Wie ehrbar der Kaufmann wirklich ist

EY-Korruptionsstudie 2017: Deutschland fällt im EU-Vergleich gegenüber früheren Jahren deutlich zurück

Wie ehrbar der Kaufmann wirklich ist

Deutsche Politiker verweisen gerne auf eine andere Mentalität in den südlichen Ländern Europas, wenn es um Themen wie Korruption oder Steuerehrlichkeit geht. Eine Korruptionsstudie des Beratungsunternehmens EY kommt nun zu einem Ergebnis, mit dem das schöne Bild des ehrbaren Kaufmanns in ein schlechtes Licht gerückt wird. Korruption wird hierzulande offenbar salonfähiger. Allerdings lässt die Erhebungsmethode Wünsche offen.Von Sebastian Schmid, FrankfurtVorab sei gewarnt: Befragungsergebnisse sollten stets mit einer gehörigen Portion Skepsis absorbiert werden. Die am Mittwoch von EY veröffentlichte Korruptionsstudie hat es dennoch in sich – insbesondere für die deutsche Wirtschaft. Denn der Befragung zufolge hat sich die hiesige Situation offenbar dramatisch verschärft. Der Frage, ob Bestechung beziehungsweise korrupte Methoden im Geschäftsleben hierzulande weit verbreitet seien, hatten 2015 lediglich 26 % der befragten deutschen Unternehmen zugestimmt. 2017 stieg der Anteil um satte 17 Prozentpunkte auf 43 %. Der “sprunghafte Anstieg” stehe im Kontrast zu einem erneuten Rückgang der Zustimmung in Westeuropa insgesamt. Auch der Aussage, dass sich die Ethikstandards des eigenen Unternehmens im Lauf der vergangenen zwei Jahre verbessert hätten, wollten nur 22 % zustimmen – in Westeuropa insgesamt waren es immerhin 26 %. Die Regulierungsbehörden sollte zudem aufschrecken, dass nur 19 % diesen und deren Maßnahmen einen positiven Einfluss auf die Ethikstandards der Branche attestieren. Die Geringschätzung gegenüber den staatlich eingesetzten Aufsehern spiegelt sich auch an anderer Stelle der Befragung wieder. 10 Prozent würden täuschenImmerhin jeder zehnte deutsche Manager stimmte der Aussage zu, dass er oder sie zur Beschleunigung der eigenen Karriere oder um sich einen anderweitigen Vorteil zu verschaffen, dazu bereit wäre, Externe wie Auditoren oder die Regulierungsbehörden zu täuschen. Ein ebenso hoher Anteil ist offenbar bereit, die eigenen Vorgesetzten mit falschen Informationen hinter die Fichte zu führen. Beides sind weit überdurchschnittliche Werte. Beim Belügen der Vorgesetzten wird die deutsche Wirtschaft der Umfrage zufolge nur von der Türkei übertroffen. Die Schönung von Finanzergebnissen hält derweil immerhin 42 % der Manager in Deutschland für recht verbreitet.Angesichts dieser peinlichen Ergebnisse erscheinen die großen Skandale der vergangenen Jahre um Fehlverhalten von Managern und Mitarbeitern bei hiesigen Wirtschaftsikonen wie der Deutschen Bank oder Volkswagen deutlich erklärbar. Allerdings ist hier auch im Blick zu behalten, dass die Studie eine simple Kausalität – deutsche Manager sind korrupter als gedacht, also verhalten sie sich schlechter als erwünscht – nicht gezogen werden darf. Und das nicht nur, weil die Studie keinen Kausalzusammenhang abgefragt hat.Die Erhebung verweist zwar auf 4 100 Unternehmen, die befragt wurden. Darunter waren aber nur 100 deutsche Gesellschaften. Die Stichprobe ist damit nicht annähernd groß genug, um die rund 3,6 Millionen Unternehmen in Deutschland zu repräsentieren. Die Studie kommt auf eine Fehlerspanne von immerhin gut 10 %. Selbst der Einwand, dass die Stichprobe keinerlei Kleinunternehmen mit wenigen Mitarbeitern berücksichtigt, die in Deutschland das Gros der Firmen ausmachen, ändert wenig. Bezieht man die Stichprobe nur auf die knapp 14 000 Firmen, die zu Deutschlands größerem Mittelstand und den Großkonzernen zählen, bleibt sie zu klein. Die Fehlerspanne beträgt auch dann noch gut 10 % und das Konfidenzniveau – also die Wahrscheinlichkeit, dass der erhobene Wert tatsächlich im erwarteten Intervall (Wert ±10 %) liegt – beträgt nicht einmal 90 %. Korruption wird in Deutschland offenbar salonfähiger – zumindest der jüngsten EY-Studie zufolge.