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Wie in Kattowitz ein bisschen die Welt gerettet wird

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt Börsen-Zeitung, 15.12.2018 Ein bisschen kommt die Rettung der Welt voran, aber der große Durchbruch zeichnete sich gegen Ende der Weltklimakonferenz in Kattowitz noch nicht ab: Polen hat den rund 200 Staaten zwar...

Wie in Kattowitz ein bisschen die Welt gerettet wird

Von Christoph Ruhkamp, FrankfurtEin bisschen kommt die Rettung der Welt voran, aber der große Durchbruch zeichnete sich gegen Ende der Weltklimakonferenz in Kattowitz noch nicht ab: Polen hat den rund 200 Staaten zwar einen 144 Seiten langen Entwurf für einen gemeinsamen Beschluss im Kampf gegen die Erderwärmung vorgelegt. Damit soll der Pariser Klimavertrag aus dem Jahr 2015 mit Leben gefüllt und umgesetzt werden. Allerdings besteht das Konvolut aus einer Reihe von Texten, die zum großen Teil noch nicht unter den Staaten Konsens sind. Zudem haben die Dokumente in einigen Fragen Lücken. Dennoch gelten sie als ein Test, ob überhaupt eine Einigung möglich ist. Der polnische Delegationsleiter Michal Kurtyka sagte: “Es ist Zeit, dass wir vorankommen. Der Klimawandel wartet nicht auf uns.”Während in Kattowitz die Regierungsvertreter verhandeln, hat die globale Divestment-Bewegung für das Ende von Investments in fossile Energien einen Meilenstein erreicht: Mehr als 1000 Institutionen mit einem Gesamtvermögen von fast 8 Bill. Dollar hätten sich inzwischen dazu verpflichtet, ihre Investitionen aus fossilen Energieunternehmen abzuziehen, teilte die Klimaschutzorganisation 350.org mit. Die tausendste Einrichtung war die französische Caisse des dépôts et consignations (CDC), die für den französischen Staat Renten, Spareinlagen und weitere Investments in Höhe von 173 Mrd. Euro verwaltet. Kürzlich gab die CDC bekannt, sie werde ab 2019 nicht mehr in Unternehmen investieren, die mehr als 10 % ihrer Umsätze mit Kohle erwirtschaften – damit stehen die zweihundert führenden Unternehmen der Kohlewirtschaft de facto auf der schwarzen Liste. Zu den Organisationen, die sich zuletzt zum Divestment verpflichtet haben, gehört die Universität Göttingen als erste Stiftungsuniversität Deutschlands mit 190 Mill. Euro Vermögen. Regelbuch zum 2-Grad-ZielIn Paris hatte die Weltgemeinschaft 2015 zugesagt, die Erderwärmung auf deutlich weniger als 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. In Kattowitz wird nun ein Regelbuch geschrieben, das die Leistungen der Staaten zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes transparent macht. Zudem geht es um finanzielle Hilfe für die ärmsten Länder, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen – rund 100 Mrd. Dollar jährlich sind geplant.Dabei steht auch Deutschland im Fokus. Zwar hat man über 750 Mill. Euro für die CO2-Einsparung ärmerer Länder zusätzlich versprochen. Auf der anderen Seite hat Deutschland in den vergangenen Jahren den CO2-Ausstoß kaum gesenkt. Die Beschlüsse der Kohlekommission, die eigentlich in Kattowitz von Umweltministerin Svenja Schulze präsentiert werden sollten, verzögern sich. Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hält sogar ein Ende der Kohlekommission ohne Kompromiss für möglich. “Angesichts der Zusammensetzung ist es wahrscheinlich, wenigstens möglich, dass die ganze Sache scheitern könnte”, sagte der ehemalige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der Mitglied der Kommission ist. Es brauche eine Zweidrittelmehrheit der 28 stimmberechtigten Mitglieder.Schellnhuber nannte es ein “soziales Experiment”, dass eine gewählte Regierung ihre Verantwortung an eine Kommission übergebe. Den Umgang der Politik mit dem Gremium kritisierte er: Regierungschefs der Bundesländer schauten ständig bei der Arbeit zu. “Die Verantwortung einer unabhängigen Kommission zu übertragen und gleichzeitig dauernd zu versuchen, die Kommission zu beeinflussen, ist keine gute Methode.” Er glaube, dass die Mitglieder dem Druck widerständen. Er warnte davor, ein mögliches Ergebnis nicht umzusetzen und auf die nächste Wahl zu warten.Auch in Kattowitz dürften die Ergebnisse am Ende für Klimaschützer unbefriedigend ausfallen. Das liegt am 1,5-Grad-Ziel: Wissenschaftler aus aller Welt haben einen Bericht vorgelegt, demzufolge die Erderwärmung mit radikalen Maßnahmen noch auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden kann – und sollte, denn zwei Grad Erwärmung hätten noch drastischere Folgen für Artensterben, Extremwetter, die menschliche Gesundheit und den Anstieg der Meeresspiegel. Umstritten ist, wie prominent der Kattowitz-Gipfel diesen 1,5-Grad-Bericht hervorhebt.Umstritten ist auch der Markt für Emissionsrechte: Verhandlungsinsider sprechen nur von “Kapitel 6”. Darin geht es um einen Marktmechanismus für Emissionsrechte auf Treibhausgas-Ausstoß. Staaten können mit Verschmutzungsrechten handeln, denn für das Weltklima ist es egal, wo die Treibhausgase herkommen. Ein weiterer Streitpunkt sind die Schäden durch den Klimawandel. Die ärmeren Staaten kämpfen dafür, diese anzuerkennen und in die Berichte der Staaten als eigene Kategorie mit aufzunehmen. Schäden als FußnoteDass Verluste und Schäden in den Entwürfen in eine Fußnote gerutscht sind, empörte Hilfsorganisationen. Sabine Minninger von Brot für die Welt nannte das eine “Beleidigung”. Über Nacht sei die Anerkennung des für besonders verwundbare Staaten extrem wichtigen Themas verwässert worden. “Da sind gerade die kleinen Inselstaaten überrollt worden.” Zu den Finanzhilfen für ärmere Länder sagte Harjeet Singh von Actionaid International , die Angebote der reichen Staaten seien ein “grausamer Witz” angesichts der immensen Schäden, die Dürren, Hochwasser und Stürme schon jetzt anrichteten.