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Wie Bauen effizienter und ökologischer wird

Obwohl hunderttausende Wohnungen fehlen, steckt die Bauwirtschaft in der Krise. Die Herausforderungen sind riesig: Die Branche muss billiger und klimaverträglicher produzieren.

Wie Bauen effizienter und ökologischer wird

Wie Bauen effizienter und ökologischer wird

Obwohl hunderttausende Wohnungen fehlen, steckt der Bausektor in der Krise. Die Herausforderungen sind riesig: Die Branche muss billiger und klimaverträglicher produzieren.

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Der Wohnungsbau steckt in einer diffizilen Strukturkrise. Und das in doppelter Weise. Zum einen ist er zu teuer – Folge der Preissprünge für Baustoffe, immer strengerer Vorschriften und gestiegener Zinsen. Die Refinanzierung der Baukosten erfordert Kaltmieten, die sich große Teile der Bevölkerung nicht leisten können. Zum anderen ist der Bau zu klimaschädlich. Errichtung und Betrieb von Gebäuden sind für etwa 30% der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Ohne grundlegende Neuausrichtung des Gebäudesektors ist keine Klimawende möglich.

Einfacher, schneller und günstiger

Trotz steigender Wohnungsnot gerade in den Großstädten erlebt der Wohnungsbau derzeit einen ungeahnten Niedergang. Um die Talfahrt zu bremsen, bringt das Bundesbauministerium den Gebäudetyp E auf den Weg. „Viele Normen auf unseren Baustellen sind für gute und sichere Häuser nicht nötig“, meint Bauministerin Klara Geywitz. Keine Abstriche gibt es bei Statik und Brandschutz, wohl aber bei Schallschutz, Raumhöhe und Zahl der Steckdosen. Also bei Standards, die den Komfort betreffen und nicht die Sicherheit. So kann die Geschossdeckenstärke verringert und Holzbalkendecken können ohne Estrich eingezogen werden. Das soll das Bauen einfacher, schneller und günstiger machen. Vonovia-Chef Rolf Buch hält den Vorstoß für richtig: „Wir würden gern wieder bauen wie vor zehn Jahren. Das waren gute Häuser und wäre wesentlich billiger.“

Kooperation mit Gropyus

Der größte Vermieter in Deutschland hat angekündigt, den vorübergehend gestoppten Neubau wieder aufzunehmen. Die rasant gestiegenen Baukosten will der Konzern durch Verzicht auf Tiefgaragen, eine Optimierung der Energiestandards und einen höheren Anteil seriell gefertigter Häuser in Schach halten. Im Frühjahr 2025 soll das erste Projekt mit dem auf Holz-Hybrid-Gebäude spezialisierten Startup Gropyus, an dem Vonovia beteiligt ist, in Berlin-Wilmersdorf anlaufen.

Das Proptech hat sich im Oktober 100 Mill. Euro frisches Eigenkapital gesichert, unter anderem für den Ausbau des digital gesteuerten Werks Richen in Baden-Württemberg. In der hochautomatisierten Fabrik stellen flexible Roboter Wand- und Deckenelemente her. Mit der Verknüpfung von Software, Bauwesen, Robotik und serielle Fertigung setzt das in Wien ansässige Startup einen Kontrapunkt zum traditionellen Wohnungsbau, der noch immer stark handwerklich und wenig industriell geprägt ist. An vier Standorten werden 400 Mitarbeiter beschäftigt.

Kombination von Baustoffen

Holz-Hybrid-Gebäude kombinieren verschiedene Baustoffe. Stahl und Beton werden vorzugsweise dort verwendet, wo es auf Stabilität ankommt, etwa in Tiefgaragen, Fahrstuhlschächten und Decken. Die verstärkte Nutzung von Holz und anderen umweltfreundlichen Materialien führt zu drastisch verringerten CO2-Emissionen im Vergleich zur klassischen Bauweise. Vor allem die Herstellung von Zement, dem Ausgangsprodukt für Beton (neben Sand und Wasser), ist mit extrem hohen Emissionen des Treibhausgases verbunden. Die Zementindustrie steht für 7 bis 8% des globalen CO2-Ausstoßes. Wobei zwei Drittel direkt im Produktionsprozess anfallen, und zwar beim Brennen von kohlenstoffhaltigem Kalkstein zu Klinker. Diese chemisch bedingten Emissionen lassen sich nicht vermeiden.

CO2-Abscheidung

Der Klinkeranteil kann zwar durch Alternativstoffe wie Flugasche und Hüttensand gesenkt werden, aber nur in Maßen, weil der Zement sonst seine Produkteigenschaften einbüßt. Als einzige Lösung bleibt nach einhelliger Meinung, das CO2 im Schornstein abzufangen und es dann in unterirdische Lagerstätten einzubringen oder in anderen Verwendungen zu nutzen. Heidelberg Materials bringt gerade in Brevik im Süden Norwegens die weltweit erste Abscheidungsanlage in industriellem Maßstab in einem Zementwerk an den Start. Finanziert hat die Anlage zu 85% der norwegische Staat.

Zudem arbeitet die Branche an neuen Baustoffen, etwa Carbonbeton, der leichter und langlebiger ist als herkömmlicher Beton, Holzbeton für Wände, Ziegel mit Hanf, Seegras als Dämmstoff und Pilz als Isolator. Der Bauzulieferer Wienerberger betreibt im Werk Uttendorf in Österreich den Industrieofen mit Ökostrom, was die Emissionen der Ziegelproduktion laut Firmenangaben um 90% senkt.

Für Wohn- und Bürogebäude

Der Holz-Hybrid-Bau wird nicht nur für kleinere Wohnhäuser genutzt, sondern auch für Hochhäuser und Büros. So steht im Frankfurter Europaviertel das Bürogebäude Timber Pioneer mit 14.000 Quadratmeter Fläche. Der österreichische Immobilienkonzern CA Immo errichtet seit September in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof Berlin ein Holz-Hybrid-Bürogebäude mit 16.000 Quadratmeter. Als Deutschlands erstes Holzhochhaus gilt das 34 Meter hohe Skaio in Heilbronn, das zur Stadtausstellung der Bundesgartenschau 2019 gehörte. Gebaut hat die 60 Mietwohnungen die zur Strabag-Gruppe gehörende Züblin. Das höchste Holzhaus Deutschlands steht im Hamburg: Das 19-geschossige Roots, ein Projekt der Garbe-Gruppe, kommt auf 65 Meter Höhe.

Industrie noch nicht vorbereitet

Diese Projekte stellen allerdings noch Ausnahmen dar. Das hängt auch damit zusammen, dass auf industriellen Holz- und Modulbau spezialisierte Firmen noch rar sind. „In Deutschland gibt es nur wenige Unternehmen, die mehr als 50 Wohneinheiten am Stück in Holz-Hybrid bauen können“, sagt Kruno Crepulja, Vorstandschef des Bauträgers Instone.

Als führender Projektentwickler für Holz-Hybrid-Bauten sieht sich UBM Development aus Wien. Drei Viertel der 1,9 Mrd. Euro dicken Projektpipeline entfallen auf solche Gebäude. In Mainz steuern die Österreicher beispielsweise den Bau des mehr als 40 Meter hohen Timber Peak, der bis Ende 2025 fertig werden soll. Zu den Baugesellschaften, die sich auf Holz-Hybrid verlegt haben, gehört auch Brüninghoff aus dem Westmünsterland. Das Unternehmen setzt auf die Produktion vorgefertigter Bauteile mit Spezialisierung auf hybride Fertigteile. Ebenfalls in Westfalen zuhause ist die Terhalle-Gruppe, die 1992 die ersten Häuser in Holzrahmenbauweise montierte.


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