Vielfalt erhöht die Motivation der Beschäftigten
Die Prioritäten in der Corporate Governance verschieben sich. Dies belegt gerade dieser Tage wieder eine neue Studie. Die Belange und Sichtweisen von Mitarbeitern gewinnen weiter an Gewicht. International wird dieser Managementansatz unter der Überschrift „Diversity, Equity & Inclusion“, kurz DE & I diskutiert, auf Deutsch: Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion.
93% der befragten Managerinnen und Manager aus acht führenden Industrieländern sagen demnach, dass eine DE-&-I-Orientierung in ihren Unternehmen heute mehr zählt als noch im Jahr 2019, so ein Ergebnis der Studie „Employees at the Center: What It Takes to Lead on DE & I Now“, für die die Personalberatung Heidrick & Struggles weltweit 420 Top-Führungskräfte befragt hat, darunter 44 in Deutschland. Zudem geben 52% an, dass ihre Anstrengungen auf diesen Feldern zum Geschäftserfolg beitragen. Das war vor drei Jahren, als die Studie erstmal durchgeführt wurde, noch anders. Damals glaubte nur rund ein Fünftel des Top-Managements, dass eine diversere und inklusivere Unternehmensführung direkte positive Auswirkungen auf Umsatz und Ergebnis hätte.
Es sind vor allem drei Felder, auf denen sich Anstrengungen für Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion auszahlen: der Verbesserung der Markenreputation bei Mitarbeitern und potenziellen Mitarbeitern („Employer Branding“), einem besseren Verständnis der Kundeninteressen sowie einer Zunahme des Engagements der Mitarbeiter.
Sicherlich haben auch die Jahre der Corona-Pandemie DE-&-I-Konzepten einen deutlichen Schub verpasst. Es hat sich auf breiter Front die Einsicht durchgesetzt, dass sich Top-Manager intensiver als früher um ihre Mannschaft kümmern und deren individuelle Perspektiven berücksichtigen müssen. In Deutschland beispielsweise wurde mehr Vielfalt lange Zeit fast ausschließlich unter dem Aspekt der Förderung von Frauen diskutiert. Inzwischen handelt es sich auch hierzulande um einen viel breiteren Ansatz. In den USA hat die „Black Lives Matter“-Bewegung jüngst Impulse in die Unternehmen gesendet und zu einem inklusiveren Umgang mit Fragen der Herkunft und der Hautfarbe beigetragen. Unternehmen können sich immer weniger von gesellschaftlichen Megatrends abkapseln.
Ein Stück Heimat
Ziel eines DE-&-I-Ansatzes ist es letztlich, dass sich möglichst viele Mitarbeiter vom Handeln und von den Aussagen der Unternehmensführung repräsentiert fühlen. Mitarbeiter können ihre Firma dann besser als ein Stück ihrer Heimat begreifen. Dies hebt Identifikation und Motivation in einer Arbeitswelt, in der das Homeoffice inzwischen einen großen Platz erobert hat.
Deshalb werden heute auch zahlreiche Themen wie der Klimawandel, geopolitische Krisen und soziale Fragen unter dem Konzept DE & I diskutiert. Mitarbeiter fragen zunehmend nach dem „Purpose“ ihres Unternehmens und wollen sich mit den Werten ihrer Firma identifizieren. Vorstände wissen heute, dass die Rolle ihrer Unternehmen in einem breiteren, auch gesellschaftspolitischen Sinne beurteilt wird. Dies betrifft den Raum innerhalb wie außerhalb der Firma gleichermaßen. Unternehmen, die bei einer derartigen Betrachtung in Fettnäpfchen treten, riskieren erhebliche Reputationsschäden und landen gerade bei den jüngeren Talenten auf dem Arbeitsmarkt schnell auf einer informellen Black List. Spezialisierte Wissensarbeiter, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können, wählen gerne ein Unternehmen, das sie als „die Guten“ wahrnehmen.
Dieser Paradigmenwandel ist der Hintergrund, weshalb die erwähnte Studie nach 2019 nun zum zweiten Mal von Heidrick & Struggles veröffentlicht wurde. Der Befund ist eindeutig, dass es höhere Erwartungen an die Unternehmen gibt, soziale Bedürfnisse zu adressieren. Und: Die Unternehmensspitze reagiert und richtet ihren Fokus auf die entsprechenden Themen.
Interessant ist, dass bei den konkreten Ergebnissen der DE-&-I-Studie die Angaben aus Deutschland kaum von den internationalen Durchschnitten abweichen. Auch Führungskräfte hierzulande sehen neben den Mitarbeitern und der Covid-19-Pandemie in den Ansprüchen der Kunden einen dritten wesentlichen Treiber für mehr Vielfalt und Inklusion.
Dies hat zur Folge, dass DE & I-Ziele inzwischen Teil vieler Strategiepläne sind. Und zwar in Deutschland zu 86% in der Geschäftsstrategie, zu 80% in der ESG-Strategie, zu 91% in der Einstellungsstrategie, zu 95% in der Talentstrategie und zu 95% in der sogenannten „Cultural Shaping“-Strategie. Diese hohen Prozentsätze zeigen, dass sich auch in Deutschland die Unternehmen intensiv mit dem DE-&-I-Ansatz auseinandersetzen.
Nicht nur Frauenförderung
Neben dem viel diskutierten Gender-Aspekt sehen die hierzulande befragten Managerinnen und Manager folgende Elemente als Teil des DE-&-I-Ansatzes ihrer Unternehmen: Fragen der Ethnie (zu 59%), Nationalität (zu 52%), Behinderung (zu 48%), LGBTQ+ (zu 45%), Religion (zu 43%) und Alter (zu 41%). Vielfalt wird in Deutschland demnach nicht mehr nur als Ansatz zur Frauenförderung begriffen.
Eine Mehrheit von 55% der in Deutschland befragten Managerinnen und Manager sagt zudem, ihr Unternehmen sei heute in hohem Maße inklusiv, 30% sehen ihr Unternehmen in einem gewissen Maße als inklusiv. Nur noch eine Minderheit gibt zu Protokoll, dass DE-&-I-Fragestellungen in ihren Unternehmen keine oder kaum eine Rolle spielen würden. Es tut sich also viel.
Mit Blick auf die Zukunft erwarten Führungskräfte, dass sich der Trend zu mehr Vielfalt und Inklusion in hohem Tempo fortsetzen wird. Als Fazit lässt sich festhalten, dass es sich in vielerlei Hinsicht lohnt, die DE-&-I-Themen sehr ernst zu nehmen und deren Bedeutung für den langfristigen Unternehmenserfolg nicht zu unterschätzen.