Wachstum geht an vielen US-Retailern vorbei

Selbst Thanksgiving ist dem Handel nicht mehr heilig - Expertin: Verfügbares Einkommen wächst kaum

Wachstum geht an vielen US-Retailern vorbei

Von Sebastian Schmid, New YorkDie jüngsten Arbeitsmarktdaten hatten den Optimisten wieder Futter gegeben. Die US-Arbeitslosigkeit fiel im Oktober auf 5,8 % – den tiefsten Stand seit 2008. Neun Monate in Serie mit je mehr als 200 000 neu geschaffenen Stellen gab es zuletzt vor über einem Jahrzehnt. Der Benzinpreis steht auf einem Vierjahrestief. Für den US-Einzelhandel sind das hervorragende Nachrichten. Doch vom viel umjubelten Aufschwung kommt bei den Retailern wenig an.Magere 2,4 % wuchs der Umsatz des US-Einzelhandels in den ersten acht Monaten (siehe Grafik). Nach vorläufigen Schätzungen der US-Statistikbehörden lief es im September kaum besser. Umso wichtiger wird das Weihnachtsgeschäft, das für viele Unternehmen darüber entscheidet, wie 2015 weitergearbeitet werden kann. Im ersten Quartal 2014 wurden nach einem enttäuschenden vierten Quartal 2013 tausende Filialen geschlossen.Dieses Jahr soll es endlich besser laufen – dem verhaltenen Jahresverlauf zum Trotz. Eine von Deloitte in Auftrag gegebene Studie stellt einen Anstieg der Ausgaben für Geschenke um 9 % auf 458 Dollar je Person in Aussicht. Insgesamt sollen die Ausgaben in der Weihnachtszeit sogar prozentual zweistellig anziehen. So viel Optimismus bringt selbst der oft zu positiv gestimmte Branchenverband National Retail Federation nicht auf. Er erwartet lediglich 4 % Umsatzwachstum. Allerdings wäre auch das schon eine deutliche Verbesserung gegenüber der jüngeren Vergangenheit. Im Schnitt hatten die Weihnachtsverkäufe in den Jahren 2004 bis 2013 um 3 % jährlich zugelegt. Für den Präsenzhandel lief es ohnehin schlechter, da der Onlinehandel kräftig Marktanteile gewonnen hat.Der Online-Vormarsch, der zu Geschäftsschließungen und Arbeitsplatzverlusten geführt hat, sollte eigentlich durch die Einführung einer landesweiten Umsatzsteuerpflicht für Internethändler gebremst werden. Im Senat wurde die Unterstützung für ein vom Branchenverband beworbenes Gesetz vor den Kongresswahlen bereits überparteilich gesichert. Nach dem Wahlsieg der Republikaner wurde das Thema indes erst einmal ins kommende Jahr verschoben. Repräsentantenhaussprecher John Boehner ließ ausrichten, er habe ernsthafte Bedenken bezüglich der Gesetzesvorlage. Die meisten Republikaner sehen jede Steuererhöhung kritisch. Gesetzesvorlage gestopptDer Präsenzhandel steht damit vor einem erneut schwierigen Weihnachtsquartal. Um gleich zu Beginn der Einkaufssaison nicht ins Hintertreffen zu geraten, haben sich ungewöhnlich viele Handelskonzerne entschlossen, bereits an Thanksgiving ihre Türen zu öffnen.”Die Leute sind gewohnt einzukaufen, wann sie wollen, ob der Laden nun geöffnet hat oder nicht”, erklärte Allen Anderson, Markenberater von Landor Associates, der Nachrichtenagentur Bloomberg. Der US-Feiertag gilt Amerikanern indes fast als heilig. Noch vor wenigen Jahren hatte an dem Tag kaum ein Restaurant geöffnet. Nun kündigen mit den Kaufhäusern J. C. Penney und Macy’s, dem Bürobedarfshändler Staples und der Elektronikmarktkette Radioshack gleich mehrere Retailer an, öffnen zu wollen. Dass vor allem Kaufhäuser am Feiertag öffnen, ist kein Zufall. Sie haben zuletzt besonders gelitten (siehe Grafik).Der Präsenzhandel werde nicht verschwinden, ist Morris überzeugt. Allerdings werde der Anteil am Kuchen sicher weiter schrumpfen. Kurzfristig geht es dennoch spätestens ab Thanksgiving für viele US-Einzelhändler um das nackte Überleben.