Nachhaltigkeit – Bestandteil genossenschaftlicher DNA
„Nachhaltigkeit“ wird häufig in das Spektrum vermeintlicher „Megatrends“ einsortiert. Dabei sind wir es – Hand aufs Herz – gewohnt, dass Trends, auch „Megatrends“, kommen und gehen. Aber bei Nachhaltigkeit ist das anders; sie bleibt, und zwar als gleichermaßen große wie globale Aufgabe.
Das mit Nachhaltigkeit verbundene Meta-Ziel ist, allen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen und dabei mit den Ressourcen unserer Erde aus Rücksicht auch auf nachfolgende Generationen verantwortungsvoll umzugehen. Zu dieser gesamtgesellschaftlichen Transformationsaufgabe tragen Genossenschaften mit ihrem werteorientierten Geschäftsmodell, ihrem Förderauftrag und ihrer regionalen Verankerung wesentlich bei.
2015 wurde von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Agenda 2030 verabschiedet mit 17 „Sustainable Development Goals (SDG)“. Diese globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung bilden den Referenzrahmen für die meisten internationalen und nationalen Nachhaltigkeitsstrategien (so auch der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie). Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft – diese fünf Kernbotschaften machen die Zusammenhänge zwischen den 17 Zielen deutlich.
Dermaßen referenziert, zielt nachhaltige Entwicklung auf mehr als nur „Umwelt“, nämlich neben ökologischen auch auf ökonomische und soziale Aspekte. Bereits drei Jahre zuvor riefen die Vereinten Nationen 2012 zum „Jahr der Genossenschaften“ aus: Es gelte anzuerkennen, so der Wortlaut der UN-Resolution, dass „die Genossenschaften in ihren verschiedenen Formen die breitestmögliche Mitwirkung aller Menschen […] an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung fördern, zu einem wichtigen Faktor dieser Entwicklung werden und zur Beseitigung der Armut beitragen“. Ein Bezug zu den später formulierten SDGs ist unverkennbar, ebenso die Würdigung der Genossenschaften für substanzielle Zielbeiträge.
Von Mark Twain stammt der Spruch: „Natürlich interessiert mich die Zukunft, ich will schließlich den Rest meines Lebens darin verbringen.“ Damit lässt sich auch der Kern von Genossenschaften hervorragend beschreiben, stellen sie doch auf Dauer angelegte freiwillige Zusammenschlüsse zur Förderung ihrer Mitglieder dar, die in Deutschland seit Mitte des 19. Jahrhunderts über Generationen hinweg weiterentwickelt werden. Und wie vor über 150 Jahren sind Genossenschaften zutiefst demokratisch ausgerichtete Unternehmen und förderwirtschaftlich für ihre Mitglieder tätig, wobei jedes Mitglied unabhängig von seiner Kapitalbeteiligung eine Stimme hat. Durch den genossenschaftlichen Förderauftrag und dadurch, dass viele Kunden als Mitglieder zugleich Eigentümer „ihrer“ Genossenschaft sind, ist Nachhaltigkeit Bestandteil der genossenschaftlichen DNA.
Nachhaltigkeit sachgerecht und chancenorientiert umzusetzen, ist eine der intensivsten gesellschaftlichen Aufgaben der nächsten Jahre. Auch aus diesem Grund hat sich der genossenschaftliche Sektor vorgenommen, seinen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu verstärken.
Aktuelles Beispiel
Dazu ein aktuelles Beispiel aus unserem Verbandsgebiet: Am 23. Februar haben Vertreter der Politik und regionalen Wirtschaft – unter ihnen Genossenschaften im Nord-westen Niedersachsens – mit der Universität Vechta einen Kooperationsvertrag zur Einrichtung eines Forschungsclusters „Nachhaltigkeitsorientierte Transformationsforschung in ländlichen Räumen“ unterzeichnet. Ziel des Clusters ist es, Transformationsprozesse zu verstehen, zu gestalten und zu managen und damit Perspektiven für ländliche Räume und insbesondere den Nordwesten Niedersachsens im Wandel zu erarbeiten. Das neu eingerichtete Cluster dient als thematisches Zentrum für vier Stiftungsprofessuren für einen Zeitraum von sechs Jahren. Die Stiftungssumme beläuft sich auf 3,5 Mill. Euro. Die Genossenschaften stiften zusammen mit der Raiffeisen-Stiftung 500000 Euro.
Vielfältige Aktivitäten
Neben diesem aktuellen Engagement illustriert bereits ein Ausschnitt aus unseren Mitgliedsunternehmen, dass Genossenschaften in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen aktiv sind:
Genossenschaftsbanken – wie die 58 Mitgliedsbanken unseres Verbandes – und ihre Partner bieten Zugang zu Finanzierungen auf regionaler Ebene und tragen Dank der Nähe zu ihren Privat- und Firmenkunden zu wirtschaftlicher Stabilität und nachhaltigem Wirtschaftswachstum bei.
Energiegenossenschaften – Allein in unserem Verbandsgebiet Weser-Ems sind 72 aktiv – leisten nicht nur ihren Beitrag zum Klimaschutz, indem sie bezahlbare und saubere Energie bieten. Sie sind wesentlich, um Menschen vor Ort durch Bürgerbeteiligung bei der Energiewende mitzunehmen, ihre Akzeptanz zu fördern und voranzutreiben. Immer mehr Energiegenossenschaften sehen ihre Zukunft auch in der Elektromobilität und bauen das Netz an Ladestationen aus.
Wohnungsgenossenschaften sind eine tragende Säule der Wohnraumversorgung. Sie sorgen für bezahlbare und gemeinschaftliche Wohn- und Lebensräume und tragen dadurch zu nachhaltigen Städten und Gemeinden bei. 14 dieser Genossenschaften sind Mitglied unseres Verbandes, drei davon sind auf den Ostfriesischen Inseln aktiv, wo bezahlbarer Wohnraum als Teil der Daseinsvorsorge eine besondere Herausforderung darstellt.
Genossenschaften der Agrar- und Ernährungsbranche tragen wesentlich dazu bei, die Bevölkerung verlässlich mit sicheren Nahrungsmitteln zu versorgen und attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum zu schaffen. Darüber hinaus treiben auch die 37 Warengenossenschaften und -gesellschaften, 23 Viehvermarktungsgenossenschaften und -gesellschaften, fünf Molkereigenossenschaften sowie zehn weitere ländliche Genossenschaften unseres Verbandes den Klimaschutz mit gezielten Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes voran.
Gesundheits- und Pflegegenossenschaften leisten ihren Beitrag zur sozialen Daseinsvorsorge, zu Gesundheit und Wohlergehen. In Weser-Ems sorgen fünf Ärztegenossenschaften und zwei Pflegegenossenschaften für medizinische und pflegerische Versorgung besonders im ländlichen Raum.
Schülergenossenschaften fördern ökologisches, soziales und wirtschaftliches Handeln und Denken und tragen zur hochwertigen Bildung bei. Die Idee der Schülergenossenschaften entstand in Niedersachsen. Hier entwickelten das Niedersächsische Kultusministerium zusammen mit dem Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. und unserem Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V. im Jahr 2006 das Modell der „Nachhaltigen Schülergenossenschaften“. In einem zweijährigen Pilotprojekt wurden zunächst elf Schülergenossenschaften betreut, heute sind es rund 70, wovon 28 von unserem Verband gemeinsam mit Partnergenossenschaften vor Ort betreut werden.
Viele weitere Genossenschaften engagieren sich beispielsweise in der Kinderbetreuung,für kulturelle Belange und für die örtliche Nahversorgung, um nur einige weitere Beispiele des breiten genossenschaftlichen Spektrums zu nennen.
Im Ergebnis lässt sich mit Hans-H. Münkner, emeritierter Professor der Universität Marburg und Preisträger des Internationalen Wissenschaftspreises der Arbeitsgemeinschaft Genossenschaftswissenschaftlicher Institute (AGI) festhalten: Genossenschaften sind zwar nicht die besseren Kapitalisten, aber die besseren Wirtschafter, weil bei ihnen nicht der Gewinn, sondern Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht.