Im InterviewCEO Michael Ostermann

„Varta muss schneller, schlanker, effizienter und sparsamer werden“

Bei Varta steht momentan die finanzielle Rettung im Fokus. Parallel will CEO Michael Ostermann Personal in den Overheads abbauen und Strukturen vereinfachen. An den deutschen Standorten hält er fest.

„Varta muss schneller, schlanker, effizienter und sparsamer werden“

Im Interview: Michael Ostermann

„Varta muss schneller, schlanker, effizienter und sparsamer werden“

Der CEO zu seinen Plänen für eine operative Sanierung des Batterieherstellers, der aktuellen Geschäftsentwicklung und dem mit Gläubigern vereinbarten Rettungspaket

Bei Varta steht momentan die finanzielle Rettung im Fokus. Parallel muss Vorstandschef Michael Ostermann weitere Einsparungen und operative Veränderungen auf den Weg bringen. An den deutschen Standorten hält der CEO fest, ebenso an den Geschäftsbereichen. Unterstützung kommt vom Großkunden Apple, der wieder stärker auf Varta setzt.

Herr Ostermann, das Konzept für die finanzielle Restrukturierung steht jetzt. Können Sie mit dem Ergebnis leben?

Ja. Die Verhandlungen sind zu 99% durch. Aber so lange die Sache nicht unterschrieben ist, kann man keinen weißen Rauch aufsteigen lassen. Mit dem vorliegenden Konzept wären wir über den Berg. Wir erhalten ausreichend fresh money. Die neue Liquidität kommt zum Teil aus Eigenkapital und zum Teil aus Darlehen, an denen sich die investierten Fonds und andere Gläubiger beteiligen können und die über eine virtuelle Beteilung ein Upside-Potenzial erhalten. Wir brauchen eine Lösung, in der sich jede Partei wiederfindet, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch das StaRUG-Verfahren zu kommen. Dafür ist es erforderlich, dass eine Mehrheit der Gruppen die Vereinbarung mit mindestens 75% unterstützt. Varta hat künftig noch zwei Gesellschafter, nämlich Michael Tojner über eine ihm zuzurechnende Gesellschaft und den Autohersteller Porsche, mit jeweils gleich hohen Anteilen. Die einzige Partei, die sich nicht in der Vereinbarung wiederfinden wird, sind die Aktionäre. Denn das jetzige Eigenkapital wird auf null herabgesetzt.

Der alte Großaktionär Tojner wird sich aber erneut beteiligen, hat also die Chance auf Wertaufholung. Die Kleinaktionäre sind davon ausgeschlossen.

Wir haben mehrere Optionen für eine Beteiligung des Streubesitzes am neuen Eigenkapital geprüft, aber aufgrund der regulatorischen Vorgaben ist das nicht möglich. Dafür wäre ein Börsenprospekt notwendig, für den ein testierter Jahresabschluss vorliegen muss. Den wiederum erhält man nur bei einer positiven Fortführungsprognose, die aber daran hängt, dass frisches Geld ins Unternehmen kommt. Das wiederum setzt den von den Gläubigern geforderten Kapitalschnitt voraus. Sie sehen: An der Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz.

Wann kommt das Sanierungsgutachten?

Die finale Version dürfte bis Ende August vorliegen. Es geht nur noch um redaktionelle Anpassungen. Die Zahlen dürften sich lediglich geringfügig ändern.

Im Frühjahr 2023 gab es bereits ein erstes Rettungspaket, das aber unzureichend war. Wie groß ist die Gefahr, dass Ähnliches erneut passiert, Varta also in absehbarer Zeit abermals in eine Schieflage gerät?

Ein unternehmerisches Risiko hat man immer. Im Vergleich zu dem ersten IDWS6-Gutachten von KPMG ist jetzt deutlich mehr Zeit und Managementarbeit in die bestmögliche Darstellung der Unternehmenssituation und die Gestaltung der Prognose geflossen. Ich halte das neue Gutachten für realistisch, die Planung ist seriös. Die Liquiditätsausstattung ist nicht komfortabel, aber ausreichend für den Sanierungszeitraum bis 2027. Ziel muss ohnehin sein, dass Varta sich künftig aus den Cashflows selbst finanzieren und als innovatives Unternehmen am Markt teilnehmen kann.

Als Varta der einzige Coin-Power-Lieferant für Apple war, glaubte man, über Wasser laufen zu können.

CEO Michael Ostermann

Was muss dafür auf der operativen Seite passieren?

Varta muss schneller werden, wir müssen schlanker, effizienter und sparsamer werden. Als Varta der einzige Coin-Power-Lieferant für Apple war, glaubte man, über Wasser laufen zu können. Wie wir alle wissen hat das nicht funktioniert. In der Zeit wurden Strukturen aufgebaut, die sich ein mittelständisches Unternehmen wie Varta nicht leisten kann. Hier müssen wir ansetzen. Wir müssen die Overheads deutlich verschlanken. Die Belegschaft ist bereit zu Veränderungen. Unter den Mitarbeitern herrscht die einhellige Meinung, dass es so nicht weitergeht. Varta hat aber auch viele Stärken. Wir sind technologieoffen, wir gehören zu den wenigen Batterieherstellern, die verschiedene chemische Verfahren im Portfolio haben.

Wie schafft man es, schneller zu werden?

Wer abnimmt wird automatisch schneller. Das ist auch bei Unternehmen so. Wir müssen prüfen, ob alle internen Prozesse wirklich notwendig sind, ob sie Mehrwert bringen und ob der Kunde bereit ist, dafür zu zahlen. Wir müssen Entscheidungswege verkürzen und werden Hierarchieebenen abbauen.

Ist auch die Fertigung von Einsparungen betroffen?

Nein, an den deutschen Standorten so gut wie gar nicht. Im Gegenteil, im gewerblichen Bereich suchen wir gerade Leute. Drei unserer fünf Business Units könnten mehr produzieren, wenn mehr Personal an Bord wäre. In der Produktion stehen die Zeichen in diesen Bereichen auf Wachstum.

Nach meinen Erfahrungen als Sanierer darf man nicht allein Kosten und Kapazitäten rausnehmen, sondern muss auch den Umsatz steigern.

Varta-CEO Michael Ostermann

Wie viele Stellen fallen in der Verwaltung weg?

In den Overheads und den indirekten Bereichen arbeiten 1.700 der insgesamt rund 4.000 Beschäftigten. Geplant ist ein moderater Personalabbau. Genaue Zahlen kann ich nicht nennen, da das Sanierungsgutachten nicht final vorliegt. Nach meinen Erfahrungen als Sanierer darf man aber nicht allein Kosten und Kapazitäten rausnehmen, sondern muss auch den Umsatz steigern. Sonst besteht die Gefahr, in eine Todesspirale zu geraten. Unsere Aufgabe ist, an beiden Stellschrauben gleichzeitig anzusetzen.

Die Produktion konzentriert sich weitestgehend auf deutsche Standorte. Sind Verlagerungen ins kostengünstigere Ausland geplant?

Standortschließungen in Deutschland sind ausgeschlossen, es sei denn, es kommt zu einer Komplettkatastrophe. In Deutschland hat Varta drei hocheffiziente Werke und motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter, die hinter dem Unternehmen stehen. Das ist gut so, daran halten wir fest. Auch der Auslandstandort in Rumänien bleibt und soll ebenfalls weiter wachsen. Die Zukunft des Standorts in Indonesien hängt davon ab, wie erfolgreich wir auf dem asiatischen Markt Fuß fassen und expandieren können. Die Zellen werden alle in Deutschland produziert, in den Auslandwerken erfolgen Assemblierung, also der Zusammenbau zu Batteriepacks, und Verpackung.

Wir halten an allen Bereichen fest und wollen in allen Segmenten expandieren.

Varta-CEO Michael Ostermann

Auffällig ist, dass Varta sowohl im Coin-Power-Geschäft, in dem Apple eine zentrale Rolle spielt, als auch bei Heim-Energiespeichern von scharfen Nachfragerückgängen überrascht wurde. Da fragt man sich: Ist der Vertrieb nah genug am Kunden?

Die Ursachen für den Coin-Power-Einbruch liegen weniger im Vertrieb, da geht es mehr um ein internes Managementversagen insgesamt. Auch Apple selbst wurde von der Nachfrageschwäche überrascht. Das zuvor boomende Speichergeschäft ist durch das Hickhack um das handwerklich schlecht gemachte und desaströs kommunizierte Heizungsgesetz in die Krise gestürzt. Das hat die ganze Branche überrascht, nicht nur uns. Der Wettbewerb macht in dem Sektor Kurzarbeit in Deutschland, wir nicht. Dies gilt insgesamt für den Bereich Photovoltaik und Wärmepumpen analog.

Ist der Vertrieb schlagkräftig genug?

Jede Business Unit hat ihren eigenen Vertrieb, da Kunden- und Marktstruktur unterschiedlich sind. Die kleinen Coin-Power-Zellen für Headsets und die V4Drive-Rundzelle für hybridisierte Fahrzeuge, bei der Porsche jetzt als Mehrheitseigentümer einsteigt, sind im Wesentlichen ein OEM-Geschäft mit sehr wenigen Abnehmern. Hier arbeiten wir mit Key-Account-Strukturen. Im Consumer-Bereich gibt es dagegen zehntausende Kunden. Das erfordert eine komplett andere Vertriebsorganisation. Der Verkauf von Energiespeichern wiederum erfolgt über den Großhandel, der Privathaushalte beliefert. Im Großen und Ganzen ist der Vertrieb gut aufgestellt.

Ist geplant, Geschäftssegmente zu verkaufen?

Nein. Wir halten an allen Bereichen fest und wollen in allen Segmenten expandieren. Gerade bei den Heim-Energiespeichern gibt es große Wachstumspotenziale, denn unser Marktanteil ist noch gering. Hier punkten wir mit Service und Langlebigkeit. Mit Blick auf langfristige Garantien ist es aber wichtig, möglichst schnell und sauber durch das StaRUG-Verfahren zu kommen und finanziell in ruhiges und stabiles Fahrwasser zu gelangen. Dies erhöht das Vertrauen der Verbraucher in die Marke Varta.

Gibt es größere Synergien zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen?

Für Hörgeräte werden mehr und mehr wiederaufladbare Akkus verwendet. Diese Knopfzellen unterscheiden sich nicht so sehr von Coin Power für Headsets. Sie werden zunehmend auch in medizintechnischen Anwendungen eingesetzt. Synergien gibt es auch zwischen den Energiespeichern und den kundenspezifischen Batteriepacks, und zwar in der Assemblierung und der Sicherheitselektronik. Daher sollen die beiden Bereiche jetzt zusammengelegt werden. Mit den Consumer-Batterien bestehen zwar kaum Synergien in der Produktion und auf der chemischen Seite, aber sie haben einen ungeheuren Wert als Markenbotschafter für alle Business Units.

Im Rückblick war die Ausschüttungspolitik vergangener Jahre gelinde gesagt suboptimal.

Varta-CEO Michael Ostermann

Für ein Technologie-Unternehmen, als das sich Varta versteht, sind Forschung und Entwicklung zentral. Welche F+E-Ausgaben kann sich der Konzern leisten, und reicht das aus?

Die F+E-Kostenquote liegt bei 3,5% des Umsatzes. Sie wird dadurch verwässert, dass der Consumer-Bereich viel Umsatz macht, aber geringe Ausgaben für Forschung und Entwicklung hat. In den forschungsintensiveren Bereichen beträgt die Quote 5%. In der Weiterentwicklung der kleinen Lithium-Ionen-Zellen liegt der Fokus darauf, die Energiedichte zu erhöhen. An neuen Themen wie Festkörperbatterie oder Natrium-Ionen-Batterien arbeiten wir primär in öffentlich geförderten Projekten mit Partnern aus Universitäten und Forschungsinstituten.

Wie verträgt sich die Forschungsintensität mit den früher hohen Dividendenzahlungen?

Im Rückblick war die Ausschüttungspolitik vergangener Jahre gelinde gesagt suboptimal, aber das lässt sich nicht mehr ändern. Die Lehre daraus ist, in Zukunft konservativer bei den Dividendenzahlungen vorzugehen, was überdies durch den angekündigten Rückzug von der Börse erleichtert wird.

Sind die Stockungen in den Lieferketten, über die Varta in der Vergangenheit immer wieder berichtet hat, endlich behoben?

Das ist abgestellt. Es gibt bei Varta keine Lieferkettenunterbrechungen mehr. Dennoch arbeiten wir weiter daran, die Lieferketten breiter aufzustellen. Wo immer möglich und sinnvoll versuchen wir, lokale Bezugsquellen zu nutzen. Varta hat eine hohe Fertigungstiefe. Ohne sie gäbe es manche Innovation gar nicht, beispielsweise das Coin-Power-Gehäuse, das wir selbst stanzen und für das wir auch die Dichtungen herstellen. Das Gehäuse ist ein ganz wichtiger Faktor. Denn je dünner die Gehäusewand, desto mehr elektrochemisch aktive Masse passt rein, und umso performanter ist der Akku.

Coin Power erholt sich kräftig, denn Apple setzt wieder verstärkt auf Varta.

CEO Michael Ostermann

Zuletzt hat Varta wenig über den Geschäftsgang informiert. Die letzte Regelberichterstattung bezieht sich auf das dritte Quartal 2023. Wie läuft das Geschäft aktuell?

Coin Power erholt sich kräftig, denn Apple setzt wieder verstärkt auf Varta. Ein Projekt läuft gerade an, weitere folgen in den Jahren 2025 und 2026. Die Kapazitätsauslastung im Werk Nördlingen wird in den nächsten zehn Wochen um fast 20% steigen.

Damit wäre die stark unterausgelastete Fabrik aber nach wie vor nicht voll beschäftigt.

Das stimmt, aber die Auslastung ist bereits auskömmlich. Im Tief haben wir 30 Millionen Zellen im Jahr produziert, für 2025 erwarten wir eine knapp dreistellige Millionen-Stückzahl. Für eine Vollauslastung brauchen wir weitere Produkte wie wiederaufladbare Mikrozellen für Hörgeräte und medizintechnische Anwendungen.

Wie entwickeln sich die anderen Segmente?

Der Consumer-Bereich läuft sehr gut. Die Produktionsunterbrechungen infolge der Cyberattacke vom Februar sind inzwischen komplett aufgeholt. Wir sind Weltmarktführer für Hörgeräte-Batterien und verteidigen diese Position seit Jahren. Achillesferse sind die Energiespeicher, die im laufenden Jahr deutlich weniger Umsatz bringen werden als 2023. Das ist dem schwachen Photovoltaikmarkt insgesamt geschuldet. Im Augenblick liegt die ganze Aufmerksamkeit auf der finanziellen Restrukturierung. Das Thema muss schnell gelöst werden, damit wir uns wieder voll dem Markt und den Kunden widmen können.

Das Interview führte Helmut Kipp.

Zur Person

Michael Ostermann steht seit 6. Mai 2024 an der Spitze des Varta-Vorstands. Bei Amtsantritt war klar, dass der schlingernde Batteriehersteller ein Rettungspaket braucht, um der Insolvenz zu entkommen. Ostermanns Profil passt zu dem Job, denn er bringt reichlich Sanierungs- und Branchenerfahrung mit. Der 1965 geborene Manager machte Karriere beim österreichischen Zulieferer Styria Federn und stieg nach der Übernahme durch den Mischkonzern Frauenthal in den Holding-Vorstand auf. Es folgten zehn Jahre beim französischen Batteriehersteller Exide, wo der Diplom-Ingenieur für Fertigungstechnik das Europa- und Nahostgeschäft und später zusätzlich das Asiengeschäft leitete. Bei Varta löste er Vorstandssprecher Markus Hackstein ab, einen Vertrauten von Großaktionär Michael Tojner, der im Oktober 2022 die Aufgaben des früheren CEOs Herbert Schein übernommen hatte.

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