RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ULRICH FÜLBIER

Urteil über befristete Sportlerverträge sorgt für Sprengstoff

Muss ein Verein für Fußballer künftig Drohverlustrückstellungen bilden?

Urteil über befristete Sportlerverträge sorgt für Sprengstoff

– Herr Dr. Fülbier, eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz vom 19. März 2015 (AZ: 3 Ca 1197/14) hat sowohl in der Fußballwelt als auch im arbeitsrechtlichen Expertenkreis für Furore gesorgt. Warum?In der Sache ging es um die Klage des ehemaligen Torhüters des FSV Mainz 05, Heinz Müller, der nacheinander zwei befristete Arbeitsverträge mit seinem Club abschloss und die letzte Befristung für unwirksam erachtete. Das Gericht gab ihm recht – mit dem Ergebnis, dass sich sein Arbeitsvertrag auf unbefristete Zeit verlängerte und er als Angestellter des Clubs auch weiter bezahlt werden müsste.- Wie hat das Gericht diese Entscheidung begründet?Bislang liegen noch keine Urteilsgründe vor, sondern nur eine Pressemitteilung des Gerichts. Daraus geht aber hervor, dass das Gericht keinen validen Befristungsgrund im Sinne von § 14 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) gesehen hat, der eine Befristung von mehr als zwei Jahren gerechtfertigt hätte. Dabei hat das Gericht explizit darauf hingewiesen, dass allein die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsentwicklung auch im Profisport nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertige.- Worin liegt die Sprengkraft der Entscheidung?Befristete Arbeitsverträge sind in der Fußballwelt und erst recht im Profifußball gang und gäbe. Wenn das Urteil in den Folgeinstanzen aufrechterhalten wird, hätte dies weitreichende Konsequenzen. Dann könnten befristete Arbeitsverhältnisse mit Fußballern im Grunde nur noch für die Dauer von insgesamt zwei Jahren eingegangen werden. Die Vereine stünden dann vor dem Dilemma, mit einem bestimmten Fußballer nur für einen Zeitraum von zwei Jahren planen zu können oder aber tatsächlich unbefristete Arbeitsverträge mit ihren Fußballern abzuschließen.- Hätte jeder Fußballer gegenüber seinem Verein dann einen Beschäftigungsanspruch bis zum Rentenalter?Nicht mehr und nicht weniger als jeder andere Arbeitnehmer. Die Vereine können vereinbaren, dass die Arbeitsverhältnisse mit einer bestimmten Kündigungsfrist gekündigt werden können. Um sich im Einzelfall von einem Spieler aber wirklich trennen zu können, müssten sie einen rechtlich anerkannten Kündigungsgrund nachweisen können, da sich selbstverständlich auch Profifußballer auf den gesetzlichen Kündigungsschutz berufen können.- Ändert sich was für börsennotierte Fußballvereine? Borussia Dortmund, zum Beispiel, ist börsennotiert.Die Aktionäre eines Fußballunternehmens dürften sehr genau beobachten, welche Folgen dieses Urteil künftig haben wird. Wenn dieser Fall Schule macht, sind negative wirtschaftliche Konsequenzen naheliegend und Auswirkungen auf Aktienkurse denkbar. Schließlich sind Klagen gerade von denjenigen zu erwarten, die der Verein aus guten Gründen von sich aus nicht mehr weiterbeschäftigt hätte. Interessant ist auch, dass ein Spielerwert bislang immer nur als Vermögen gesehen und auch bilanziert wurde. Künftig dürfte für manche Spieler auch eine Schuld, eine Art Drohverlustrückstellung, denkbar sein, wenn ein Spieler weiter beschäftigt und bezahlt werden muss, obwohl er aus Vereinssicht keine adäquate Leistung mehr bringt.- Es heißt, Mainz 05 will gegen das Urteil Berufung einlegen. Wie sehen Sie die Chancen, dass das Urteil in der nächsten Instanz wieder aufgehoben wird?Ich halte das sogar für wahrscheinlich. Anders als das Arbeitsgericht Mainz bin ich der Auffassung, dass sich die Befristung dieser Verträge mit der “Eigenart der Arbeitsleistung” von Profifußballern im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG gut rechtfertigen lässt. Es gibt zwischen den einzelnen Saisons eine berufstypische Fluktuation, in der die Mannschaften neu zusammengestellt werden und auf die gruppendynamischen Prozesse in der Mannschaft und im Verein reagiert wird. Mit jeder Saison können sich ganz entscheidende Eckpfeiler für den Verein ändern: Ab- und Aufstieg, Verlust von Einnahmen aus einem internationalen Wettbewerb etc. Mit den sonstigen Mitteln des Arbeitsrechts, wie etwa dem Ausspruch betriebs-, personen- und verhaltensbedingter Kündigungen, kann man dem kaum gerecht werden.—-Dr. Ulrich Fülbier ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Orrick, Herrington & Sutcliffe in München. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.