RECHT UND KAPITALMARKT

Zündende Idee oder Rohrkrepierer?

Kapitalmarktunion stellt neue Anforderungen an Banken und Unternehmen - Verbriefungen und Infrastrukturfinanzierung im Fokus

Zündende Idee oder Rohrkrepierer?

Von Christian Storck *)Die EU-Kommission hat vor kurzem ihren Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion veröffentlicht. Dieser sieht verschiedene Maßnahmen vor, die auf Erschließung des Kapitals, Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln für Unternehmen, Mobilisierung des Kapitals für Investitionsprojekte sowie auf eine Ausweitung und Diversifizierung der Investitionsmöglichkeiten für Investoren abzielen.So hat die EU-Kommission für die Stärkung des Verbriefungsmarktes sowie die Förderung von Infrastrukturinvestitionen bereits konkrete Gesetzgebungsvorschläge vorgelegt. Diese werden aktuell in den europäischen Gremien diskutiert. Eine Einigung wird noch vor Weihnachten erwartet. Zudem plant die EU-Kommission in der anlaufenden Woche erste Vorschläge zur Änderung des Prospektrechts vorzulegen, um insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Darüber hinaus hat sie zwei öffentliche Konsultationen zu Risikokapitalfonds und zu gedeckten Schuldverschreibungen eingeleitet sowie mit einer Sondierung zum europäischen Rechtsrahmen für Finanzdienstleistungen begonnen. Hoher AufwandFür die adressierten Parteien – Banken, Versicherungen, Investoren und Unternehmen – werden das Verfolgen der Vorschläge und die Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsplans erhebliche Ressourcen in Anspruch nehmen. Ist dieser Aufwand gerechtfertigt? Eines der Ziele, das die EU-Kommission mit dem Aktionsplan verfolgt, ist, den in der Finanzmarktkrise stark eingebrochenen Verbriefungsmarkt wieder zu beleben. Der Bereich der europäischen Verbriefungen hat sich seit der Finanzkrise nicht wieder erholt, obwohl die Ausfallraten in Europa deutlich geringer ausfielen als in den USA. Verbriefungen von mit Grundpfandrechten besicherten Darlehen mit höchstem Rating fielen in den USA zu etwa 3 % (Prime) bzw. 16 % (Subprime) aus, während in Europa die Ausfallquote bei 0,1 % lag. Dennoch lässt sich festhalten, dass der US-Verbriefungsmarkt im Gegensatz zu dem europäischen in vollem Umfang wieder zurückgekehrt ist. Hier will die EU-Kommission nun gleichziehen. VertrauensaufbauMit zwei konkreten Legislativvorschlägen will die Kommission zur Entwicklung eines einfachen, transparenten und standardisierten Verbriefungsmarktes (simple – transparent – standardised STS) beitragen. Das primäre Ziel ist es, das Vertrauen in Verbriefungen zu stärken, indem man einfache, transparente und standardisierte Produkte von undurchsichtigen und komplexen Produkten abgrenzt. Regelungsgehalt ist die Verbriefungsstruktur, nicht aber das Kreditrisiko der verbrieften Kredite, sprich die Bonität der zugrundeliegenden Vermögenswerte.Es werden konkrete Kriterien aufgeführt, die das Prädikat STS ausmachen sollen. Zum Beispiel soll eine STS-Verbriefung durch einen Pool von homogenen Risikopositionen (Wohnimmobiliendarlehen, gewerblichen Krediten, Leasinggeschäften usw.) unterlegt werden. Die sich aus der Verbriefung ergebenden Zins- und Währungsrisiken sollen gemindert werden. Originatoren, Sponsoren und Verbriefungsgesellschaften sollen gemeinsam für die Erfüllung der STS-Kriterien verantwortlich sein. Das vor der Finanzkrise übliche Modell “originate-to-distribute” soll dabei verhindert werden. Hierbei wurden Risikopositionen allein zu dem Zweck geschaffen, diese an Dritte zu verkaufen. Dies führte dazu, dass Kreditgeber bei der Darlehensvergabe nicht die gebotene Sorgfalt walten ließen. Nun sollen die zu verbriefenden Risikopositionen im ordentlichen Geschäftsgang des Kreditgebers gemäß solchen Standards begründet werden, die nicht weniger streng sein dürfen als die Standards, die für nicht verbriefte Risikopositionen gelten. Nach dem Vorschlag soll der Kreditgeber einen materiellen Nettoanteil von 5 % einbehalten.Den institutionellen Anlegern werden einheitliche Sorgfaltspflichten (“Due Diligence”) auferlegt, unter anderem alle strukturellen Merkmale der Verbriefung und die Erfüllung der STS-Anforderungen zu prüfen. Die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten erfolgt im Interesse der Endanleger und soll gewährleisten, dass die institutionellen Anleger die mit der Verbriefung verbundenen Risiken korrekt bewerten.Die Risikobewertung obliegt weiterhin den Investoren, da die STS-Anforderungen keine Aussage über das mit einer Verbriefung verbundene Kreditrisiko treffen. Hierbei hat der Kreditgeber eine Verpflichtung zur Berichterstattung. Ziel ist, dass Investoren in transparenter Weise Informationen über die zu verbriefenden Vermögensgegenstände erhalten, um nicht allein auf externe Ratings vertrauen zu müssen.Sicher sind sämtliche Vorschläge zu begrüßen, um das Vertrauen in den Verbriefungsmarkt zu stärken. Allerdings hat bisher das eigentlich stärkste Argument, nämlich die geringen Ausfallraten bei europäischen Verbriefungen, nicht zu einem stärkeren Vertrauen in den Verbriefungsmarkt geführt. Gerade im deutschen Verbriefungsmarkt gibt es bereits mit der TSI (True Sale International) eine Plattform, die bereits seit 2007 den STS-Kriterien vergleichbare Standards entwickelt hat. Daher wird man für den deutschen Verbriefungsmarkt nicht zwingend von einer Revolution und einer neuen Ära im Verbriefungsmarkt sprechen können. Zu beachten bleibt im Wust der Maßnahmenpakete die Änderung der CRR, wonach die bisherige nachteilige Behandlung von Verbriefungen für die STS-Verbriefungen beseitigt werden soll. Dies ist sicher ein richtiger und zwingender Schritt.Neben den konkreten Vorschlägen im Verbriefungsmarkt wurden auch im Bereich von Infrastrukturfinanzierungen konkrete Maßnahmen durch die EU-Kommission vorgeschlagen. Die Novelle zu Solvency II soll das zu unterlegende Risikokapital für Versicherungen für Investitionen in Infrastrukturprojekte reduzieren. Die EU-Kommission hat erkannt, dass auf der einen Seite ein hoher Kapitalbedarf im Bereich der Infrastrukturfinanzierungen besteht, auf der anderen Seite aber die Kapitalunterlegungsvorschriften in der Solvency II nachteilig bzw. prohibitiv ausgestaltet sind. Daher hielten sich Versicherungsunternehmen bei Infrastrukturprojekten bisher weitgehend zurück. Durch die Einführung einer neuen Anlageklasse und die Reduktion des Stressfaktors auf nicht börsengehandelte Eigenkapitalinvestitionen in Infrastruktur von 49 % auf 30 % werden hier positive Anreize geschaffen. Zudem unterliegen Investitionen in europäischen langfristigen Investmentfonds (ELTIFS) nun den gleichen Kapitalregeln wie an regulierten Börsen gehandelte Aktien und werden damit europäischen Risikokapitalfonds und europäischen Fonds für soziales Unternehmertum gleichgestellt.Durch diese Maßnahmen werden bisher bestehende negative Anreize zu großem Teil beseitigt, und Versicherungsunternehmen stehen als institutionelle Investoren für Infrastrukturprojekte verstärkt zur Verfügung. Die Maßnahmen waren überfällig und sollten im Bereich der Infrastrukturfinanzierungen zu einem entsprechenden Aufbruch führen. Es bleibt allein zu fragen, warum sie erst jetzt ergriffen werden. Anpassung im ProspektrechtDie ersten konkreten Vorschläge zur Änderung des Prospektrechts sollen in der anlaufenden Woche veröffentlicht werden. Nach den tiefgreifenden Änderungen im Jahr 2013 ist zu erwarten, dass lediglich geringfügige Anpassungen erfolgen werden. Mit Blick auf KMU wird es wohl Erleichterungen bei der Erstellung von Prospekten geben. Auch soll der Markt für Schuldverschreibungen von Unternehmen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden und die Prospektausnahme für 100 000 Euro Mindeststückelung fallen. Für Daueremittenten wird es Erleichterungen bei der Darstellung von Finanzinformationen geben.Schließlich ist zu hoffen, dass eine Feinabstimmung zwischen Prospektzusammenfassung und Basisinformationsblatt erfolgt. Nach dem doch aufwendigen Konsultationsverfahren ist in diesem Bereich eher von einem Revolutionchen auszugehen. Dies ist sicher keine schlechte Nachricht für die Beteiligten bei all der Regulierung im Finanzbereich.—-*) Dr. Christian Storck ist Rechtsanwalt, Solicitor und Partner im Kapitalmarktrecht bei Linklaters.