber trotzdem nach vorn. Wie bearbeiten Nachhaltigkeitsthemen, wir automatisieren und digitalisieren, wo es sinnvoll und wirtschaftlich ist, und wir suchen – auch mittels künstlicher Intelligenz – nach IT-Lösungen, um weitere Effizienzpotenziale heben zu können.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo Ihnen KI im täglichen Geschäft hilft?
Wir haben 150 Kavernen in Kanada. Jede Kaverne hat ihre Eigenarten und spezielle Eigenschaften. Stellen Sie sich ein Mischpult in einem Musikstudio vor, mit all den Reglern und Knöpfen. So viele Einflussgrößen gibt es, wenn man eine Kaverne optimal ausbeuten will. Wir versuchen, mit Algorithmen die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den einzelnen Kavernen so zu verarbeiten, dass wir andere Kavernen besser ansteuern können. Wenn wir mit Hilfe von KI nur ein oder zwei Gramm mehr Kali pro Kilogramm mit demselben Arbeitseinsatz gewinnen können, ist das für uns ein Riesenhebel.
Die scharfen Auseinandersetzungen und verhärteten Fronten der Vergangenheit sind Geschichte.
Christian Meyer, Finanzvorstand von K+S
Für K+S waren über viele Jahre hinweg Umweltgenehmigungen und – nach deren Erteilung – die Klagen von Umweltverbänden und Kommunen dagegen ein leidiges Thema. Wie sieht die Situation heute aus?
Es gibt noch Diskussionen mit Stakeholdern wie Umweltverbände, Bürgerinitiativen oder Anwohnern. Doch die scharfen Auseinandersetzungen und verhärteten Fronten der Vergangenheit sind Geschichte. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und kräftig investiert, um die durch uns entstehenden Umweltbelastungen deutlich zu reduzieren. Dabei geht es u.a. um die Einleitung von Salzwässern in die Werra. Von 2028 an werden wir von unserem Verbundwerk Werra aus keine Produktionswässer mehr in die Werra leiten. Das wird von uns kommuniziert und von den genannten Stakeholdern auch wahrgenommen. Es gibt zwar noch einige, wenige Gerichtsverfahren, in denen der Nabu oder der BUND zeitweilige Verfügungen gegen uns erwirkt haben, aber dabei geht es im Grunde um Details. Vor allem bleiben die beteiligten Parteien aber im Austausch miteinander.
Das Interview führte Martin Dunzendorfer.