Unstimmigkeiten mit Wirtschaftsprüfer bei Nagarro
Nagarro uneins mit Wirtschaftsprüfer
Geprüfter Jahresabschluss 2024 verschiebt sich – Aktie fällt auf Allzeittief
Der Softwareentwickler Nagarro aus München sorgt bei Investoren für Verunsicherung. Nachdem das Unternehmen am Freitagabend nach Börsenschluss angekündigt hatte, den geprüften Jahresabschluss für 2024 erst am 15. Mai statt wie geplant am 29. April vorzulegen, rutschte die Aktie am Montag auf ein Allzeittief und notierte zeitweise um 57 Euro. Seit Jahresstart haben die Papiere rund ein Viertel an Wert verloren. Am 29. April will Nagarro vorläufige Ergebnisse für 2024 vorlegen.
KPMG folgt als Wirtschaftsprüfer auf Lohr + Company
Hintergrund der Verzögerungen sind offenbar Unstimmigkeiten mit dem Wirtschaftsprüfer KPMG. Man benötige mehr Zeit, „um die Vorbereitung und den Prüfungsprozess für den Jahresabschluss und den Lagebericht zusammen mit dem neuen Abschlussprüfer abzuschließen“, teilte Nagarro mit. Das Big-Four-Haus KPMG wurde von der Nagarro-Hauptversammlung im Juni 2024 zum Abschlussprüfer bestellt. Für das Geschäftsjahr 2023 hatte noch die mittelständische Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Lohr + Company den Jahresabschluss und Konzernabschluss von Nagarro geprüft. In der Folge habe Nagarro „weltweit anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“ in die engere Auswahl genommen, die „auf Grundlage der von Lohr + Company erteilten Instruktionen“ die Prüfungen mehrerer rechtlicher Konzerneinheiten für 2023 vornehmen sollten, hieß es im September 2023.
Das Auswahlverfahren sollte „einen reibungslosen Übergang des Mandats“ gewährleisten, sagte damals Christian Bacherl, Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Die Bestellung einer weltweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Konzernebene sollte als Engagement „für ein Höchstmaß an Corporate Governance und Transparenz“ verstanden werden, kommentierte Nagarro-Mitgründer Manas Human.
Wirtschaftsprüfer KPMG sieht Anpassungsbedarf
Offenbar hat der neue Prüfer KPMG abweichende Auffassungen. Betroffen seien „komplexe Sachverhalte der Umsatzrealisierung“, räumt Nagarro ein. Dabei gehe es um die „periodengerechte Abgrenzung von Umsatzerlösen“. Im Fokus steht die Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem Umsätze realisiert werden. Nagarro spricht zudem von einem „berichtigten“ Ansatz für die Kaufpreisallokationen von Zukäufen und den Umgang mit Earn-out-Verbindlichkeiten.
Earn-out-Zahlungen sind regelmäßig Bestandteil des Kaufpreises bei M&A-Transaktionen. Sie werden jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Erreichen definierter Meilensteine gezahlt.
Nagarro bestätigt Finanzziele für 2024
Die Anwendung des „berichtigten Ansatzes“ wird sich Nagarro zufolge auf die Gewinn- und Verlustrechnung 2023 auswirken, das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) für 2023 werde sich aber nicht verändern. Auch seien „keine weiteren Befunde bekannt“, die sich auf die Bilanz sowie die GuV 2024 auswirken könnten.
Nagarro geht davon aus, die Finanzziele für 2024 zu erreichen und bestätigte die Absicht, eine Dividende von 10% und 20% des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (Ebit) ausschütten zu wollen. Darüber entscheiden soll die Hauptversammlung. Das Aktionärstreffen wird um wenige Tage auf den 30. Juni verschoben.
Nagarro droht temporärer SDax-Ausschluss
Durch die Verzögerungen beim geprüften Jahresabschluss wird die Nagarro-Aktie voraussichtlich vorübergehend aus TecDax und SDax ausgeschlossen. Die Deutsche Börse fordert von Mitgliedern der Indizes, dass der Geschäftsbericht Ende April vorliegt.
Die als Abspaltung der Allgeier SE gegründete Nagarro hatte erst Ende Januar Gesprächen über ein Take-Private eine Absage erteilt. Als Interessent hatte der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge die Beteiligungsgesellschaft Warburg Pincus gegolten. Nagarro hat stattdessen angekündigt, in den kommenden drei Jahren Aktien im Wert von bis zu 400 Mill. Euro zurückkaufen und eine nachhaltige Dividendenpolitik etablieren zu wollen.