Anleihenmärkte 2022

Covid-19-Krise gibt Bondrenditen Takt vor

Die Renditeentwicklung der Anleihen steht 2022 ganz im Zeichen der Pandemie und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Entwicklung. Viele stellen sich auf Renditesteigerungen ein. Es wirken am Markt auch Kräfte in die andere Richtung.

Covid-19-Krise gibt Bondrenditen Takt vor

Die Staatsanleihenmärkte der Eurozone, allen voran die Bundesanleihen, und der USA stehen 2022 ganz im Zeichen der Entwicklung dreier Einflussfaktoren: Covid-19-Pandemie, Inflation und Reaktion der Notenbanken Europäische Zentralbank (EZB) und Federal Reserve auf die Pandemie und die Inflation. An erster Stelle dürfte dabei der Blick der Bondakteure der Pandemieentwicklung gelten. Nach der Delta- und seit wenigen Wochen auch der Omikron-Variante stellen sich viele Akteure die Frage, ob es zu weiteren Mutationen des Coronavirus kommen wird und inwieweit die Bevölkerung durch die derzeit am Markt vorhandenen Vakzine und die in den kommenden Wochen und Monaten hinzukommenden geschützt sein wird oder ob diese nur eine begrenzte oder womöglich nur sehr geringe Schutzwirkung in Sachen Intensität und zeitlicher Dauer auf die Mutationen zeigen. Denn genau davon wird es auch abhängen, inwieweit es dann wiederum zu Einschränkungen in Form von Kontaktbeschränkungen, Schließungen von Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten und Reisebeschränkungen kommt oder ob es gar erforderlich wird, neuerliche Lockdowns zu beschließen, die dann mit sehr erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen einhergehen sollten. Und genau diese wirtschaftlichen Beeinträchtigungen könnten dann auch die Notenbanken davon abhalten, den Fuß vom Gaspedal der lockeren Geldpolitik zu nehmen, bzw. sie veranlassen, die geldpolitische Wende weiter in die Zukunft zu verschieben.

Anleger steuern sichere Häfen an

Das würde für die Anleihenmärkte dann auch bedeuten, dass bei neuen Mutationen und der zunehmenden Gefahr von wirtschaftlichen Beeinträchtigungen die Anleger wieder die sicheren Häfen wie Bundesanleihen und US-Staatspapiere verstärkt ansteuern, mit dem Ergebnis, dass die Renditen fallen bzw. sich bei den Bundesanleihen noch stärker in negatives Terrain bewegen. Und diesen Pfad der Pandemieentwicklung mit ihren wirtschaftlichen Begleitumständen kann heute niemand verlässlich prognostizieren.

Neben der Pandemieentwicklung werden die Bondinvestoren auch die Inflation im Auge behalten, die sich dies- und jenseits des Atlantiks auf Werten befindet, die seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurden. So mancher Marktteilnehmer erachtet allein vor dem Hintergrund der Teuerung ein Straffen der geldpolitischen Zügel als erforderlich. Bislang zeigen sich die Währungshüter des Euroraumes in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend. Wobei zu konstatieren ist, dass die EZB bedeckter agiert als die Fed, die im Dezember den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik verkündet hat, die Anleihenkäufe noch stärker zurückfahren wird und den Märkten für 2022 drei Leitzinsanhebungen in Aussicht gestellt hat. 2023 und 2024 soll es dann – so die Signale der US-Notenbanker – mit den Leitzinsanhebungen weitergehen. Bekannt ist aber auch, dass die Fed in der Vergangenheit in Sachen Zinsanhebungen nicht forsch zu Werke gegangen ist, sondern sehr zögerlich. Sie zog bei dieser Entscheidung immer viele Aspekte ins Kalkül. Neben der Verfassung der heimischen Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und der Teuerung waren das auch geopolitische Faktoren, die Lage auf den Finanz- und Rohstoffmärkten, das Wachstum der chinesischen Wirtschaft und die Situation in den Schwellenländern und ob diese bei einem Zinsanstieg in den USA einen Kapitalabzug der Investoren verkraften können. Gut möglich also, dass die Fed auch dieses Mal nicht schnell auf die Bremse tritt und wartet. Die Welt steht ja nicht still, und neue Aspekte könnten die Fed zum Umdenken bewegen.

Am Werk sind bei der Inflation verschiedene Effekte: Hierzu zählen der Basiseffekt, aber auch Einmal- und Nachholeffekte aus der Pandemie etwa beim Konsum – zu denken ist an Freizeitgestaltung und Reisetätigkeit. EZB-Chefin Christine Lagarde sieht die Teuerungsentwicklung immer noch sehr gelassen und rechnet nur mit einem temporären Phänomen und eben nicht mit einem dauerhaften Inflationsanstieg, der die Währungshüter zum Handeln zwingen würde. Sie geht davon aus, dass sich der Teuerungsschub 2022 wieder entschleunigen wird und die Inflationsraten damit wieder zurückkommen, deutlich unter die aktuellen Werte.

Auch ist nicht klar, wie sich die Solvenz der Unternehmen in den kommenden Monaten gestalten wird. Kommt es tatsächlich zu Lockdowns, erheblichen Umsatzausfällen und Ergebnisrückgängen und in der Folge womöglich auch zu einer Insolvenzwelle der Unternehmen, könnte das wiederum auch den Notenbankern genügend Argumente an die Hand geben, eben nicht zu handeln, zumal wenn sich dann auch eine rückläufige Teuerungsrate aufgrund nachlassender Effekte einstellen sollte.

Unterschätzen die Notenbanken?

Kommt es zu einer abebbenden Pandemie, wenigen oder keinen Mutationen, wirksameren neuen Impfstoffen, die die Gefahr von Lockdowns immer mehr bannen, und in der Folge auch zu einer wirtschaftlichen Belebung, die womöglich die Teuerung weiter anheizt, sollte es phasenweise auch zu Renditesteigerungen an den Anleihenmärkten kommen. Diese sind dann Ausdruck der Erwartung einer strafferen Geldpolitik. Damit würde sich herausstellen, dass die Notenbanken die Entwicklung des Preisniveaus nicht richtig eingeschätzt, also die Inflation unterschätzt haben. Das muss sich in den kommenden Monaten erst herauskristallisieren.

Aber Anleger sollten sich auch darauf einstellen, dass die Bondmärkte bei der Entwicklung der laufenden Rendite bzw. Verzinsung nicht gerade durch die Decke gehen werden. Denn allzu oft wird ein sehr gewichtiger Faktor an den Märkten unterschätzt. Treten Renditesteigerungen auf, greifen gerade die Real Money Accounts wie Versicherer und Pensionsfonds verstärkt zu. Denn zu berücksichtigen ist hierbei immer wieder, dass die Märkte nun schon seit einem Jahrzehnt mit negativen Bondrenditen konfrontiert sind. Aktuell handeln weltweit gemäß des Bloomberg Global Agg Neg Yielding Debt Market Value USD Anleihen im Umfang von umgerechnet rund 14 Bill. Dollar mit negativen Renditen. Der Wert betrug im Jahr 2000 schon mal rund 18 Bill. Dollar. Steigen die Anleihenverzinsungen an, wird kräftig zugegriffen, denn die Anleger wollen sich dann Renditen sichern, die sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr festzurren konnten. Und genau diese Käufe der Real Money Accounts, aber auch von Assetmanagern und anderen Institutionen können die Renditesteigerungen sehr schnell wieder abbremsen bzw. sogar zunichtemachen. Das war in der Vergangenheit allzu häufig zu beobachten. Und dann wurde aus dem vielfach prognostizierten Renditeanstieg der Bonds am Ende nichts.

Aktienbewertungen im Blick

Im Blick behalten sollten die Anleger auch die hohen Bewertungen an den Aktienmärkten, von denen sich viele nun schon seit Jahren in Rekordlaune befinden. Sollte es hier einmal zu heftigen Rücksetzern oder gar einem Bärenmarkt kommen, werden die Investoren ebenfalls wieder die Karte der sicheren Häfen spielen. Gefragt sind dann bei weiten Anlegerkreisen ebenfalls die sicheren Bundesanleihen und die US-Staatsbonds. Auch das spricht dann gegen höhere Renditen. Ganz im Gegenteil: Sollten die Aktienmärkte crashen, die Pandemie sich noch beschleunigen und die konjunkturellen Perspektiven somit noch dunkler werden, können auch ganz schnell noch sehr viel tiefere Renditen an den Anleihenmärkten zu beobachten sein, als das zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Fall ist. Am kurzen Laufzei­tenende der Bundeswertpapiere, also bei den zweijährigen Laufzeiten, könnte dann auch die Eins vor dem Komma im negativen Bereich zutage treten. Das wäre Rekord. Die gesamte Bundkurve könnte tiefer ins Minus rutschen. Die Jagd nach Rendite würde Anleger dann auch in andere Fixed-Income-Bereiche treiben. Das Ergebnis wäre, dass auch dort die Renditen noch weiter zurückgehen. Negative Renditen wären im Worst-Case-Szenario sogar am US-Staatsanleihenmarkt denkbar – es wäre ein Meilenstein. Zu hoffen ist das angesichts der dann vorherrschenden Situation in der Realwirtschaft sicher nicht. Aber es ist in Pandemiezeiten eben auch nicht vom Tisch zu wischen.

Von Kai Johannsen, Frankfurt

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