Finanzielle Restrukturierung

Varta-Aktionäre stehen vor dem Totalverlust

Der schwer angeschlagene Batteriehersteller Varta braucht einen Forderungsverzicht der Gläubiger, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Auch die Aktionäre müssen sich auf drastische Konsequenzen einstellen.

Varta-Aktionäre stehen vor dem Totalverlust

Varta-Aktionäre stehen vor dem Totalverlust

Kapitalschnitt und Kreditverzicht geplant – Zwei unterschiedliche Konzepte für die Rettung des schwer angeschlagenen Batterieherstellers

hek Frankfurt

Der ums Überleben kämpfende Batteriehersteller Varta geht in ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren. Die Restrukturierung soll mit einem Kapitalschnitt und einem Schuldennachlass einhergehen, teilt das Traditionsunternehmen mit. Die Gläubiger müssen sich also auf signifikante Einbußen einstellen. Die Aktionäre stehen sogar vor dem Totalverlust. Mit diesem Konzept strebt Varta eine „finanzielle Neuaufstellung“ an. Ziel ist es, eine Regelinsolvenz abzuwenden.

In der Mitteilung versucht Varta Zuversicht zu verbreiten. Doch zentrale Eckpunkte sind offenbar noch immer ungeklärt, obwohl seit Monaten über ein Rettungspaket verhandelt wird. Schon das zeigt, wie kompliziert die Lage ist. Die fast 500 Mill. Euro schwere Schuldenlast müsse deutlich reduziert werden, macht der als Sanierer geholte Vorstandschef Michael Ostermann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung klar. Dazu seien bis zu 100 Mill. Euro frisches Kapital notwendig. Das deckt sich mit der Firmenmitteilung, die den Finanzbedarf „nach aktueller Schätzung“ auf einen hohen zweistelligen Mill.-Euro-Betrag veranschlagt.

Mit der Finanzspritze wäre Varta laut Ostermann bis 2027 durchfinanziert. Das Geld ist Voraussetzung für eine positive Fortführungsprognose im Sanierungsgutachten. Das IDW-S6-Gutachten erstellt die Consultingfirma Auxil Partner. Als Finanzberater ist Rothschild & Co. im Boot.

Zwei konkurrierende Konzepte

Für eine Rettung müssen neben Banken und potenziellen Eigenkapitalgebern auch Hedgefonds mitspielen, die sich zu mehr als 40% in einen Konsortialkredit über 235 Mill. Euro eingekauft haben. Außerdem sind die Inhaber der Schuldscheine betroffen: Im Geschäftsjahr 2022 hatte Varta neue Schuldscheine über 250 Mill. Euro platziert. Die Varta-Aktie stürzte am Montag im Handelsverlauf um rund 70% ab. Am Nachmittag notierte die Aktie unter 3 Euro. Die DZ Bank senkte den fairen Wert des Titels auf 0 Euro. Zum Handelsschluss am Freitag lag die Börsenkapitalisierung noch bei 440 Mill. Euro.

Wo die Unterschiede liegen

Auf dem Tisch liegen zwei konkurrierende Vorschläge. Welche der beiden Lösungen zum Tragen komme, ist laut Ostermann, der im Mai 2024 zu Varta gestoßen war, noch offen. Beide Konzepte sehen einen Schuldenschnitt von ungefähr der Hälfte beim Konsortialkredit und von signifikant über 50% bei den Schuldscheindarlehn vor. Die Unterscheide betreffen vor allem die künftige Eigenkapitalausstattung des Unternehmens, die Schuldenlast nach Restrukturierung und die künftigen Aktionäre.

Behält Tojner die Kontrolle?

Das equity-geführte Konzept schlägt eine Eigenkapitalspritze von 40 Mill. Euro vor, die der bisherige Großaktionär Michael Tojner (10 Mill. Euro) und ein strategischer Investor (30 Mill. Euro, mutmaßlich der Sportwagenbauer und Varta-Kunde Porsche) stellen. Tojner bringt außerdem für 50 Mill. Euro Immobilien ein und behält so die Mehrheit. Am Ende hätte Varta noch 240 Mill. Euro Schulden.

Im Konzept der Hedgefonds übernehmen die Gläubiger das Unternehmen, wobei die Adressen, die ein neues erstrangiges Darlehn bereitstellen, 70% des Eigenkapitals erhalten und restlichen 30% den Kreditverzicht abgelten. Tojner würde sein Unternehmen also verlieren. Die neue erstrangige Fremdfinanzierung fällt mit 80 Mill. Euro doppelt so hoch aus wie im Equity-Plan. Nach Restrukturierung stünde Varta noch mit 320 Mill. Euro Schulden da, deutlich mehr als im Equity-Konzept.

Porsche bestätigt Gespräche

Derzeit hält der österreichische Unternehmer Tojner über seine Montana Tech Components 50,1% der Varta-Aktien. Porsche ist involviert, weil der Sportwagenbauer die im Aufbau befindliche E-Auto-Batteriesparte des im schwäbischen Ellwangen ansässigen Unternehmens übernehmen will. Mit einer Beteiligung an Varta könnte der Pilotkunde die Anfang Juli angekündigte Transaktion absichern. Geplant ist, dass Porsche über eine Kapitalerhöhung die Mehrheit an der Varta-Tochter V4Drive Battery erwirbt, in der die E-Auto-Batterien gebündelt werden. Tojner hatte im vergangenen Jahr bereits knapp 51 Mill. Euro über eine Kapitalerhöhung eingeschossen. Diese Kapitalspritze hatten Banken gefordert, für eine Verlängerung ihrer Kredite.

Porsche bestätigt Gespräche über eine Beteiligung an der finanziellen Neuaufstellung. Dem Sportwagenbauer geht es darum, die großen Lithium-Ionen-Batteriezellen, die im nächsten Porsche 911 GTS verwendet werden, am Standort Deutschland zu halten.

Kapitalschnitt auf null geplant

Die aktuelle Schuldensituation verbaue der Gruppe absehbar die Chancen auf eine positive Geschäftsentwicklung, sagt Chief Restructuring Officer Michael Giesswein: „Ohne die Reduzierung unserer Schulden können wir notwendige Investitionen nicht tätigen.“ Die Folge sei dann, dass die Marktposition von Jahr zu Jahr schlechter werde.

Zu dem notwendigen Teil-Schuldenerlass sind die Gläubiger laut Mitteilung „zum jetzigen Zeitpunkt“ aber nur bei einem Kapitalschnitt auf null bereit. Außerdem müsse frisches Eigen- oder Fremdkapital eingebracht werden. Bei einem Kapitalschnitt auf null verlieren alle bestehenden Aktien ihren Wert. Bilanziell dient dieser Schritt dazu, die mutmaßlich hohen Verluste abzudecken. Die Börsennotierung soll zeitnah eingestellt werden. Zuvor hatten bereits die Aktionäre des Autozulieferer Leoni ihr Kapital komplett verloren, was auf heftige Kritik von Aktionärsschützern stieß.

Kapazitäten nicht ausgelastet

Die Existenzkrise von Varta geht vor allem auf den überzogenen Kapazitätsausbau für die Herstellung wieder aufladbarer Knopfzellen für kabellose Kopfhörer zurück. Die neuen Anlagen sind in dramatischem Maße unterausgelastet, weil billigere Konkurrenten dem Konzern Marktanteile abgenommen haben und die Nachfrage schwächelt. Die V4Drive-Zellen für E-Autos, vor Jahren das große Zukunftsversprechen, stießen auf geringe Resonanz unter Autoherstellern. Als einziger Kunde wird Porsche aus der Ende 2021 in Betrieb genommenen Pilotanlage beliefert. Der eigentlich geplante Fabrikneubau wurde im Herbst 2022 auf Eis gelegt. Außerdem setzten hohe Rohstoff- und Energiekosten und die Auswirkungen des Cyberangriffs vom Februar 2024 dem angeschlagenen Unternehmen zu.

Geschäftsbericht steht aus

Das ursprüngliche Sanierungsprogramm reichte bei weitem nicht aus, um das Unternehmen zu stabilisieren. Zuletzt musste Varta die Umsatzprognose für 2024 kappen, weil der Verkauf von Energiespeichersystem hinter den Erwartungen zurückbleibt. Das Management rechnet nur noch mit Konzernerlösen zwischen 820 Mill. und 870 Mill. Euro im laufenden Jahr. Die alte Prognose ging von mindestens 900 Mill. Euro aus. Relativ stabil läuft das Geschäft mit Haushaltsbatterien und Knopfzellen für Hörgeräte. Der ursprünglich für den 28. März angekündigte Geschäftsbericht 2023 steht nach wie vor aus.

Der Batteriehersteller Varta braucht einen Forderungsverzicht und einen neuen Kredit, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Die Aktionäre müssen sich auf einen drastischen Kapitalschnitt einstellen. Weitere Punkte sind noch strittig. Auf dem Tisch liegen ein Equity- und ein Gläubigerkonzept.

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