RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: ALEXANDER BISSELS

"Zeitarbeit wird sich voraussichtlich verteuern"

Gesetzentwurf zur Leiharbeit setzt neue Vergütungsmaßstäbe

"Zeitarbeit wird sich voraussichtlich verteuern"

– Herr Dr. Bissels, was sind die wichtigsten Neuregelungen im Gesetzentwurf zur Zeitarbeit?Wesentlich ist, dass es zukünftig eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten geben soll, die durch einen Tarifvertrag der jeweiligen Einsatzbranche nach oben, aber auch nach unten angepasst werden kann. Nicht tarifgebundene Unternehmen sollen diese Abweichungen durch eine Betriebsvereinbarung übernehmen können. Sollte in dem Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthalten sein, können die Betriebspartner durch eine Betriebsvereinbarung eine von der gesetzlich vorgesehenen Höchstüberlassungsdauer abweichende Frist vorsehen; diese ist bei nicht tarifgebundenen Unternehmen auf maximal 24 Monate beschränkt, wenn in dem Tarifvertrag selbst keine Begrenzung der Höchstüberlassungsdauer vorgesehen ist. Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind und die über keinen Betriebsrat verfügen, sind an die 18 Monate gebunden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch an den Regelungen ist, dass die Tarifpartner der Zeitarbeitsbranche selbst keine Tarifverträge abschließen können, durch die von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer abgewichen werden kann.- Zudem ist die Bezahlung neu geregelt?Es ist ein zwingender Anspruch auf Equal Pay des Zeitarbeitnehmers ab dem neunten Monat des Einsatzes beim Kunden vorgesehen. Bis zu diesem Zeitpunkt kann durch einen Tarifvertrag der Zeitarbeit oder eine arbeitsvertragliche Bezugnahme darauf – wie bisher – davon abgewichen werden. Die Geltung von Equal Pay nach neun Monaten soll bei Anwendung eines Tarifvertrags der Zeitarbeit darüber hinausgehend abbedungen werden können, der nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen zu einer stufenweisen Annäherung des dem Zeitarbeitnehmer gezahlten Entgelts an die Vergütung der im Kundenbetrieb beschäftigten Stammmitarbeiter führt und nach einer Einsatzzeit von spätestens 15 Monaten eine “gleichwertige Vergütung” erreicht. Dabei haben die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit einen Ermessensspielraum: “Gleichwertig” meint nicht zwingend “gleich hoch”. Dies bedeutet, dass durch einen solchen Tarifvertrag eine gleiche Vergütung unterschritten werden kann, ohne gegen den Equal-Pay-Grundsatz zu verstoßen.- Was ist sonst relevant?Zeitarbeitnehmer sollen künftig grundsätzlich nicht mehr als Streikbrecher beim Kunden eingesetzt werden können. Darüber hinaus sollen sie bei den maßgeblichen Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes im Einsatzbetrieb mitgezählt werden, zum Beispiel bei der Größe des Betriebsrates. Dies soll auch für die Unternehmensmitbestimmung gelten, wenn die Gesamtdauer der Überlassung sechs Monate übersteigt. Insbesondere die letztgenannte Änderung ist zu kritisieren, geht diese doch über die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung hinaus.- Wie weit geht der Anspruch auf gleichen Lohn? Sind Zuschläge eingeschlossen?Der Referentenentwurf enthält keine Definition dafür, welche Entgeltbestandteile vom Equal-Pay-Anspruch erfasst sind. Dies dürfte die Praxis vor erhebliche Herausforderungen stellen, verlässlich festzustellen, wann der Equal-Pay-Anspruch des Zeitarbeitnehmers überhaupt erfüllt ist oder werden kann. Nach bisheriger Lesart wird Equal Pay weit definiert. Darunter fällt die gesamte steuerpflichtige Vergütung, insbesondere Grundentgelt, Provisionen, Gratifikationen, Zuschläge für Überstunden, Nachtarbeit et cetera und nach der gesetzgeberischen Vorstellung auch Sachbezüge, für die ein Wertausgleich geleistet werden kann.- Firmen scheuen oft vor der Übernahme eines Zeitarbeitnehmers zurück, weil eine hohe Provision an den Personaldienstleister fällig wird. Ändert sich das?Zeitarbeit wird sich voraussichtlich verteuern. Dies gilt zumindest ab dem Zeitpunkt der zwingenden Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes. Die Personaldienstleister werden die damit verbundenen Mehrkosten nicht allein schultern wollen oder können, sondern versuchen, diese – zumindest teilweise – auf die Kunden abzuwälzen. Schlussendlich liegt die Entscheidung bei den Unternehmen, ob sie die erhöhten Verrechnungssätze für die flexible Überlassung eines Zeitarbeitnehmers in Kauf nehmen, oder ob sie diesen – gegen Zahlung einer einmaligen Vermittlungsprovision – übernehmen.—-Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.