BRANCHEN IM KLIMAWANDEL

Zwischen Flugscham und Steuerlast

Airlines geraten in der Klimadebatte zunehmend unter Druck - Corsia und regenerative Kraftstoffe

Zwischen Flugscham und Steuerlast

Von Lisa Schmelzer, FrankfurtBei der Lufthansa bekommen die Themen Umwelt und Klima im neuen Jahr mehr Gewicht. Denn zum Jahreswechsel wird der Vorstand von sechs auf sieben Mitglieder ausgeweitet, ergänzt wird das Ressort “Customer & Corporate Responsibility”. Dieses wird die bisherige Chefin der Tochter Brussels Airlines, Christina Foerster, innehaben und erstmalige werde dann “die Verantwortung für Umwelt, Klima und Gesellschaft auf Vorstandsebene abgebildet”, teilte die Fluglinie mit.Die Airline-Branche steht zunehmend unter Druck, seit die Klimadebatte sich mehr und mehr verschärft hat. Umweltschützer wie die schwedische Aktivistin Greta Thunberg arbeiten sich an der Industrie ab, auch wenn der Flugverkehr nur für knapp 3 % der weltweiten CO2-Emissionen steht. Der Begriff “Flugscham” macht die Runde und es sorgte für große Aufmerksamkeit, dass Thunberg lieber wochenlang auf einem Schiff den Atlantik überquerte, als in ein Flugzeug zu steigen. Scandinavian Airlines (SAS) bekam in Thunbergs Heimat Schweden bereits die Folgen der “Flugscham” zu spüren, in den ersten Monaten 2019 ging der Ticketverkauf um 5 % zurück. “Unternehmen verändern ihre Reisepolitik und schicken die Mitarbeiter mehr mit dem Zug auf Reisen”, beobachtet SAS-CEO Rickard Gustafson. Noch ist diese Entwicklung nicht nach Resteuropa geschwappt, dennoch verspüren vor allem Europas Fluglinien Handlungsdruck.Dabei fühlte man sich in der Branche noch vor einigen Monaten gut aufgestellt. Bereits im Oktober 2016 war ein globales CO2-Kompensationssystem für den Luftverkehr (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation, Corsia) auf den Weg gebracht worden, damit ist die Branche weltweit der erste und bislang einzige Industriesektor mit einem eigenen Klimaschutzinstrument. Innereuropäische und innerdeutsche Flüge sind in den europäischen Emissionshandel einbezogen, zudem investieren Fluglinien Jahr für Jahr Milliarden in treibstoffeffizientere Flugzeuge. Die CO2-Emissionen pro Passagier sind seit 1990 um 44 % gesunken.Doch nun verfestigt sich bei den Verantwortlichen der Airlines der Eindruck, dass noch deutlich mehr unternommen werden muss. Im Fokus ist dabei regenerativer Treibstoff, den es zwar bereits gibt, der aber noch nicht in größerem Umfang verfügbar ist. “Das langfristige Ziel, die CO2-Emissionen der Luftfahrt auf null zu senken, ist aber nur erreichbar, wenn das fossile Kerosin durch regenerative Kraftstoffe ersetzt wird”, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Bislang kosten allerdings diese Kraftstoffe ein Vielfaches mehr als herkömmliches Flugbenzin. Schon heute machen die Kosten für Treibstoff rund ein Viertel der Betriebskosten einer Airline aus.In diesem Zusammenhang hatten die deutschen Fluggesellschaften gehofft, dass die Bundesregierung die Einnahmen aus der – erhöhten – Luftverkehrssteuer künftig zugunsten der Produktion und der Markteinführung umweltfreundlicher Kraftstoffe verwendet. Entsprechende Zusagen soll es gegeben haben, am Ende wurde aber nichts daraus. “Ich bin enttäuscht”, kommentierte Lufthansa-Chef Carsten Spohr. “Wenn man von uns erwartet, dass wir den bestmöglichen Beitrag zum Klimaschutz leisten, dann sollte auch die Politik ihren Beitrag leisten.” Wettbewerbsverzerrung drohtDie europäische Luftfahrtbranche mahnt weltweit gültige Standards an, um eine Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Nur so würden Emissionen wirklich eingespart und nicht nur von einem Land ins andere verlagert. Die Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel schaffe zwar innerhalb Europas gleiche Wettbewerbsbedingungen. “Gegenüber der starken Konkurrenz aus den USA, Asien oder dem Mittleren und Nahen Osten aber stellt er einen Wettbewerbsnachteil und damit eine Belastung für den Standort Europa dar”, mahnt etwa die Lufthansa. Emissionen reduzieren könnte auch ein seit langem von der Industrie angemahnter einheitlicher europäischer Luftraum (Single European Sky). Von Umweltaktivisten erhobene Forderungen an die Verbraucher, deutlich weniger oder gar nicht mehr zu fliegen, erteilt die Branche naturgemäß eine Absage. “Es kann in einer globalisierten Welt nicht die Lösung sein, nicht mehr zu fliegen”, so SAS-Chef Gustafson. “Wir müssen fliegen, aber in einer sehr viel nachhaltigeren Weise.”