Was ist Purpose?
Von Daniel Schauber, FrankfurtWas genau steckt hinter dem Schlagwort Purpose, das die Debatten institutioneller Investoren derzeit prägt? Und muss man Topmanagern über die Vergütung Anreize bieten, übergeordnete nichtfinanzielle gesellschaftliche Ziele zu erreichen? Diese Fragen diskutierten Corporate-Governance-Experten und Praktiker kontrovers auf der 3. DVFA Governance & Stewardship Konferenz.Michael Kramarsch, Managing Partner der Unternehmensberatung HKP Group, näherte sich dem komplexen Thema mit feiner Ironie und zahlreichen Bonmots: “Was ist Purpose, und geht das wieder weg?”, fragte der Vergütungsexperte rhetorisch in die Runde und bot augenzwinkernd mit einem Gedankenexperiment, der Apfelsaft-Pipeline, ein plakatives Modell zur Anschauung. Ein Investor, der am Ende einer solchen Pipeline stehe, achte darauf, dass erstens immer mehr Apfelsaft rauskomme und zweitens auch immer mehr Saft als aus den Pipelines der Konkurrenten. “Damit wären Alpha und Beta abgedeckt”, erklärte er unter Anspielung auf die bei Fonds beliebten Performancekennziffern. Mit der Frage, wie die Apfelbäume wachsen und wie man die Apfelpflücker behandelt, komme man zu ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance). Und bei der Frage, welchen Nutzen das Unternehmen in der Welt stifte, sei man beim “Purpose” angekommen.Purpose werde derzeit von Investorenseite gepusht, sagte Kramarsch. Investitionen in Unternehmen seien denselben gesellschaftlichen Trends ausgesetzt wie alle anderen Lebensbereiche. Deshalb “geht Purpose auch nicht mehr weg. Man kann das Thema nicht aussitzen.” Umgesetzte NachhaltigkeitWenn immer mehr Geld durch große Vermögensverwalter passiv verwaltet werde, “können die Anleger nicht mehr mit den Füßen abstimmen”. Sie brauchten deshalb andere Hebel, um Unternehmen zu beeinflussen. “Purpose ist eigentlich umgesetzte Nachhaltigkeit und sichert im besten Fall den nachhaltigen Return, insofern ist es auch Performance im Sinne von Anlageertrag”, so der Vergütungsexperte.Purpose könne damit auch unmittelbar als “Performancetreiber” betrachtet werden. Mitarbeiterzufriedenheit, Weiterempfehlungsquoten, Produktqualität und Kundenloyalität hingen direkt von Purpose ab. “Unternehmen wachsen schneller, die ihren Unternehmenszweck nach innen wie nach außen glaubhaft darstellen können”, sagte er, um dann rhetorisch zu fragen: “Muss das alles in die Vorstandsvergütung?” Kramarsch schlussfolgerte klipp und klar: “Ich würde Purpose nicht in die Vorstandsvergütung packen.”Einen deutlich anders gefärbten Blick auf das Thema Purpose brachte Marc Muntermann von Siemens Energy, die als Spin-off des Münchner Konzerns kurz vor dem Börsengang steht. “Die Vergütung liefert Investoren wichtige Signale, wie das Unternehmen gesteuert wird”, sagte er. “Governance ist wichtiger Teil der Investorengespräche bei unseren IPO-Vorbereitungen, und da bekommen wir viele Fragen zu dem Vergütungssystem.” Es gebe auch wichtige indirekte Effekte, wenn plötzlich auf Vorstandsebene über die Aufnahme solcher Ziele in die Vergütung diskutiert werde. “Dann bekommt das Thema Macht, und dann kommt auch an anderer Stelle plötzlich die Frage auf, ob man einen großen Diesel fahren muss oder eher ein Elektroauto für Kurzstrecken und für lange Wege die Bahn.””Die Vorstandsvergütung macht deutlich, ob sich das Unternehmen dessen bewusst ist, wie die Eigentümer das Unternehmen geführt haben wollen”, stieß Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS in diesem Punkt ins gleiche Horn wie Muntermann. Schmidt plädierte zugleich dafür, dass die Vorstandsvergütung so gestaltet sein müsse, dass das Unternehmen damit die besten Leute gewinne, die auf dem Markt für Topmanager erhältlich seien. Kramarsch ließ das so nicht stehen und stellte die These, eine hohe Vergütung sei beim “War for Talents” unerlässlich, süffisant in Frage. “In den USA leben die Topmanager auf einem anderen Vergütungsstern. Eine Auswanderungswelle deutscher Manager in die USA ist mir nicht bekannt”, konstatierte der Vergütungsexperte. Nachvollziehbare KriterienPurpose müsse über Aufsichtsrat und Vorstand “mit nachvollziehbaren Kriterien ausgestattet werden, und diese Kriterien müssen unternehmensspezifisch relevant sein”, forderte der Governance-Experte Christian Strenger. Er stimmte Vergütungsberater Kramarsch zu, dass Purpose “nicht in die Vergütung gehört”. Wenn man Vorstände frage, wieso sie ihre Arbeit machten, dann bekomme man “ganz andere Aspekte als Geld” zu hören. Der Appell des prominenten Experten: “Macht es ein bisschen unkomplizierter!” Wie man einen Vorstand über Anreize in der Vergütung bei solchen Governance-Themen kurzfristig belohnen solle, “erschließt sich mir nicht”, sagte Strenger. Allenfalls, so Strenger, könne man Vorstände, die bei der Erfüllung nicht unmittelbar finanzieller Unternehmensziele versagten, “kurzfristig bestrafen”.