Emissionswelle

Unternehmen saugen sich mit Kapital voll

Die Unternehmen beeilen sich, die günstigen Zinsen zu nutzen, bevor ein Anstieg der Inflation und das Ende der Anleihekäufe durch die Notenbanken die Konditionen verschlechtern.

Unternehmen saugen sich mit Kapital voll

cru Frankfurt – Banker und Anleger rechnen mit einem Rekordwert bei der Emission von neuen Schuldtiteln mit schlechterer Bonität in Europa. Eine Welle neuer milliardenschwerer Hochzinsanleihen europäischer Un­ternehmen rollt im September an.

„Allein über die nächsten zwei bis drei Monate erwarten wir High-Yield-Emissionen mit einem Volumen von 25 Mrd. Euro“, sagte Matthias Reschke, Leiter der Abteilungen Investment Grade Finance in Nordeuropa und Leverage Finance in Deutschland und Österreich bei J.P. Morgan in London, der Börsen-Zeitung. Mit einem Marktanteil von 17% liegt J.P. Morgan in diesem Bereich an der Spitze der Investmentbanken.

Bis dato liege das Volumen in diesem Jahr mit 161 High-Yield-Emissionen bereits bei 105 Mrd. Euro, berichtet Reschke. Das ist bereits mehr als jeweils in den Jahren 2016 bis 2020 – und zugleich fast so viel wie im Rekordjahr 2010.

Geringe Risikoaufschläge

Der September ist nach der inoffiziellen Sommerpause immer ein lebhafter Monat für den Verkauf von Unternehmensanleihen. Einige Marktteilnehmer erwarten jedoch, dass das aktuelle Tempo neuer Transaktionen mit dem Volumen zur Zeit des Pandemieschocks vor einem Jahr konkurrieren könnte, als die Unternehmen in Rekordgeschwindigkeit Bargeld zum Überleben aufsaugten.

Die Dringlichkeit wird noch dadurch verstärkt, dass einige Kreditnehmer das Gefühl haben, dass eine hohe Inflation und ein breiter Wirtschaftsaufschwung bis Ende des Jahres zu höheren Kreditkosten führen könnten.

„Der Markt für Hochzinsanleihen ist derzeit sehr stark von der guten Gelegenheit getrieben. Die Unternehmen beeilen sich, die günstigen Zinsen zu nutzen, bevor ein Anstieg der Inflation und das Ende der An­leihekäufe durch die Notenbanken die Konditionen verschlechtern“, beschreibt Reschke die Motive für den Ansturm. Unternehmen mit schlechterer Bonität refinanzierten sich besonders stark jetzt, weil die Renditen auf Anleihen überall extrem niedrig seien. Oft werden mit dem Geld Akquisitionen finanziert – besonders bei den Emittenten aus der Private-Equity-Branche.

Eine der größten Hochzinsanleihen in Europa in diesem Jahr stammt mit 2,25 Mrd. Pfund von der britischen Supermarktkette Asda (Asquith Dairies) – eine nachträgliche Akquisitionsfinanzierung. Im Oktober 2020 hatte Walmart das Unternehmen für 6,8 Mrd. Pfund an die Brüder Mohsin und Zuber Issa (Gründer der EG Group oder Euro­garages) und TDR Capital verkauft.

Rund 15 Mrd. Euro an Volumen im Leveraged-Loan-Markt hätten Übernahmen zum Anlass, sagt Reschke. Bei der anderen Hälfte des Volumens gehe es darum, die künftig steigenden Zinsen zu meiden, indem man sich jetzt refinanziert.

Derzeit müssen für Anleihen schlechterer Bonität nur geringfügig höhere Zinsen gezahlt werden als für Investment-Grade-Anleihen. Der Aufschlag liege oft nur bei 10 bis 15 Basispunkten, sagt Reschke. Im „BB“-Bereich werde für High Yield Bonds nur ein Zins von rund 1,8% gezahlt. Im gesamten High-Yield-Bereich („BB“ und niedriger) liege der Zins bei 2,8%. Die Investoren seien bereit, niedrige Risikoaufschläge zu erhalten, weil es nur wenige Ausfälle gebe. Hintergrund dafür sind die Nullzinspolitik der Notenbanken und die billionenschweren staatlichen Hilfsprogramme.

Dieses Jahr als Zeitfenster

„Die Notenbanken drücken die Zinserwartung. Sonst hätten wir eine sehr viel steilere Zinskurve“, sagte Reschke. In diesem Jahr werde sich daran voraussichtlich noch nichts ändern. In Zukunft jedoch werde voraussichtlich die steigende Inflation dafür sorgen, dass die Notenbanken sich gezwungen sehen, die Zinsen anzuheben. Dann werde auch der Zins für länger laufende Anleihen steigen müssen. „Viele Unternehmen wollen das Zeitfenster bis dahin nutzen. Daher kommt die Welle der High Yield Bonds.“

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