RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: PATRICK MÜCKL

Vorgaben lassen kaum relevanten Spielraum für Treueprämien

Secondments, Aufstiegschancen und flexible Arbeitszeitmodelle als Anreize

Vorgaben lassen kaum relevanten Spielraum für Treueprämien

– Herr Dr. Mückl, Treueprämien sind ein beliebtes Mittel, um gute Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden. Ist das Instrument denn auch bei Banken nach der Institutsvergütungsverordnung noch einsetzbar?Treueprämien oder Retention-Boni, die vereinbarungsgemäß nur gezahlt werden, wenn der jeweilige Mitarbeiter bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Unternehmen bleibt, wären gerade für die Finanzbranche wichtig. Denn nach aktuellen Umfragen sind 86 % der deutschen Finanzprofis bereit, ihren Job zu wechseln. Die aktuelle Fassung der Institutsvergütungsverordnung, die im Grunde für alle Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute gilt, erlaubt leistungsunabhängige Treueprämien aber nur unter sehr engen Voraussetzungen: Ein derartiger Retention-Bonus darf nach § 5 Abs. 6 der Verordnung nur für die ersten zwölf Monate ab Beginn der Tätigkeit des Mitarbeiters gezahlt werden, danach nicht mehr. Zudem muss das Institut strenge Anforderungen in Bezug auf die Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung erfüllen.- Zwölf Monate sind ja relativ überschaubar, gibt es weitere Gestaltungsmöglichkeiten für Retention-Boni?Die Verordnung erlaubt Boni auch für Zeiten nach den ersten zwölf Monaten des Arbeitsverhältnisses. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie an eine von der Verordnung gebilligte Leistung des Mitarbeiters und damit an den Erfolg des Instituts anknüpfen. Das gilt auch für Treueprämien und macht die Mitarbeiterbindung extrem schwierig, wenn man die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) berücksichtigt.- Das Bundesarbeitsgericht hat sich vergangenes Jahr zu Sonderzahlungen an Mitarbeiter geäußert, was ist danach zu beachten?Das Bundesarbeitsgericht (10 AZR 848/12) hat klargestellt, dass eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Zeitraums abhängig gemacht werden darf, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Unzulässig ist daher zum Beispiel eine Klausel im Arbeitsvertrag, die ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember des Jahres vorsieht. Für entsprechende Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge gilt letztlich nichts anderes.- Welchen Spielraum lassen also Regulierung und Rechtsprechung für einen Retention-Bonus für Bankmitarbeiter?Berücksichtigt man alle Vorgaben, bleibt kaum ein relevanter Spielraum. Denn die nach der Institutsvergütungsverordnung grundsätzlich notwendige Abhängigkeit der Prämie von der Arbeitsleistung führt dazu, dass die beabsichtigte Bindung nahezu unmöglich ist, wenn man die BAG-Rechtsprechung berücksichtigt. Danach ist eine von der Arbeitsleistung abhängige Prämie nämlich eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung innerhalb eines bestimmten Zeitraums, und ihre Auszahlung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass das Arbeitsverhältnis außerhalb dieses Zeitraums noch besteht.- Bieten Halteprämien überhaupt den richtigen Anreiz, sollten nicht eher allein Leistung und Erfolg belohnt werden?Das ist zwar naheliegend. Nach der Institutsvergütungsverordnung sollen stark risikobehaftete Geschäfte aber nicht belohnt werden können, damit die Stabilität des jeweiligen Finanzinstituts und des Finanzmarktes im Allgemeinen nicht gefährdet wird. Um Finanzprofis an ihre Unternehmen zu binden, müssen daher ergänzende Strategien entwickelt und umgesetzt werden. Anreize können zum Beispiel Secondments oder Fortbildungen, Aufstiegschancen bzw. flexible Arbeitszeitmodelle sein. Empfehlenswert sind vor allem Anreize, die die Identifikation mit dem Unternehmen erhöhen. Entscheidend ist letztlich ein umfassendes Konzept, das auch nachvertragliche Wettbewerbsverbote einschließen kann, um den Wechsel der Mitarbeiter zur Konkurrenz zu erschweren und bestenfalls zu verhindern.—-Dr. Patrick Mückl ist Partner im Düsseldorfer Büro der Kanzlei Noerr. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.