Essenslieferungen

Wolt-Preis war Delivery Hero zu hoch

Der Essenslieferdienst Delivery Hero hebt den Jahresausblick für Umsatz und Bruttowarenwert leicht an. Eine Übernahme des Wettbewerbers Wolt habe man geprüft, aber aufgrund des ungewöhnlich hohen Preises keine Offerte gemacht.

Wolt-Preis war Delivery Hero zu hoch

hek Frankfurt

Der Essenslieferdienst Delivery Hero hat im dritten Quartal die Segmentumsätze um 89% auf 1,79 Mrd. Euro ausgeweitet. Etwas langsamer legte der Bruttowarenwert (GMV) mit 65% auf 9,56 Mrd. Euro zu. Im Vergleich zum Vorquartal sei das über die Plattform abgewickelte Volumen um 14% ge­stiegen, teilt das in Berlin ansässige Unternehmen mit. Die Wiedereröffnung vieler Restaurants hat das Wachstumstempo zwar gebremst, doch für CEO und Mitgründer Niklas Östberg gibt es „nicht viel zu meckern“. Delivery Hero wachse deutlich schneller als börsennotierte Wettbewerber.

Für die US-Bank J.P. Morgan zeigen die Resultate, dass die Wachstumsstory auch nach Lockdown-Ende intakt sei. Offen bleibt allerdings, mit welchen Verlusten die forsche Expansion einhergeht. Ertragszahlen veröffentlicht Delivery Hero nur halbjährlich. Der Konzern investiert derzeit hunderte Millionen Euro in den Aufbau der Q-Commerce-Schiene, also die schnelle Auslieferung von Fertigwaren wie Lebensmittel und Medikamente. Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern weiterhin in adjustierter Rechnung Verluste vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von 2% des GMV. Den Bruttowarenwert siedelt das Management nun am oberen Ende der bisherigen Spanne von 33 Mrd. bis 35 Mrd. Euro an, so dass der operative Verlust im Bereich von 700 Mill. Euro anzusiedeln ist. Darin enthalten sind 550 Mill. Euro Aufwand vorwiegend für den Aufbau kleiner Lagerhäuser und den Eintritt in neue Länder wie Japan und Deutschland. Auch den Umsatzausblick zieht das 2011 gegründete Unternehmen, das in rund 50 Ländern tätig ist, an das obere Ende der bisherigen Spanne von 6,4 Mrd. bis 6,7 Mrd. Euro.

Keine größeren Folgen

Den Preis von 7 Mrd. Euro für den finnischen Konkurrenten Wolt be­zeichnet Östberg als „faszinierend“. Er sei außergewöhnlich hoch. Man habe einen Erwerb geprüft, doch seien die Preiserwartungen höher ge­wesen als das, was man habe rechtfertigen können. Daher habe das Management keine Offerte gemacht. Der US-Konzern Doordash, der Wolt nun schluckt, habe deutlich mehr Spielraum, Konkurrenten mit eigenen Aktien zu kaufen. Die Amerikaner bringen an der Börse nämlich 73 Mrd. Dollar auf die Waage, mehr als das Doppelte von Delivery Hero.

Die Übernahme beschert der bisher kaum außerhalb Nordamerikas vertretenen Doordash auf einen Schlag eine breite Präsenz in Europa. Von daher ist der strategische Wert für den US-Konzern höher als für Delivery Hero. Den Wettbewerb in Europa wird der Deal nach verbreiteter Einschätzung anheizen, wenngleich sich Östberg gelassen zeigt und keinen größeren Einfluss auf das eigene Unternehmen erwartet. Denn das Europa-Geschäft von Delivery Hero ist vergleichsweise klein, die Schwerpunkte bilden die arabischen Länder und Asien. Für Konkurrenten mit stärkerem Europa-Fokus wie Just Eat Takeaway dürften die Auswirkungen folglich größer sein.

Für das kommende Jahr stellt Östberg­ Verbesserungen bei der Deckungsbeitrags- und der adjustierten Ebitda-Marge in Aussicht, ohne sich näher festzulegen. Die größten Investitionen habe man nun hinter sich, wenngleich der Q-Commerce-Aufbau weiter erhebliche Mittel erfordert. Der mehrheitliche Teil des Geschäfts sei bereits profitabel, betont Östberg. In Südkorea, wo Delivery Hero den Konkurrenten Woowa übernommen und im Gegenzug die eigene Tochter verkauft hat, sei das adjustierte Ebitda in den ersten neun Monaten auf 165 Mill. Euro verdoppelt worden. Als langfristiges Ziel hat der Konzern eine Marge zwischen 5 und 8% des GMV ausgegeben. Dieses Niveau solle spätestens in zehn Jahren erreicht werden, sagt Östberg jetzt.

Beim Aufbau der Q-Commerce-Lager ist Delivery Hero inzwischen bei 861 sogenannten Dmarts angekommen. Im dritten Jahresviertel kamen 174 Lagerhäuser hinzu, im Vorquartal waren es 84. In diesem Geschäft, in dem sich auch Wettbewerber wie Gorillas und Flink tummeln, gehört Delivery Hero nach eigenen Angaben zu den Größten weltweit.

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