Wenn Short-Seller Kampagnen starten
Von Tobias Nikoleyczik und Philip Peitsmeyer *)Aktivistische Investments sind in den USA eine eigenständige Anlageklasse, in die viel Geld fließt. Im vergangenen Jahr hatten Fonds mit einem primären Fokus auf solche Investments rund 173 Mrd. Dollar unter Verwaltung. Es wird daher auch von Institutionalisierung aktivistischer Investoren gesprochen. Hierzulande war dies lange anders. Abgesehen von einigen prominenten Fällen hielten sich Aktivisten in der Vergangenheit eher zurück, deutsche Gesellschaften in den Fokus zu nehmen. Dies ändert sich zunehmend und trifft Unternehmen teilweise immer noch unvorbereitet.Das Bild von aktivistischen Investoren und deren Vorgehen in Deutschland ist tendenziell negativ besetzt. Vieles erinnert an die Heuschrecken-Debatte vor mehr als zehn Jahren, als vor allem das Vorgehen von Private Equity pauschal gebrandmarkt wurde. Ebenfalls eine Rolle spielen sicherlich die Erfahrungen, die deutsche Gesellschaften mit sogenannten “räuberischen Aktionären” gemacht haben. Diese haben jedoch mit Aktivisten wenig gemein. Bei genauerer Betrachtung ist die negative Wahrnehmung kaum nachvollziehbar. Vielmehr sind die Unterschiede zwischen dem Value Investing eines Warren Buffet und Aktivisten gering: beide suchen unterbewertete Unternehmen mit entsprechendem Kurspotenzial. Ziel WertsteigerungDas Ziel der Aktivisten liegt grundsätzlich in der Wertsteigerung ihres Investments. Die Mittel, dies zu erreichen, sind vielfältig und reichen von kurzfristigen Forderungen zur Anpassung der Kapitalstruktur der Zielgesellschaft, der Ausschüttung von Dividenden und der Durchführung von Aktienrückkäufen über die Forderung nach der Veräußerung oder dem Spin-Off wesentlicher Unternehmensteile bis hin zu einem Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen, in das der Aktivist ebenfalls investiert ist. Aber auch längerfristig angelegte Strategien, die auf eine Änderung der Unternehmensführung ausgerichtet sind, stehen auf der Tagesordnung. Ein typisches Vorgehen betrifft die Opposition von M & A-Aktivitäten, beispielsweise im Fall öffentlicher Übernahmen zur Verhinderung des Erreichens für Strukturmaßnahmen erforderlichen Mehrheiten oder anlässlich geplanter Börsenrückzüge. Unterstützt wird der Einfluss teils von professionellen Stimmrechtsvertretern wie ISS oder Glass Lewis, die sich den Forderungen mitunter anschließen. Trash and CashIn der jüngeren Zeit verstärkt aufgetreten sind aktivistische Investoren, die Short-Positionen aufbauen, um anschließend eine negative Kampagne gegen das betreffende Unternehmen zu starten und nach einem dadurch ausgelösten Kursrutsch ihre Positionen wieder aufzulösen: Trash and Cash. Die prominentesten jüngeren Beispiele in Deutschland waren Wirecard und Ströer. Die Investoren veröffentlichten kritische Analysen über das jeweilige Unternehmen, in denen sie unter anderem starke Zweifel am Geschäftsmodell sowie an der Richtigkeit der veröffentlichten Finanzkennziffern äußern.In der Folge gab es jeweils einen drastischen Kurssturz. Hiervon dürften die Investoren erheblich profitiert haben, indem sie die kurz vor der Veröffentlichung ihrer Analysen aufgebauten Short-Positionen unmittelbar nach der Veröffentlichung und dem hierdurch verursachten Kurssturz wieder glattgestellt haben.Der Aufbau von Short-Positionen durch Leerverkäufe von Aktien oder den Erwerb entsprechender Finanzinstrumente ist nicht per se verboten. Dies gilt auch dann, wenn der Investor den Aufbau seiner Short-Position durch die Veröffentlichung von kritischen Analysen über das angegriffene Unternehmen flankiert, um seine Short-Position nach einem Kursrückgang mit Gewinn wieder glattzustellen. Allerdings sind hierbei die kapitalmarktrechtlichen Spielregeln einzuhalten. Diese finden sich insbesondere in der EU-Leerverkaufsverordnung und dem WpHG bzw. in der am 3. Juli 2016 in Kraft getretenen EU-Marktmissbrauchsverordnung und den entsprechenden Durchführungsbestimmungen.Leerverkäufe sind danach nur gedeckt zulässig. Der Verkäufer darf sich nur zur Veräußerung solcher Aktien verpflichten, die er über Wertpapierleihe hat oder deren Lieferbarkeit er an den Erwerber aufgrund vergleichbarer Vorkehrungen sichergestellt hat. Zudem muss der Leerverkäufer Melde- und Veröffentlichungspflichten beachten. Wer am Ende eines Handelstages (24 Uhr) eine Short-Position – Netto-Leerverkaufsposition – in Höhe von mindestens 0,2 % des ausgegebenen Aktienkapitals eines Unternehmens hält, muss dies bis spätestens um 15.30 Uhr des folgenden Handelstages der BaFin melden. Eine Short-Position von mindestens 0,5 % ist zudem innerhalb derselben Frist im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Entsprechende Melde- und Veröffentlichungspflichten gelten auch bei nachfolgenden Veränderungen der Short-Position, sofern hierdurch Schwellenwerte von 0,1 % oder einem Vielfachen hiervon über- oder unterschritten werden.Insbesondere in Fällen, in denen Transaktionen durch Verkaufsempfehlungen des Leerverkäufers für das betroffene Unternehmen begleitet werden, stellt sich die Frage, ob eine verbotene Marktmanipulation begangen wird. Als legitimes Handelsverhalten stellt die Verfolgung von Short-Selling-Strategien für sich genommen keine verbotene Marktmanipulation dar. Vielmehr müssen hierfür besondere Umstände hinzutreten. Der bloße Umstand, dass ein Short-Seller negative Nachrichten über ein Unternehmen verbreitet und eine Verkaufsempfehlung ausspricht, genügt im Regelfall nicht für die Annahme einer verbotenen Marktmanipulation. Keine IrreführungAllerdings dürfen keine unrichtigen oder irreführenden Informationen über das angegriffene Unternehmen verbreitet werden. Verkaufsempfehlungen – zu denen auch die Veröffentlichung von Kurszielen zählt – dürfen weiterhin nicht unrichtig, fehlerhaft, verzerrend oder von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst sein. Zudem muss der Short-Seller den Umstand, dass er aufgrund des Haltens einer Short-Position einem Interessenkonflikt unterliegt, stets zeitgleich mit der Veröffentlichung seiner Analyse an prominenter Stelle offenlegen.Weitere rechtliche Implikationen können sich daraus ergeben, dass Aktivisten vielfach nicht allein handeln, sondern ihr Vorgehen gemeinsam mit anderen Investoren (in den USA oftmals auch als Wolf-Pack bezeichnet orchestrieren. Zwar stellt sich beim Short-Selling im Gegensatz zu einem abgestimmten Vorgehen beim Beteiligungsaufbau nicht in gleicher Weise die Frage nach einer wechselseitigen Stimmrechtszurechnung aufgrund eines Acting in Concert mit den bekannten wertpapierhandels- und übernahmerechtlichen Folgen. Von Bedeutung ist jedoch die Frage, ob die Weitergabe der Information über den bevorstehenden Aufbau einer Short-Position vor deren Veröffentlichung eine unzulässige Weitergabe einer Insiderinformation ist. Rechtsfolgen von VerstößenSofern sich eine Short-Selling-Attacke anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände als verbotene Marktmanipulation darstellt, drohen dem Leerverkäufer bußgeldrechtliche und im Falle eines Manipulationserfolges auch strafrechtliche Sanktionen. Anleger, die durch eine verbotene Attacke Kursverluste erlitten haben, können unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatzansprüche gegen den Short-Seller geltend machen. Zwar sieht die herrschende Meinung das Verbot der Marktmanipulation nicht als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Anleger an; erst recht gilt dies für bloße Verstöße gegen die Meldepflichten der EU-Leerverkaufsverordnung. In Betracht kommen aber Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Schadenersatzansprüche des angegriffenen Unternehmens lassen sich grundsätzlich ebenfalls über § 826 BGB oder über § 824 BGB (Kreditgefährdung) begründen, dürften aber häufig bereits am fehlenden Schaden scheitern.—-*) Dr. Tobias Nikoleyczik und Dr. Philip Peitsmeyer sind Rechtsanwälte und Partner der Kanzlei GLNS