70 Jahre später – Aufbruch neu denken
Vor 70 Jahren, als die erste Ausgabe der Börsen-Zeitung erschien, ging es für die deutsche Wirtschaft aufwärts. Es war die Zeit von Pioniergeist, Unternehmertum und mutigen Lösungen. Die Aufbruchstimmung, die damals herrschte, brauchen wir heute wieder. Nur so kann die Transformation in eine digitale und nachhaltige Zukunft gelingen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Dennoch gibt es Wiederholungsstrukturen. Ähnlich wie vor 70 Jahren steht Deutschland erneut vor einem tiefgreifenden Umbruch. Die Herausforderungen haben sich zwar über die Jahrzehnte geändert, dennoch kann das Deutschland von heute viel von den 1950er Jahren lernen.
Aufbruch Wort der Stunde
Die erste Nachkriegsdekade ist die „Gründerzeit“ der Bundesrepublik Deutschland. Damals wurden die zentralen Eckpfeiler für unsere heutigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen gelegt. Schutt und Trümmer prägten das Stadtbild. 42% aller Wohnbauten und 33% der Industrieanlagen waren zerstört. Die Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigsten Lebensmitteln blieb lange Zeit ein ungelöstes Problem. Aber gleichzeitig war Aufbruch das Wort der Stunde.
Dank förderlicher Rahmenbedingungen (wie Marshallplan, Währungsreform) und einer hohen Leistungsbereitschaft der Bevölkerung gelang der Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg überraschend schnell. Bereits Mitte der 50er Jahre war von einem Wirtschaftswunder die Rede.
Auch Düsseldorf erlebte zu dieser Zeit einen enormen Wandel. Im Fokus stand der Wiederaufbau der Industrie und die Bemühung, Düsseldorf als Kongress- und Ausstellungsstadt wieder attraktiv zu machen. Dank einer großzügigen Neuplanung erhielt die Innenstadt ein neues Gesicht. 1950 fand die Deutsche Funkausstellung in der noch jungen Landeshauptstadt statt; ein Jahr später die Drupa: Internationale Messe Druck und Papier, die von Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard eröffnet wurde. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung stieg auch die Einwohnerzahl. Anfang der 50er Jahre lebten bereits mehr als eine halbe Million Menschen in der Stadt.
Zudem etablierte sich Düsseldorf als führender Finanzplatz. Die Landeszentralbank ließ sich hier nieder, ebenso die Rheinisch-Westfälische Börse und die Industriekreditbank, welche die Aufgaben der alten Deutschen Industriebank übernommen hatte. Auch zahlreiche Privatbanken verlegten ihren Sitz nach Düsseldorf, wie C. G. Trinkaus, Poensgen, Marx & Co. und Waldhausen & Co. Nachdem die Deutsche Girozentrale ebenfalls nach Düsseldorf zog, wurde die Landeshauptstadt auch ein bedeutender Schwerpunkt des Sparkassenwesens. Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute waren nun vertreten durch zwei Sparkassen (Stadt-Sparkasse und Kreissparkasse), zwei Girozentralen (Deutsche Girozentrale, Rheinische Girozentrale und Provinzialbank) sowie durch die Bausparkasse der Rheinprovinz. Als Zeitung für die Finanzbranche hat die 1952 erstmals erschienene Börsen-Zeitung die Entwicklungen dieser Zeit eng begleitet und gefördert.
Zeitzeugin und Förderin
Auch die Stadtsparkasse – mit einer bereits damals über 120-jährigen Tradition – war Zeitzeugin und Förderin des wirtschaftlichen Aufschwungs: Dank steigender Spareinlagen konnten die mittelständischen Unternehmen in der Region mit Darlehen zum Aufbau von Büro-, Lager- und Werkstatträumen versorgt werden. Arbeitsplätze entstanden. Das brachte wachsenden Wohlstand für breite Schichten und sozialen Fortschritt.
Um die Wohnungssituation zu verbessern, erhielten zudem viele Hauseigentümer zinsverbilligte Instandsetzungsdarlehen, um ihre im Krieg beschädigten Häuser renovieren zu lassen. Darüber hinaus sah sich die Stadtsparkasse dazu veranlasst, den von der Satzung vorgeschriebenen Hypothekenanteil von 50% zu überschreiten, sodass schließlich Ende 1952 knapp 70% der bewilligten Hypothekendarlehen zu Buche standen. Dadurch konnten rund 4000 Wohnungen neu gebaut werden.
Spargedanken gefördert
Auch die Förderung des Spargedankens wurde von Anfang an von der Stadtsparkasse stark forciert. Die Idee dahinter: Um Vermögen aufzubauen und finanziell schlechtere Zeiten zu überstehen, sollte früh und regelmäßig Geld zurückgelegt werden. Dazu wurde zum Beispiel Anfang 1952 das PS-Sparen eingeführt. Eine Kombination aus Sparen und Lotterie, die sich zu einer der bekanntesten und verbreitetsten Kleinsparformen entwickelte (und auch heute noch besteht). Monatlich wird ein bestimmter Betrag gespart, ein anderer Teil fließt in die Auslosung.
Im gleichen Jahr erfolgte auch die Wiedereinführung des Schulsparens. In 75 Volksschulen und vier höheren Schulen wurde Schülerinnen und Schülern zum Beispiel mit Hilfe von Schautafeln und Broschüren der Umgang mit Sparbuch, Scheckformular und Co. beigebracht. Das Sparaufkommen (belief sich 1952 auf rund 45000 DM) spielte dabei eine sekundäre Rolle. Vorrangiges Ziel war es, den Schülern finanzielle Grundbildung zu vermitteln.
Da es einem Großteil der Bevölkerung noch nicht möglich war, größere Ersparnisse zu bilden, andererseits aber infolge der Kriegsgeschehnisse teurere Anschaffungen erforderlich waren, führte die Stadtsparkasse sogenannte „Kaufkredite“ ein. Dabei handelte es sich um Teilzahlungsdarlehen. Anstatt für den Kauf von Gebrauchsgütern lange Zeit zu sparen, konnten sich die Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürger so die notwendigen Investitionen sofort leisten. Dies kurbelte das Wirtschaftswachstum zusätzlich an.
Gut aufgestellt
Dem Fleiß und Mut vorheriger Generationen ist es zu verdanken, dass Deutschland heute in sozialer, wirtschaftlicher und technischer Hinsicht gut aufgestellt ist. Aber wir haben keinen Anlass, uns auf dem Geleisteten auszuruhen. Wir werden unsere gute Ausgangsposition nur mit einer leistungsfähigen Wirtschaft, hochmodernen Produktionsprozessen und Dienstleistungen sowie beständiger Innovation behaupten können.
Doch dazu braucht es – wie damals – die richtigen Rahmenbedingungen. Unsere Pioniere haben vieles nur geschafft, weil auch vieles möglich war beziehungsweise möglich gemacht wurde. Daran müssen wir heute wieder anknüpfen. Entscheidungsträger in der Politik sind gefordert, die passenden Weichen für Innovationen und Fortschritt zu stellen: Weniger Bürokratie, Investitionen in Digitalisierung, Breitbandversorgung, Förderung von Start-ups, Zugang zu Daten, Ausbau von Forschung und Entwicklung sind hier einige Beispiele.
Kein bequemer Weg
Daneben sind aber auch wir selbst gefordert. Jeder kann seinen Teil beitragen. So kommt es neben den optimalen Rahmenbedingungen auf das „Mindset“ an. Wie in den 50er Jahren muss die Aufbruchstimmung in den Köpfen der Menschen beginnen. Wir müssen den Mut haben, Neues zu wagen und auch mal Fehler zuzulassen. Fortschritt geht nicht auf dem bequemen Weg; ist ohne Veränderung unmöglich.
Wenn Politik, Gesellschaft und Wirtschaft geschlossen zusammenarbeiten und die erforderlichen Handlungsfelder jetzt anpacken, können wir die Erfolgsgeschichte des Wirtschaftsstandortes Deutschland gemeinsam fortschreiben.