„Wir bringen das Silicon Valley nach Deutschland“
Im Gespräch: Dirk Besse
„Wir bringen das Silicon Valley nach Deutschland“
Deutscher Managing Partner der US-Kanzlei Morrison Foerster erwartet 2025 eine deutliche Zunahme des M&A-Geschäfts
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Das deutsche Büro von Morrison Foerster hat sich als Transaktionskanzlei etabliert und fokussiert sich auf grenzüberschreitende Übernahmen. Managing Partner Dirk Besse rechnet 2025 mit einem deutlich wachsenden M&A-Geschäft und wünscht sich bessere Rahmenbedingungen für Start-ups in Deutschland.
Vor gut zehn Jahren hat die US-Kanzlei Morrison Foerster in Berlin das erste Büro in Deutschland eröffnet. Zum Auftakt gingen 24 Anwälte an den Start. Die Einheit ist über die Zeit kräftig gewachsen: Unterdessen sind in der Niederlassung am Potsdamer Platz 114 Personen beschäftigt, darunter 51 Anwältinnen und Anwälte und 16 Partnerinnen und Partner.
„Morrison Foerster versteht sich als Transaktionskanzlei und sieht sich in der richtigen Größe, um die Pläne der US-Kanzlei in Deutschland umzusetzen“, erläutert der deutsche Managing Partner Dirk Besse im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Sozietät fokussiere sich überwiegend auf internationales Geschäft. „Wir haben ausreichend Kapazität, mehrere Transaktionen gleichzeitig zu begleiten – mit allem, was dazugehört“, sagt Besse, der auch die europäische M&A-Praxis von MoFo leitet.
Brückenbauer
„Wir verstehen uns als Brückenbauer und bringen das Silicon Valley nach Deutschland“, betont der Anwalt. Ein aktueller Deal ist die Beratung des US-Elektroautoherstellers Rivian im Joint Venture mit Volkswagen. „Eine sehr bemerkenswerte Transaktion, nicht nur wegen des großen Volumens. Es zeigt, dass das, was im Silicon Valley an Software entwickelt wird, von höchster Relevanz auch für die klassische deutsche Wirtschaft ist und diese auf neue Levels heben kann.“
„Das Team nimmt für sich in Anspruch, im deutschen Markt in höchster Exzellenz zu arbeiten. Sonst bekommt man nicht die besten Köpfe“, unterstreicht Besse. Die Größe in Deutschland sei überschaubar, man kenne sich persönlich und habe gleichzeitig die Unterstützung aus einem weltumspannenden Netzwerk, um zum Beispiel in Kalifornien für ein Mandat zu pitchen.
Standbein in Japan
Als weltweit präsente Kanzlei hat Morrison Foerster noch einen Schwerpunkt in Japan. Der Einstieg in Nippon liege 40 Jahre zurück und sei motiviert gewesen vom japanischen IT-Konzern Fujitsu. Das Unternehmen habe damals in den USA eine existenzbedrohende Auseinandersetzung über Patente ausgefochten. Fujitsu habe Morrison Foerster beauftragt, den Konzern in dem Fall in den USA zu vertreten. Bedingung für das Mandat sei gewesen, dass MoFo für dieses sehr große Projekt ein Büro in Tokio eröffne. „Daraus ist eine grandiose Erfolgsgeschichte geworden. Das Who‘s Who der japanischen Elektro- und Softwareindustrie zählt zu unseren Mandanten. Wir begleiten diese Konzerne gerne bei grenzüberschreitenden Transaktionen in Europa, China und USA“, sagt Besse.
Ein Mandat der Kanzlei mit deutscher Beteiligung aus Japan war 2022 die Übernahme des Lübecker 3D-Drucker-Herstellers SLM Solutions durch den Kamerahersteller Nikon.
Starke Litigation-Praxis
Neben dem Transaktionsschwerpunkt hat Morrison Foerster Besse zufolge global eine sehr starke Litigation-Praxis aufgebaut. Für ihn gehört beides eng zusammen, weil Streitigkeiten in schwierigen M&A-Phasen in der Regel zunehmen und Unternehmen auch in kritischen Compliance-Themen Unterstützung benötigten. So habe etwa ein Compliance-Team von MoFo den Aufsichtsrat von Mercedes-Benz in Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal begleitet.
In der strategischen Ausrichtung sei Morrison Foerster zudem global eine der stärksten Kanzleien im Bereich IP und Patente und deren Durchsetzung und Verteidigung. „Das könnte auch in Deutschland eine sinnvolle Ergänzung sein, wenn sich Möglichkeiten bieten“, signalisiert Besse.
Morrison Foerster auf Rekordkurs
In der Umsatzentwicklung sei die Kanzlei „auf Rekordkurs“ mit zuletzt 1,34 Mrd. Dollar Umsatz und global mehr als 1.000 Anwälten. „Diese Dynamik spüren wir in Deutschland auch“, sagt Besse, ohne Zahlen zu nennen. In Europa hat MoFo zudem Büros in Brüssel und London.
„Der liberale Welthandel hat global so viele Vorteile gebracht, er wird sich nicht stoppen lassen.“
Dirk Besse, Managing Partner der Kanzlei Morrison Foerster in Deutschland
Der Transaktionsexperte erwartet 2025 eine deutliche Zunahme des M&A-Geschäfts. „Viele Unternehmen werden Opportunitäten wahrnehmen“, ist er überzeugt. Einige Konzerne würden bestrebt sein, sich hinter die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Zollschranken zu begeben. Der Anwalt rechnet in dem Zusammenhang aber nicht mit einer Welle. „Es wird auch Unternehmen geben, die sich veranlasst sehen, ihre Präsenz in den USA zu reduzieren. Der liberale Welthandel hat global so viele Vorteile gebracht, er wird sich nicht stoppen lassen. Natürlich gibt es mal Widerstände von einzelnen Regierungen, aber das sind vorübergehende Phasen. Grundsätzlich hat der weltweite Austausch in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Daran wollen wir als Kanzlei mitwirken, damit können wir uns gut identifizieren“, fasst Besse das Szenario zusammen.
Investitionskontrolle in Fokus
Viele Länder haben die Investitionskontrolle verschärft, was das grenzüberschreitende Transaktionsgeschäft erschwert und komplexer macht. „Wir haben in der Kanzlei inzwischen vier Anwälte, die sich nur mit den Themen Sanktionen und Investitionskontrolle befassen. Sie beraten vor allem globale Player dabei, wie sie grenzüberschreitende Transaktionen strukturieren können“, sagt Besse. Der globale Leiter der Praxis National Security, John Smith, habe seinen Sitz ins deutsche Büro in Berlin verlegt, weil er Europa „mit Blick auf Transaktionen für einen sehr interessanten Markt hält, der sich weiterentwickeln wird“. Die Teams arbeiteten in dem Thema global zusammen, denn grenzüberschreitende Transaktionen müssen in der Regel durch zahlreiche Wettbewerbsbehörden. „Es ist ein spürbarer Trend, dass Investitionen aus dem Ausland in vielen Ländern nicht mehr uneingeschränkt willkommen sind und eng kontrolliert werden. Die USA gehen ja schon den nächsten Schritt und kontrollieren auch aus dem Land herausgehende Transaktionen“, erläutert Besse.
„Deutschland wird auf längere Sicht zu seiner Attraktivität zurückfinden.“
Dirk Besse, Kanzlei Morrison Foerster
Im laufenden Jahr hätten Investoren aufgrund der schwierigen konjunkturellen Situation in Deutschland mit Transaktionen abgewartet oder länger verhandelt. Doch Besse zeigt sich zuversichtlich: „Den Standort Deutschland halte ich nach wie vor für attraktiv. Das begründet sich in der Lage innerhalb der begehrten Europäischen Union. Deutschland wird auf längere Sicht zu seiner Attraktivität zurückfinden.“
Biotop für Start-ups
Der Anwalt warnt vor einem Abwandern innovativer Firmen. „Die Start-up- und Technologieszene hat ein starkes Faible für die USA entwickelt. Im Biotech-Sektor zum Beispiel würden Start-ups zunehmend in der amerikanischen Rechtsform gegründet, um sich für amerikanische Geldgeber zu öffnen. „Hier lassen Deutschland und Europa Chancen verstreichen, das müsste nicht sein“, meint er.
„Man muss den jungen Unternehmen ein Biotop schaffen, in dem sie sich entwickeln können. Man braucht tausende Wachstumsfirmen, dann entstehen die Leuchttürme von allein“, sagt Besse und ergänzt: „Dann wandert nicht alles gleich in die USA und wird von den Magnificent 7 gekauft. Sie beobachten ganz genau, welche spannenden Software-Entwicklungen in der Welt passieren und kaufen über sogenannte Acqui-hire gezielt die Mitarbeiter.“