Wie OQ Chemicals um die Refinanzierung kämpft
OQ Chemicals hat ein Schuldenproblem. Bis Oktober dieses Jahres muss das in Monheim am Rhein ansässige Chemieunternehmen rund 1 Mrd. Euro an ausstehendem Fremdkapital refinanzieren – und wird das auf konventionellem Weg nicht schaffen. Der Schuldenberg ist bei Weitem zu hoch, um ihn aus eigenen Mitteln abzutragen. Wie aus einer aktuellen Investorenpräsentation hervorgeht, ging der Umsatz im vergangenen Jahr um knapp 30% auf rund 1,4 Mrd. Euro zurück. Der adjustierte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) hat sich von 256 Mill. auf 134 Mill. Euro fast halbiert.
Für eine konventionelle Refinanzierung über die Kapitalmärkte sei die nötige Refinanzierungssumme in etwa um 20% zu groß, wie aus Finanzkreisen zu hören ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die alte Finanzierung zu Konditionen abgeschlossen wurde, die vor der Zinswende galten. Eine Refinanzierung zu aktuellen Marktkonditionen wäre deutlich teurer. Das Unternehmen dürfte sich das zwar leisten können, doch in der aktuellen Situation wäre eine Refinanzierung wohl nicht ohne einen Beitrag des Gesellschafters realisierbar.
Das 1-Mrd.-Euro-Schuldenproblem von OQ Chemicals
Das Unternehmen um die seit Dezember amtierende Finanzchefin Silvia Weppler und seine Berater arbeitet darum fieberhaft daran, die bestehenden Schulden zu restrukturieren. Diese verteilen sich auf zwei institutionelle Kapitalmarktdarlehen (Term Loan B, TLB) mit einem ausstehenden Volumen von 475 Mill. Euro und 432,5 Mill. Dollar (406 Mill. Euro). Strukturiert wurden die Darlehen von J.P. Morgan, Bank of America und HSBC.
Hinzu kommt eine Kreditlinie (Revolving Credit Facility, RCF) über rund 100 Mill. Euro, die von J.P. Morgan, LBBW, Unicredit und HSBC bereitgestellt wurde. Einem aktuellen Bericht der Ratingagentur S&P zufolge war die Linie zuletzt zu weniger als 35% gezogen, weshalb aktuell noch kein Bruch der Vertragskontrollklauseln (Covenants) vorliegen würde. Laut Moody’s war die Linie zum Jahresende 2023 noch nicht gezogen. Die Banken wollten dies auf Nachfrage nicht kommentieren.
Laut Moody’s verfügt OQ Chemicals zudem über ein sogenanntes Asset-Backed-Securities-Programm (ABS), das ein Volumen von 125 Mill. Euro hat und von dem vermutlich bis zu 80 Mill. Euro gezogen sein könnten. Im Insolvenzrang stünde das ABS-Programm vor der Kreditlinie. Für das große Ganze dürfte das ABS-Programm aber keine wesentliche Rolle spielen.
Omanische Gesellschafter ließen Deal über Ostern platzen
Dass die Ratingagentur überhaupt über ein potenzielles Insolvenzszenario spricht, liegt an einer Transaktion, die die omanischen Gesellschafter über Ostern haben platzen lassen. Denn eigentlich wähnte sich OQ Chemicals bereits in Sicherheit. Wie die Börsen-Zeitung aus Gesprächen mit eingeweihten Personen erfahren hat, gab es zwei unterschriftsreife Restrukturierungslösungen.
Beide Varianten sahen vor, dass der Gesellschafter – die OQ-Gruppe mit Ursprung in Oman – rund 200 Mill. Euro frisches Eigenkapital nachschießt und darüber hinaus ein Gesellschafterdarlehen über rund 100 Mill. Euro bereitstellt. Dann wären die im Oktober fälligen Kapitalmarktdarlehen entweder verlängert worden oder der Finanzinvestor Apollo wäre dazu bereit gewesen, die beiden Darlehen komplett zu refinanzieren. Doch über Ostern hätten die Omanis ihre Zustimmung ohne nähere Begründung überraschend zurückgezogen, wie mit der Sache vertraute Personen berichten.
In einem von der für die Omanis arbeitenden Kanzlei Linklaters überreichten Brief hätten die Gesellschafter im übertragenen Sinne lediglich mitgeteilt, dass sie ihre Eigentumsrechte und -pflichten auf Eis legen würden. Das Management von OQ Chemicals sei von nun an auf sich allein gestellt. Linklaters wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Der omanische Gesellschafter ließ eine Anfrage bis zum Erscheinen des Artikels unbeantwortet.
Das Hoffen auf den Weißen Ritter
Fakt ist, dass damit beide Refinanzierungslösungen vorerst vom Tisch sind und sich die Lage für OQ Chemicals zuspitzt. Verschiedene Szenarien sind nun denkbar. Der Worst Case ist die Insolvenz, sollte keine Restrukturierungslösung gefunden werden. Dieses Szenario möchten jedoch alle Parteien tunlichst vermeiden.
In einem zweiten Szenario hofft das Unternehmen auf einen Weißen Ritter, der auf den letzten Metern erscheint und die Firma in Not übernimmt. Dieser könnte dann entweder auch die Schulden übernehmen oder den erforderlichen Eigenkapitalbeitrag leisten, damit die beiden ursprünglichen Refinanzierungslösungen wieder funktionieren: stehen lassen und verlängern oder durch eine dritte Partei ablösen. Die Frage ist, welcher potenzielle Käufer in der kurzen Zeit eine ordentliche Due Diligence machen kann. Ein Name, der in Finanzkreisen dabei immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist der Finanzinvestor Advent, der OQ Chemicals 2013 an die Omanis verkauft hat und das Unternehmen daher bereits kennen müsste.
Übernehmen die CLO-Investoren die Firma?
Erscheint der Weiße Ritter nicht, könnten in einem dritten Szenario schließlich die Fremdkapitalgeber die Schlüssel zur Firma übernehmen, um die Lage zu stabilisieren und anschließend einen geordneten Verkaufsprozess zu starten. Die bisherigen Gesellschafter müssten ihre Anteile dann jedoch aufgeben und das Unternehmen entweder an einen Treuhänder übergeben oder einem sogenannten Debt-to-Equity-Swap zustimmen. Dabei tauschen die bestehenden Fremdkapitalgeber ihre Schulden in Eigenkapital – zumindest so viele, dass die übrigen wieder refinanziert werden könnten.
Da OQ Chemicals über institutionelle Kapitalmarktdarlehen und nicht über einen einzelnen Private Debt Fund finanziert ist, sitzen nicht eine, sondern mehrere Parteien am Tisch. Käufer von Kapitalmarktdarlehen sind in der Regel CLO-Investoren, von denen es bei OQ Chemicals nach Informationen der Börsen-Zeitung eine zweistellige Anzahl geben soll. Die größten sollen Golden Tree Asset Management, Invesco, CVC, Blackrock und PGIM sein. Sie könnten demnach die Führung eines potenziellen Investorenkonsortiums übernehmen.
Bisher sollen sich die großen Investoren auch noch nicht im großen Stil von ihren Krediten getrennt haben. Aktuell werden diese am Zweitmarkt zu 87 Cent je Euro gehandelt. Nach Ostern waren die Preise zunächst von 90 auf auf 70 Cent abgestürzt. Seitdem haben sich seitdem jedoch wieder erholt.
In Gnaden des omanischen Scheichs
Bei allen Szenarien wären OQ Chemicals und seine Berater aber auf die Zustimmung der Omanis angewiesen, denen die Firma schließlich immer noch gehört – sofern eine friedliche Lösung angestrebt wird. Sollte sich der Gesellschafter querstellen, könnten die übrigen Stakeholder auch versuchen, einen juristischen Weg einzuschlagen. Da dies jedoch mit hohen Kosten verbunden ist, dürfte den Parteien viel an einer gütlichen Einigung liegen.
Offen ist auch noch, wie sich die Banken mit dem ABS-Programm und vor allem der rund 100 Mill. Euro schweren Kreditlinie verhalten werden. Diese ist schon im Juli fällig und damit früher als die beiden Kapitalmarktdarlehen. Das Unternehmen selbst hält sich bislang noch bedeckt: „OQ Chemicals bewertet derzeit die Situation. Gespräche mit den Kreditgebern laufen bereits. Das operative Business bleibt von der aktuellen Situation unbeeinträchtigt. Eine gesamthafte Lösung ist im Interesse aller wichtigen Stakeholder“, teilt das Unternehmen vage mit.
Operatives Geschäft von OQ Chemicals läuft weiter
Bei aller Unsicherheit bezüglich der Schuldenrefinanzierung gibt es aber auch gute Nachrichten: Das operative Geschäft läuft aktuell anscheinend weiter. Sowohl die Lieferanten als auch die Warenkreditversicherer sollen sich demnach sehr konstruktiv verhalten, wie aus dem Unternehmensumfeld zu hören ist. Auch soll das operative Ergebnis weiterhin positiv sein.
S&P geht allerdings davon aus, dass der operative Free Cashflow in diesem Jahr negativ sein wird. Die Ratingagentur begründet dies mit den höheren Investitionsausgaben im texanischen Bay City. Die Investitionen sollen nach Informationen der Börsen-Zeitung jedoch bereits überwiegend im ersten Quartal erfolgt sein. Zudem belastet eine Betriebsstörung in Oberhausen laut Moody’s den Cashflow. Dabei war es auf dem Werksgelände von OQ Chemicals bei einem Rohstofflieferanten zu einer erheblichen Betriebsstörung gekommen.
In der zyklischen Chemiebranche sehen die beiden Ratingagenturen aber leichte Anzeichen einer Erholung – und das noch vor der zweiten Jahreshälfte. Dies dürfte das Ebitda von OQ Chemicals stützen. 2022 hatte das Unternehmen mit rund 1,9 Mrd. Euro noch einen Rekordumsatz gefeiert. Das Ebitda hingegen war seit dem Rekordjahr 2021 mit 343 Mill. Euro in den beiden Folgejahren rückläufig. Die energieintensive Chemiebranche leidet zudem besonders stark unter der Preisexplosion nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine. OQ Chemicals hatte darauf bereits reagiert und im Mai 2023 ein Kostensenkungsprogramm im zweistelligen Millionenbereich angekündigt, welches auch einen Stellenabbau von bis zu 10% beinhaltete.
Sprudelnde Gewinne bei omanischer OQ-Gruppe
OQ Chemicals (vormals Oxea) ist ein Spezialchemieunternehmen, das in über 60 Ländern 1.400 Mitarbeiter beschäftigt und Teil der OQ-Gruppe ist – eines Energieunternehmens, das in letzter Instanz dem omanischen Sultan gehört. Die Omanis hatten die Deutschen 2013 für kolportierte 1,8 Mrd. Euro von Advent übernommen. Abzüglich der Schulden dürfte der Kaufpreis damals bei rund einer halben Milliarde gelegen haben.
Der Verlust dürfte für die omanischen Gesellschafter zu verkraften sein, denn das Stammgeschäft läuft prächtig. Die OQ Group legte Anfang April ihre Geschäftszahlen für das Jahr 2023 vor. Der Umsatz betrug demnach 13,7 Mrd. omanische Rial (33,4 Mrd. Euro). Das Ebitda lag bei umgerechnet rund 4,8 Mrd. Euro und der Nettogewinn bei etwa 2,34 Mrd. Euro.
Kommentar: Existenzkrise bei OQ Chemicals war vermeidbar
Die existenzielle Schuldenkrise von OQ Chemicals wäre vermeidbar gewesen. Doch der omanische Gesellschafter verpasste frühzeitige Refinanzierungschancen und hinterlässt nun verbrannte Erde.