Unternehmen erwarten weitere Lieferverzögerungen bei Halbleitern
Halbleiter bleiben Mangelware
Lieferverzögerungen an der Tagesordnung – Unternehmen wünschen mehr politische Förderung
sar Frankfurt
Die Versorgung mit Halbleiterbauteilen stellt die meisten Unternehmen in Deutschland schon jetzt vor Herausforderungen. Eine schnelle Lösung des Problems ist nicht in Sicht: Die Mehrheit der Firmen rechnet damit, dass Lieferverzögerungen im kommenden Jahr weiter zunehmen, wie eine Bitkom-Analyse zeigt.
Halbleiter sind für die Produktion in vielen Betrieben kritisch, doch die benötigten Komponenten sind anhaltend schwer zu bekommen. Das zeigt eine Befragung von mehr als 400 Unternehmen im Auftrag des Digitalbranchenverbands Bitkom. Die Teilnehmer stammen aus dem verarbeitenden Gewerbe sowie dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie und damit aus Branchen, die viel mit Halbleitern arbeiten. Von den 404 befragten Firmen haben 346 Halbleiter verwendet. 83% der Käufer bezeichneten die Halbleiter-Bauteile für ihren Betrieb als „unverzichtbar“.
Allerdings sind im laufenden Jahr neun von zehn Unternehmen, die Halbleiter-Bauteile oder Komponenten gekauft haben, auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung gestoßen. Das häufigste Problem waren Lieferverzögerungen (97%). Jeweils fast 90% der Käufer erhielten nur verringerte Liefermengen oder wurden darauf hingewiesen, dass bestimmte Bauteile nicht verfügbar waren. 93% sahen sich mit Preiserhöhungen konfrontiert.
Komponenten aus Südostasien
Die meisten teilnehmenden Unternehmen beziehen mikroelektronische Komponenten aus China (25%), den USA (21%), aus Taiwan (17%) und aus Südkorea (10%, Mehrfachnennungen möglich). Knapp vier von zehn Unternehmen wissen nach eigenen Angaben nicht, wo ihre Komponenten produziert werden. Die wichtigsten Kriterien bei der Wahl des Lieferanten sind für die Unternehmen das Preis-Leistungs-Verhältnis sowie kurze Lieferzeiten.
Bitkom-Präsident Ralf WintergerstHalbleiter sind die Basistechnologie der digitalen Wirtschaft.
Dennoch ist die Vorlaufzeit häufig enorm: Durchschnittlich mussten Unternehmen bei Lieferverzögerungen fünf Monate länger auf die bestellten Halbleiter-Komponenten warten. Während der Corona-Pandemie 2021 waren sogar sechseinhalb Monate Verzögerung an der Tagesordnung. Die Unternehmen haben wenig Hoffnung, dass sich die Lage verbessert: Zwei Drittel gehen davon aus, dass die Lieferverzögerungen im kommenden Jahr noch weiter zunehmen werden. Nur 10% rechnen mit einer Verbesserung der Lage.
Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst mahnte vor diesem Hintergrund: „Halbleiter sind die Basistechnologie der digitalen Wirtschaft.“ Zwar sei es nachvollziehbar, dass Unternehmen in erster Linie Lieferanten auswählten, die günstig sind und pünktlich liefern. Gleichwohl stünden Halbleiter im Mittelpunkt starker geopolitischer Interessen: „Wir sollten deshalb ein komplettes Ökosystem von Unternehmen rund um Halbleiter in Deutschland und Europa aufbauen. So können wir Abhängigkeiten reduzieren und sind im Fall der Fälle weniger erpressbar“, sagte er.
Politische Initiativen
Auch unter den befragten Unternehmen finden 96%, Deutschland solle die Förderung der Halbleiter-Industrie hierzulande ausweiten. Um die Versorgung zu verbessern, lockt die Politik mit massiven Subventionen, um geplante Chipfabriken etwa von Intel in Magdeburg und von TSMC in Dresden voranzutreiben. Bund und Länder haben erst vor wenigen Wochen ein milliardenschweres Förderprogramm für den Ausbau der Mikroelektronik-Industrie vorgestellt. Und auf EU-Ebene soll im Rahmen des „EU Chips Act“ ein 43 Mrd. Euro schweres Förderprogramm für Halbleiter die Versorgung verbessern. Das Programm ist auch eine Reaktion auf den 2022 verabschiedeten „Chips and Science Act“ in den USA, der jedoch mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hat.
In Deutschland werden einige Unternehmen selbst aktiv, um einen drohenden Chipmangel abzumildern. Mehr als 60% der Befragten haben nach eigenen Angaben langfristige Vereinbarungen mit Lieferanten und Anbietern geschlossen, rund die Hälfte arbeitet an einer Multi-Vendor-Strategie und verteilt den Einkauf von Halbleiter-Bauteilen auf mehrere Anbieter. 15% der Firmen kooperieren in Forschung und Entwicklung mit Chipherstellern, jedes zehnte Unternehmen beteiligt sich an staatlich geförderten F&E-Projekten.
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