Rohstoffpreise steigen kräftig
Das gerade beendete Jahr 2021 ist durch eine rasante Erholungsrally an den Rohstoffmärkten gekennzeichnet gewesen. Dies spiegelt die von den fiskalischen Hilfen der Regierungen und dem zeitweiligen Ende der pandemiebedingten Lockdown-Maßnahmen ausgelöste weltweite konjunkturelle Erholung wider, aber auch die anhaltende Flutung der Finanzmärkte durch die Notenbanken. Diese hat dazu geführt, dass umfangreiche Mittel in die Rohstoffmärkte geflossen sind. Letzteres ist unter anderem daran abzulesen, dass diejenigen Märkte, die gerade von den Finanzinvestoren gemieden wurden, eine überaus schwache Entwicklung aufwiesen. So hat sich beispielsweise Gold 2021 um 4% verbilligt, Silber um 12% und das vor allem in der Autoindustrie eingesetzte Edelmetall Palladium nach dem Ende des durch Finanzinvestoren getriebenen Hypes der Vorjahre sogar um 15%. Bei Gold ist zu beobachten, dass sich die Schmucknachfrage und der Bedarf der Industrie wieder erholt haben, dass aber wie erwähnt die Finanzinvestoren immer noch durch Abwesenheit glänzen.
Für die anderen Rohstoffgruppen und für die in diesen Märkten engagierten Finanzinvestoren waren es jedoch meist rosige Zeiten. Das gilt insbesondere für die Energieträger. So hat die weltweit führende Nordsee-Ölsorte Brent Crude eine rasante Rally um 55% hingelegt. Bei der führenden amerikanischen Leichtölsorte West Texas Intermediate (WTI) waren es sogar 58%. Dazu ist es aus mehreren Gründen gekommen. So ist die weltweite konjunkturelle Erholung deutlich umfangreicher und schneller ausgefallen als von den meisten Beobachtern erwartet. Dies ist nicht nur auf die staatlichen Hilfen in vielen Ländern rund um den Globus zurückzuführen, sondern vor allem auch auf die konsequenten Maßnahmen der Pandemiebekämpfung in der mittlerweile wichtigsten Volkswirtschaft China.
Hinzu kommt, dass es signifikante Beschränkungen des Angebotes gegeben hat. Dies betrifft die amerikanische Schieferölindustrie, die nach ihrem starken Einbruch des Jahres 2020 sehr zurückhaltend mit dem Wiederaufbau der Kapazitäten gewesen ist. Ergebnis davon ist, dass die USA von einem Nettoexporteur von Rohöl wieder zu einem Nettoimporteur geworden sind und den Energieträger ausgerechnet von Russland als einem der beiden Erzrivalen der US-Regierung einführen müssen. So war die US-Förderung beispielsweise im Mai mit 11,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) immer noch deutlich unter dem Niveau von vor der Krise von 13 Mill. bpd. Es wird erwartet, dass die USA erst Ende 2022 wieder das Produktionsniveau von vor dem Beginn der Pandemie erreichen werden.
Zurückhaltung der Opec
Vor allem aber haben sich die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) und der ihr angeschlossene Länderblock unter Führung Russlands (Opec plus) bei der Ölförderung stark zurückgehalten und eine Disziplin bei der Einhaltung der Quoten aufgewiesen, wie es sie in der langen Geschichte der Opec nur selten gegeben hat. In fast allen Monaten des abgelaufenen Jahres war die Einhaltung der vereinbarten Quoten höher als 100%. Dazu trug allerdings auch bei, dass aufgrund der wegen des Klimawandels knapperen Investitionen in die Erdölindustrie die Produktion in einigen Ländern leidet und dass die ungenutzten Kapazitäten deutlich kleiner geworden sind. Hatte die Opec 2018 noch 31,34 Mill. bpd gefördert, lag die Opec-Produktion im zweiten Quartal 2021 mit 25,16 Mill. bpd noch unter dem Durchschnitt des Krisenjahres 2020, um erst im dritten Quartal mit 26,89 Mill. bpd wieder darüber zu klettern. Das alles führte dazu, dass der Brent-Ölpreis Ende Oktober mit mehr als 86 Dollar je Barrel auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2014 kletterte. Eine fulminante Preisentwicklung gab es am europäischen Spotmarkt für Erdgas. Betrug dieser im Frühjahr noch 20 Euro je Megawattstunde, wurden kurz vor Weihnachten fast 190 Euro erreicht. Zum Jahresende hin liegt der Spotmarktpreis am niederländischen Übergabepunkt TTF mit immer noch rund 100 Euro um mehr als 400% über der Notierung vom Jahresanfang.
Hauptgrund dafür ist der Einfluss der Politik auf den europäischen Gasmarkt, aber auch eine fehlgeschlagene Spekulation durch die Gasbetreiber. So hat sich die EU-Kommission bereits seit rund zehn Jahren aus politischen Gründen gegen langfristige Verträge mit dem Hauptlieferanten Russland positioniert und den wegen seiner hohen Volatilität berüchtigten Spotmarkt ausgebaut. Während das zwar für einige Jahre für niedrigere Preise gesorgt hat, sind dort die Notierungen nun regelrecht explodiert. Der harte Winter 2020/21 und eine monatelange Flaute in der Windenergie erforderten nämlich den Einsatz größerer Gasmengen, so dass die Speicher leer waren. Die Gasversorger verzögerten angesichts der bereits zum Frühjahr und Frühsommer hin steigenden Preise die Wiederauffüllung der Speicher in der Hoffnung auf sinkende Notierungen. Da jedoch die Preise weiter stiegen, begannen sie zu spät mit der Einlagerung von Erdgas, mit der Folge, dass die europäischen Speicher zu Beginn der Heizperiode nur zu 71% gefüllt waren (aktuell rund 50% Füllgrad). Dies war der niedrigste Stand seit 2013, als der Verbrauch noch niedriger lag als heute. Anfang Oktober setzte dann eine Panik ein, die den Preis auf das beschriebene Allzeithoch klettern ließ. Zusagen der russischen Regierung, zusätzliche Gasmengen zur Verfügung zu stellen, sorgten dann zwar für eine gewisse Beruhigung der Lage. Da jedoch die bereits fertiggestellte Pipeline Nord Stream2 aufgrund von regulatorischen Verzögerungen durch die Bundesnetzagentur nach wie vor nicht zur Verfügung steht, herrscht am europäischen Gasmarkt weiterhin hohe Nervosität vor.
Rekordhochs der Metallpreise
Sehr deutliche Preisanstiege hat es 2021 auch bei den Industriemetallen gegeben. So ist der Preis des wichtigsten Industriemetalls Kupfer gegenüber dem Niveau vom Jahresbeginn 2021 um 22% gestiegen. Bei Aluminium betrug das Plus sogar 43%, bei Nickel 19%, bei Zink 30% und bei Zinn sogar 94%. Allerdings bleiben damit die Märkte für Industriemetalle hinter der Performance der Energieträger und auch der Aktienmärkte zurück. Immerhin kletterten die Notierungen einiger Metalle zwischenzeitlich auf Rekordhochs. Der Industriemetallindex der London Metal Exchange (LME) erreichte Mitte Oktober sein Allzeithoch. Nach Einschätzung der Rohstoffanalysten der Commerzbank sind die Preise lange Zeit von einer starken Nachfrage angetrieben worden, die sich von dem Corona-Einbruch schneller und stärker erholt habe als erwartet. Beigetragen hätten auch Angebotsengpässe, die nicht zuletzt durch die hohen Energiepreise in vielen Ländern verursacht worden seien. Auch Logistikprobleme hätten eine Rolle gespielt. Daher seien die Metallmärkte 2021 wesentlich angespannter gewesen als zunächst prognostiziert. So hat der Kupfermarkt nach Berechnungen der International Copper Study Group (ICSG) 2021 ein Defizit von 43000 Tonnen aufgewiesen, auch wenn sich diese Unterdeckung gegenüber den Vorjahren schon deutlich reduziert hat. Zum Jahresende hin liegen die Vorräte in den Lagerhäusern der LME nur knapp über dem tiefsten Stand der vergangenen 16 Jahre. Auf dem Aluminiummarkt gab es im Gegensatz zu den Vorjahren ein großes Defizit von 1,27 Mill. Tonnen in den ersten drei Quartalen 2021, auch ausgelöst durch die Entscheidung der chinesischen Regierung, die energieintensive Aluminiumproduktion im eigenen Land zu begrenzen.
Enorme Preisanstiege gibt es auch bei den Agrarrohstoffen, was für viele Menschen vor allem in den ärmeren Teilen der Welt ein enormes Problem darstellt. Die meisten deutschen Banken raten ihren Kunden deswegen aus ethischen Gründen kategorisch von der Spekulation mit Lebensmitteln ab. Weizen hat sich 2021 um 23% verteuert, Mais um 27%, Baumwolle um 43% und Zucker um 24%. Den Vogel schießt der Arabica-Kaffeepreis ab, der um 81% zulegte. Der Preisindex für Lebensmittel der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen lag im November um 29% über dem Vorjahresstand.
Ein wichtiger Grund für diese Misere liegt in der starken Verteuerung stickstoffhaltiger Düngemittel. Diese werden in der Regel aus dem knapp gewordenen Erdgas gewonnen. Die Preisexplosion bei Erdgas hat die Düngemittelhersteller veranlasst, ihre Produktion zu drosseln. Bislang sind insbesondere die dem Weltmarkt zugeführten Getreidemengen mehr als ausreichend, die FAO spricht sogar von einer Rekordproduktion. Das Problem stellen also die Produktionskosten und in der Folge die Preise dar. Im neuen Jahr dürften sich die Probleme auf den Märkten für Agrarrohstoffe eher noch verschärfen.
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt