Brücken zwischen digitaler Welt und Heimat bauen
Der Finanzplatz Düsseldorf galt lange Zeit als Synonym für den Finanzplatz Nordrhein-Westfalen (NRW). Auch in der Gegenwart hat das noch seine Berechtigung, denn mit seiner Vielzahl der dem Finanzsektor zuzuordnenden Akteure, natürlich nicht zuletzt der Börse, kann Düsseldorf durchaus als Drehscheibe für Wertschöpfungsströme in Nordrhein-Westfalen verstanden werden. Auch der genossenschaftliche Verbund besitzt hier eine breite Präsenz: Hier ansässig sind die apoBank, nach Bilanzsumme größte genossenschaftliche Primärbank, und die Volksbank Düsseldorf-Neuss eG. Beide gehören dem Genossenschaftsverband – Verband der Regionen an, der ebenfalls einen seiner drei Verwaltungssitze in Düsseldorf hat.
Wie der Name schon sagt, vereint der Verband eine Fülle von Mitgliedsunternehmen genossenschaftlicher Rechtsform aus allen 14 Bundesländern seines Tätigkeitsgebiets, mit zahlreichen Ober- und Mittelzentren sowie ländlichen Räumen. So zählen in NRW insgesamt 111 Kreditgenossenschaften (Stand vom 31. Dezember 2021) zu seinen Mitgliedern. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken stehen dabei für ganz unterschiedliche regionale Wertschöpfungskreisläufe im Bundesland. Auf den ersten Blick zeigt sich anhand ihrer Zahl, dass ihr Marktverständnis sich nicht primär an den Gebietskörperschaften orientiert. Neben ökonomischen kommen hier auch kulturelle und soziale Aspekte zum Tragen, Faktoren von Identität und Lebensqualität erhalten ein starkes Gewicht.
Psychologische Faktoren
Auch psychologische Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle, denn für viele Menschen ist es in einer globalisierten Weltwirtschaft von Bedeutung, in ihrem Lebensraum eine eigenständige Bank zu wissen. Demzufolge reicht das kreditgenossenschaftliche Spektrum in NRW von kleineren Ortsbanken über die Banken in den Metropolen wie Düsseldorf bis hin zu Flächenbanken mit hoher räumlicher Ausdehnung. Die Einbindung der Primärbanken in die genossenschaftliche Finanzgruppe mit ihren zentralen Verbundunternehmen ermöglicht ihnen den gemeinsamen Marktauftritt und die notwendigen Skaleneffekte für den Wettbewerb. Sie sichert das Know-how für hochwertige Allfinanz-Angebote im Bereich Finanzen, Immobilien, Versicherungen – inklusive des Zugangs zu den globalen Kapitalmärkten.
Diese Struktur spiegelt das Geschehen in NRW wider: Eine starke Realwirtschaft braucht einen starken Finanzplatz – das Potenzial des Landes für einen modernen, digitalen Wirtschaftsstandort benötigt zur Entfaltung jedoch neben Leuchttürmen wie Düsseldorf zahlreiche Finanzplatzakteure in der Fläche, also Dezentralität und Vielfalt. Dies hat auch die Börsen-Zeitung mit ihrer Berichterstattung in sieben Jahrzehnten stets im Blick behalten, indem sie den Instituten nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in der Fläche breiten Raum gibt. Gerade der Facettenreichtum der Wirtschaftslandschaft ist ein Wettbewerbsvorteil für NRW. Die digitale Transformation erleichtert das Zusammenspiel im Sinne einer verbundenen Wertschöpfung. Doch sie verändert dieses Zusammenspiel auch, und die Pandemieerfahrungen beschleunigen diese Transformation noch: Ein Landleben ohne Pendeln in die Ballungsräume ist nun für viele möglich und die Lebensqualität in der Fläche damit deutlich verbessert.
Schnelles Internet im Blick
Der Netzausbau muss daher dringend die infrastrukturellen Voraussetzungen schaffen. Schnelles Internet liegt im ureigensten Interesse der regional verankerten Genossenschaftsbanken, denn ihre mittelständischen Firmenkunden sind existenziell darauf angewiesen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken erreichen den Mittelstand unmittelbar vor Ort und fördern seine digitale Transformation.
Digitalisierung und Konnektivität prägen immer stärker den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz. Schon heute ist klar, dass diese Transformation der stärkste Treiber für Entgrenzung ist – und damit auch das Potenzial hat für eine Reduktion des für lange Zeit zementierten Gefälles zwischen Metropolen und dem ländlichen Raum. Davon profitiert NRW insgesamt und mit ihm Düsseldorf, weil so eine deutlich höhere Wirtschaftsleistung möglich wird.
Mit Blick auf die Bankenbranche führt dieser Wandel auch zu neuen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Die Big Techs sind eine solche für die Geschäftsmodelle. Die Banken übernehmen Charakteristika von Digitalunternehmen und nutzen zunehmend Innovationen wie künstliche Intelligenz (KI), Big Data, Blockchain, Cloud Computing und Machine Learning. Aus Sicht der Volksbanken und Raiffeisenbanken wirft das die Frage auf, wie sich in Zukunft modernes genossenschaftliches Banking von den überregional agierenden – zunehmend auch branchenfremden – Wettbewerbern unterscheiden wird. Aktuelle Daten zeigen, dass viele Leistungen, für die früher Filialen und Personal erforderlich waren, längst via Internet abgewickelt werden. Die Kundenwünsche geben hier die Entwicklung vor: Eine große Mehrheit der volljährigen Deutschen nutzt die vorhandenen Möglichkeiten, um vor allem einfache Geldgeschäfte digital zu erledigen.
Dabei ist das Online-Banking via Laptop oder PC aktuell noch deutlich weiter verbreitet als das Mobile Banking via App auf dem Smartphone. So ist die Kontenübersicht via Banking-App auf dem Smartphone derzeit die meistgenutzte Anwendung des Mobile Banking: 24% der Deutschen sagen, dass sie dafür in der Regel die App verwenden. Der Vergleichswert für das Online-Banking per Laptop oder PC beträgt 42%, weitere 15% nutzen beide Möglichkeiten gleichermaßen. Nur 13% geben an, dies überhaupt nicht online zu erledigen. Ähnliche Relationen ergeben sich auch für Überweisungen und Daueraufträge.
Dies sind Ergebnisse einer repräsentativen Yougov-Umfrage mit 2069 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Umfrage wurde kurz vor Weihnachten 2021 im Auftrag der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Genossenschaftsverband – Verband der Regionen durchgeführt. Laut der Umfrage bezahlen immerhin fast 30% der Deutschen ab 18 Jahren zumindest gelegentlich mit mobilen Endgeräten wie dem Smartphone. Dies gilt besonders für die Altersgruppen bis Mitte 40. Dass Handelsunternehmen sich nicht nur bei den Zahlungsarten auf die Kundenwünsche einstellen, ist auch bei der Bargeldversorgung zu sehen: Zwar dominiert hier noch der Geldautomat mit 79% – aber schon fast ein Fünftel der Deutschen gibt an, regelmäßig Geld an der Ladenkasse abzuheben. Damit hat diese Möglichkeit für die Bargeldversorgung bereits den Bankschalter (11%) überholt. Durch Corona haben sich die Kunden noch schneller als erwartet den Online-Kanälen genähert. Doch vor allem wenn es um große Finanzierungsfragen wie die Umsetzung des Baus der eigenen vier Wände geht, wollen die Menschen eine persönliche Beratung und Entscheider vor Ort haben. Hier sind das Bankgeschäft und die Beratungsthemen komplexer geworden, der Trend geht daher zu gut ausgebildeten Kräften an zentralen Stellen.
Die Zukunftsperspektive für modernes genossenschaftliches Banking sieht vor, für die Menschen Brücken zu bauen zwischen digitaler Welt und Heimat, indem sie das Beste aus beiden Sphären zu einem integrierten Omnikanal-Angebot zusammenführen. Die Rolle der Volksbanken und Raiffeisenbanken wird zunehmend die regionaler Netzwerkpartner sein, entscheidender Ankerpunkt für die Positionierung wird dabei die die Kunden umgebende Region bleiben. Die Banken könnten ihnen als Plattform und Impulsgeber regional orientiertes Verhalten ermöglichen, zum Beispiel, indem sie ihr Geschäft jenseits klassischer Bankdienstleistungen ergänzen. Durch ein erweitertes Ökosystem mit regionalen Angeboten rund um Bedarfsfelder wie „Bauen und Wohnen“ – von der Unterstützung beim gesamten Immobilienkauf über die Besichtigung bis zum Notartermin und der Vermittlung von Handwerkern – können sie ihren Stellenwert behalten.
Auch Dienstleistungen rund um Gesundheit und Pflege könnten einmal Teil eines solchen Ökosystems werden. Die Kreditgenossenschaften können zudem punkten, indem sie ihr Wissen über und ihre Netzwerke für Selbsthilfestrukturen einbringen. Die genossenschaftliche Rechtsform bietet innovative Lösungsansätze: vom demografischen Wandel über die medizinische Versorgung und die Energiewende bis hin zu Schulen. Dieser Blick in die Zukunft zeigt: Sichtbarkeit und persönliche Ansprechpartner in der Region gehören auch im digitalen Zeitalter zum Markenkern der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Für den Wirtschaftsstandort NRW mit dem Finanzplatz Düsseldorf bleiben sie damit ein unentbehrlicher Erfolgsfaktor.