Zu Tisch mit Luka Mucic und Dominik Asam
Den SAP-Komplex im baden-württembergischen Walldorf eine Zentrale zu nennen, wäre untertrieben. Es ist fast schon eine eigene kleine Stadt, mit Gästehaus, Kindertagesstätte, Fitnesstudio. In einem der Gebäude räumt in diesen Tagen Luka Mucic nach 27 Jahren im Unternehmen seinen Schreibtisch, nur noch bis Ende März ist er bei SAP. Nachfolger Dominik Asam nennt die Gelegenheit, seinen Vorgänger noch für eine mehrwöchige Übergabe in Anspruch nehmen zu können, einen „Segen“, in vorherigen Stationen bei Infineon und Airbus war ihm ein solcher Luxus nicht vergönnt.
Für Asam ist es erst die zweite Woche im neuen Job, den Mitarbeiterausweis trägt er an einem mit farbigem SAP-Logo bedruckten Bändchen gut sichtbar unter dem Sakko. Er kam in einer intensiven Zeit an Bord, die ersten Arbeitstage und gleich auch das Wochenende standen im Zeichen des Qualtrics-Verkaufs an Silver Lake. Erst Ende Januar hatte SAP die Exit-Pläne für seinen Mehrheitsanteil öffentlich gemacht. „Schon am nächsten Tag lagen die ersten Interessensbekundungen vor“, sagt Mucic. Drei bis vier ernsthafte Bieter hätten sich herauskristallisiert, letztlich einigte sich SAP mit Silver Lake auf exklusive Verhandlungen. Der Investor war bereits mit einem kleinen Anteil bei Qualtrics investiert. Entsprechend zügig konnte er die Due Diligence absolvieren. Ein weiterer Vorteil: Es gab keine kartellrechtlich bedenklichen Überschneidungen mit anderen Portfoliounternehmen. Binnen weniger Wochen kam die Transaktion unter Dach und Fach. Mucic erweckt den Eindruck, als sei dies auch für ihn ein schöner Ausklang. Ihm sei es „etwas Wert“, die Transaktion noch zum Abschluss gebracht zu haben, sagt er.
SAP steht vor Veränderungen
Für SAP und seinen neuen CFO wird das in der Mittelfristplanung Veränderungen bringen: Im nächsten Quartalsbericht wird Qualtrics als „nicht fortgeführte“ Aktivität betrachtet werden, im zweiten Halbjahr soll der Verkauf abgeschlossen sein. Der Umsatzbeitrag der bis dato voll konsolidierten Tochter zum Cloud-Umsatz der SAP wird damit wegfallen. Im Gegenzug fließen SAP durch den Verkauf der Mehrheitsanteile rund 7,7 Mrd. Dollar zu. Was die Walldorfer damit vorhaben? Asams Antwort lässt noch alle Optionen offen. Das „bestmögliche Investment“ gelte es zu finden, wobei organisches Wachstum im Fokus stehe.
Wie viel Mucic und wie viel Asam werden denn in der Mittelfristplanung stecken? Sein Beitrag war es, durch die Transformation der zurückliegenden Jahre den Anteil der planbaren Umsätze gesteigert zu haben, sagt Mucic. Es werde sicherlich Input beider Manager sowie auch weiterer Vorstände geben, meint Asam, bei dem in einigen Äußerungen klassische CFO-Tugenden durchblitzen. Der Blick in die Zahlen und die Messung der Performance seien aus seiner Sicht „wie Zähneputzen, das muss jeden Tag sein“, findet er. Ansonsten hält er sich mit strategischen Details erwartungsgemäß noch zurück. Er will sich erst einmal einen Überblick verschaffen und gibt zu bedenken: „Mit Luka geht ja nicht der gesamte Vorstand.“ Die Mittelfristplanung werde jedenfalls wohl erst einmal bei einem Zeithorizont bis 2025 bleiben. Ein persönliches Ziel hat Asam für die nächste Zeit auch schon mitgegeben bekommen: „Vor einigen Jahren habe ich meinem Sohn eine SAP-Aktie geschenkt“, berichtet er. Kurz darauf verkündete SAP die strategische Neuausrichtung auf die Cloud, der Aktienkurs geriet unter Druck. Seitdem liegt das Investment hinten. Sein Sohn würde mit dem Papier gerne wieder am Einstiegskurs vorbeiziehen.
CFOs planen langfristig
Während Asam an Mittelfristzielen feilen wird, stehen für Luka Mucic in den nächsten Monaten erst einmal Familienprojekte an, darunter eine Weltreise, die er seiner Tochter versprochen hat. Die Suche nach einer neuen Beschäftigung habe er bislang nicht an oberste Priorität gerückt, sagt er. „Nach 27 Jahren im Unternehmen wollte ich erst einmal etwas Abstand gewinnen.“ Einige Optionen konkretisierten sich aber so langsam. Er kann sich vorstellen, der Industrie treu zu bleiben, womöglich im Ausland zu arbeiten. „Ich bin schließlich mit 51 Jahren durchaus noch mittelfristig einsetzbar.“ Für mindestens zehn Jahre will er noch aktiv sein.
Und auch Nachfolger Asam plant offenbar langfristig: Der 54-Jährige kann sich vorstellen, bei den Walldorfern in Rente zu gehen. Auch bei Airbus habe er sehr gern gearbeitet, sagt aber über die Wechseloption zu SAP: „Solche Gelegenheiten gibt es nur einmal im Leben.“ Seinen Erstwohnsitz behält Asam allerdings in München, nach Walldorf wird er pendeln. Seine Freizeit verbringt er am liebsten in den Bergen, gern auch auf Skiern.
Halloween im SAP-Vorstand
Der neue Branchenfokus interessiert Asam auch persönlich: Eine Affinität zu Technologiethemen habe er schon seit seiner Jugend, berichtet er. Mit 16 hat er einen Code programmiert, mit dessen Hilfe Druckvorgänge schneller ausgeführt werden konnten, erzählt er nicht ohne Stolz. Den Code verkaufte er an eine Fachzeitschrift, die Programmierarbeit brachte ihm 200 DM ein. Dass er nun in einem Unternehmen arbeitet, dessen Produkte auch direkt im CFO-Bereich verankert sind, ist für ihn eine der großen Veränderungen. Mucic lacht: „Der CFO ist hier immer auch oberster Vertriebschef.“
Auch wenn er die Industrie gewechselt hat, verspürt Asam nach den ersten Tagen noch keinen Kulturschock, wie er versichert. Der könne allerdings durchaus noch kommen, warnt Vorgänger Mucic – nämlich an Halloween. Die Feier dieses Brauchs hat Chief Marketing und Solutions Officer Julia White, eine US-Amerikanerin, bei den Walldorfern eingeführt. Sie ist es Mucic zufolge auch, die sich um die Kostüme für ihre Vorstandskollegen kümmert. Der Finanzchef war in den vergangenen Jahren schon als Graf Zahl und als Dagobert Duck gewandet. Sollte Asam sich auf sein erstes SAP-Kostüm freuen, dann sieht man es ihm in diesem Moment zumindest nicht an.