Zombie-Firmen breiten sich in Europas Mittelstand aus
cru Frankfurt – Europas Mittelständler sind nach dem Coronaschock hoch verschuldet, teilweise kaum noch profitabel und unterkapitalisiert. Das ist das Ergebnis einer noch nicht veröffentlichten Studie des weltweit größten Kreditversicherers Euler Hermes. Der Datenanalyse zufolge geht insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen in Frankreich und Italien die Covid-19-Pandemie an die Substanz. Der deutsche Mittelstand ist im Vergleich zu den europäischen Pendants bisher relativ gut durch die Krise gekommen. Dennoch nimmt auch hierzulande die Zahl der sogenannten Zombie-Firmen zu – das sind Unternehmen, deren operativer Gewinn nicht ausreicht, um die Schuldzinsen zu bezahlen. Bereits vor der Krise gab es laut Euler Hermes 20 % “Zombies” unter den italienischen Mittelständlern, in Frankreich 11 % und in Deutschland 10 %. Vor allem Mittelständlern in Frankreich und Italien fehlen Finanzmittel von rund 100 Mrd. Euro – trotz der umfangreichen Konjunkturpakete und nach Ausschluss von sogenannten “Zombie”-Unternehmen. Auch in Deutschland fehlen den kleineren Unternehmen rund 3 Mrd. Euro an Finanzmitteln zu einer ausreichenden Rekapitalisierung. Angesichts der fehlenden 70 Mrd. Euro in Italien und etwa 29 Mrd. Euro in Frankreich stehen die hiesigen Mittelständler allerdings weitaus besser da. Zahlungsfähigkeit in Gefahr”Europäische Mittelständler weisen eine sehr hohe Verschuldung auf, eine erheblich verschlechterte Profitabilität und eine nicht ausreichende Kapitalisierung”, sagt Euler-Hermes-Deutschlandchef Ron van het Hof. “Das ist mittelfristig eine denkbar schlechte Kombination für die Zahlungsfähigkeit dieser Unternehmen. Insbesondere in Italien und Frankreich spitzt sich die Lage durch Covid-19 zunehmend zu, auch wenn die zahlreichen Konjunkturpakete zumindest eine kurzfristige Liquiditätskrise vermieden haben.”In Deutschland gab es 2020 bisher nur wenige größere Insolvenzen – darunter Galeria Karstadt Kaufhof, Wirecard und Esprit. Eine Welle blieb aus, weil von März bis Ende September die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt war und für überschuldete Unternehmen auch noch bis Ende 2020 ausgesetzt bleibt.Zwar ist auch hierzulande die Verschuldung durch zahlreiche Liquiditätsmaßnahmen gestiegen. Insbesondere in Frankreich aber ist sie im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mit 81 % des BIP fast doppelt so hoch wie in Deutschland mit 43 %. In Italien ist die Verschuldung mit 65 % des BIP ebenfalls sehr hoch im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 63 %. “Französische Mittelständler sind in Europa zudem in puncto Profitabilität inzwischen Schlusslicht, noch hinter Italien”, sagt Ana Boata, Leiterin der Abteilung für Makroökonomie bei Euler Hermes. “Die Profitabilität französischer Mittelständler ist seit Jahresbeginn um 7 Prozentpunkte drastisch gesunken im Vergleich zu einem Rückgang um nur 0,6 Prozentpunkte in Deutschland. In Italien dürfte die Profitabilität nach unseren Schätzungen ebenfalls um bis zu 3 Prozentpunkte gesunken sein.”Die Eigenkapitalquote sei in Italien mit 33 % die niedrigste und damit deutlich unterhalb der 40 %, die in der Regel als adäquat gelten. In Italien bestehe demnach der größte Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln für eine Rekapitalisierung. In Frankreich liegt die Eigenkapitalquote der KMU bei 37 %, in Deutschland mit 39 % nur knapp unterhalb der empfohlenen Kapitalausstattung.Bei der Analyse hat Euler Hermes “Zombie”-Unternehmen bereits herausgerechnet, also Unternehmen, die schon vor der Covid-19-Pandemie nicht überlebensfähig waren. “Ein Großteil der Mittelständler erweist sich auch in der aktuellen Krise als sehr robust, insbesondere in Deutschland, sagt van het Hof. “Diese Tatsache darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihrem Schatten in Europa zahlreiche Zombie-Unternehmen gibt – auch schon vor der Covid-19-Pandemie.” In Italien 20 Prozent ZombiesIn Italien etwa sei schon vor der Krise rund ein Fünftel der Mittelständler wirtschaftlich nicht mehr lebensfähig gewesen, in Frankreich und Deutschland seien es mit jeweils gut 10 % nur etwa halb so viele. Allerdings dürfte sich die Anzahl mit der Krise sprunghaft erhöht haben, ebenso wie der Finanzierungsbedarf. Besonders eng werde es für die Unternehmen und Branchen, die vor der Krise kaum Puffer hatten.In Deutschland war die Eigenkapitalquote vor der Pandemie in der Transportbranche besonders niedrig: In der Schifffahrt lag sie bei rund 32 %, in der Luftfahrt bei 29 %. Mit Covid-19 hat sich die bestehende Finanzierungslücke nochmals vergrößert. In Frankreich und Italien hatten Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe sowie im Maschinenbau und Handel besonders schlechte Ausgangspositionen und haben daher jetzt den größten Kapitalbedarf.