Wer in Großbritannien vom Kampf gegen Corona profitiert
Von Andreas Hippin, LondonDas britische öffentliche Gesundheitswesen ist auch ohne Coronavirus-Pandemie ein enormer Ausgabenblock im Staatshaushalt, von dem zahllose Firmen profitieren wollen (siehe Grafik). Sucht man nach den Gewinnern der Covid-Krise, sind es nicht Impfstoffhersteller wie AstraZeneca. Der britisch-schwedische Pharmakonzern bot schließlich an, sein gemeinsam mit der Universität Oxford entwickeltes Vakzin erst einmal zum Selbstkostenpreis abzugeben. Es sind Zulieferer wie das Biotechnologieunternehmen Oxford Biomedica oder der Spezialchemiekonzern Croda. Oxford Biomedica liefert virale Vektoren für den “Oxford-Impfstoff”. Im September vergangenen Jahres wurde ein auf drei Jahre angelegtes Master Supply & Development Agreement dazu unterzeichnet. Es beinhaltete eine Vorabzahlung von 15 Mill. Pfund, um AstraZeneca die benötigten Kapazitäten zu sichern, und Umsätze von bis zu 35 Mill. Pfund oder mehr in den ersten 18 Monaten der Zusammenarbeit. Es kann zudem um weitere 18 Monate verlängert werden, sollte AstraZeneca auch weiterhin Bedarf haben.Bislang deutet alles darauf hin, dass der “Oxford-Impfstoff” für die britische Regierung das Produkt der Wahl sein wird, um breite Teile der Bevölkerung zu immunisieren. Zwar ist auch das Präparat bereits zugelassen, das der Viagra-Hersteller Pfizer zusammen mit der deutschen Biontech entwickelt hat, aber das britische Produkt ist einfacher zu handhaben und deutlich preisgünstiger. London hat bereits 100 Millionen Dosen bestellt.Croda erwarb im Juli vergangenen Jahres für 185 Mill. Dollar plus zusätzlichem “Earn-out” von bis zu 75 Mill. Dollar Avanti Polar Lipids. Das Unternehmen gehört damit zu den führenden Anbietern von Lipid-Nanopartikeln. Das sind die molekularen Hüllen, in denen bei Impfstoffen wie den Produkten von Pfizer/Biontech und Moderna der genetische Botenstoff (mRNA) enthalten ist. Sie helfen dabei, die biologischen Wächter des Körpers zu umgehen und die Zielzelle zu erreichen, ohne vorher abgebaut zu werden. Im November wurde eine Liefervereinbarung mit Pfizer unterzeichnet, die im laufenden Jahr 100 Mill. Dollar zum Erlös beitragen soll. Weltweit befindet sich eine ganze Reihe von mRNA-Impfstoffen in der Entwicklung, nicht nur gegen Sars-CoV-2, sondern auch gegen andere Infektionskrankheiten wie Grippe, Tollwut oder Zika. Endlose WartelistenPrivatklinikbetreiber wie Spire Healthcare werden davon profitieren, dass beim National Health Service (NHS) die Wartelisten für eine ganze Reihe von Behandlungen so lang sind wie noch nie, weil in den Krankenhäusern Platz für Covid-Patienten geschaffen werden musste. Ohne private Anbieter wird sich das nicht abarbeiten lassen. Der NHS hat für die kommenden vier Jahre bereits eine 10 Mrd. Pfund schwere öffentliche Ausschreibung auf den Weg gebracht.Aber auch Firmen wie der Outsourcing-Dienstleister Serco verdienen an der Pandemie. Er gehört zu den Betreibern des Kontaktverfolgungsprogramms NHS Test & Trace und beschäftigt direkt oder indirekt 9 000 Menschen, die möglicherweise Infizierte aufspüren und zur Selbstisolation auffordern. Zudem betrieb Serco im Herbst ein Viertel der rund 500 Sars-CoV-2-Testzentren im ganzen Land. Im Oktober erhöhte das Management die Zielspanne für den bereinigten Gewinn von bislang 135 Mill. bis 150 Mill. Pfund auf 160 Mill. bis 165 Mill. Pfund. Beim organischen Umsatzwachstum wurden fortan 15 (zuvor: 9) % avisiert. Bis zur Vorlage der Geschäftszahlen für 2020 werde darüber entschieden, ob eine Dividende gezahlt wird.Der Laborbetreiber Sourcebio International, der sonst zytologische Untersuchungen für den NHS durchführt, entwickelte einen PCR-Test (Polymerase-Kettenreaktion) und verfügt derzeit über eine Kapazität von 10 000 Tests täglich. Die Analysten von Liberum Capital rechnen für das laufende Quartal mit einer Kapazitätsauslastung von 60 % bis 70 %. Kämen 1 000 Tests pro Tag dazu, wären das 4 Mill. Pfund hochmargiger Zusatzerlös – bei einer Marktkapitalisierung von 170 Mill. Pfund.