Sewing wirbt für Nachhaltigkeitsoffensive
luk Frankfurt
Deutsche-Bank-Vorstandschef Christian Sewing hat ein intensives Plädoyer für eine gemeinsame Offensive am Finanzplatz gehalten, um Frankfurt zu einem Vorreiter in Sachen nachhaltige Finanzierungen zu entwickeln. Um den Standort strategisch zu stärken, sei es entscheidend, sowohl in puncto Digitalisierung als auch insbesondere in Sachen nachhaltige Transformation außergewöhnlich gut zu sein. Denn „der Nachhaltigkeitssektor wird gigantische Wachstumsraten sehen“, sagte Sewing anlässlich der Feier zum 70-jährigen Bestehen der Börsen-Zeitung in der Frankfurter Paulskirche. Sewing verwies auf den „enormen Druck quer durch alle Branchen“, Unternehmen nachhaltig zu transformieren. Gleichzeitig wollten Investoren ihre Anlagen nachhaltig gestalten – und zwar „lieber heute als morgen“.
Angesprochen darauf, dass gerade erst jüngst die Deutsche Bank und die Fondstochter DWS Besuch von Ermittlungsbeamten wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs in Form von Prospektbetrug bei nachhaltigen Fonds erhalten habe, argumentierte Sewing, er hielte es für falsch, die Fortschritte der Banken bei nachhaltigen Finanzierungen aus dem Blick zu verlieren „und zu sagen: Das ist alles nicht in Ordnung.“ „Wir sollten“, so der Vorstandschef, „vorsichtig sein, dass wir jetzt nicht alles über einen Kamm scheren“.
Zu den konkreten Vorwürfen, die im Raum stehen, wollte er sich nicht äußern. „Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir natürlich nach dem ersten Vorwurf unsere Untersuchungen gestartet haben.“ Sollte die Bank zum Ergebnis kommen, dass Korrekturen nötig seien, werde sie handeln. Sewing bekräftigte die Notwendigkeit einheitlicher Standards. „Wir brauchen verbindliche Regeln, wir brauchen eine Taxonomie, die für alle verständlich ist.“
Mit Blick auf den Finanzplatz Frankfurt brachte er die Idee einer gemeinsamen Initiative im Kampf gegen den Klimawandel ins Gespräch. Die Bundesregierung habe 2021 Eckpunkte für einen internationalen Klimaklub vorgestellt. „Ich möchte anregen, dass wir eine europäische Klima-Task-Force gründen – und warum sollte diese ihren Sitz nicht in Frankfurt bekommen.“
Zentrales Element im Kampf gegen den Klimawandel ist für Sewing die schon seit vielen Jahren in Europa angestrebte Kapitalmarktunion. Damit die grüne Transformation der Wirtschaft nicht scheitere, brauche es einen langfristigen und leistungsfähigen Kapitalmarkt. „Ohne Kapitalmarktunion wird der Green Deal nicht stattfinden“, mahnte Sewing.
Denn der immense Kapitalbedarf für eine Transformation der Unternehmen könne nicht allein auf Staaten und Banken verlagert werden, sondern brauche auch eine Finanzierung über den Markt. Gerade hier zeige Europa aber noch erhebliche Defizite. Für Investoren sei Europa oft nicht attraktiv, weil es den nationalen Kapitalmärkten an Breite und Liquidität fehle.
„Frankfurt muss in Top Ten“
Um eine europäische Kapitalmarktunion voranzutreiben, müsse die Bundesregierung Kompromisse an anderer Stelle eingehen, etwa beim Zankapfel einer gemeinsamen Einlagensicherung in der EU. Zumal von einer Kapitalmarktunion wiederum gerade der Finanzplatz Frankfurt profitieren könne. „Wo, wenn nicht hier, sollte ein europäisches Kapitalmarktzentrum entstehen?“, fragte Sewing und forderte mit Blick auf die internationalen Ranglisten der Finanzplätze: „Frankfurt muss in die Top Ten.“
Aus Anlass des Jubiläums der Börsen-Zeitung ging der Deutsche-Bank-Chef auch auf sein Verhältnis zu den Medien ein. Natürlich ärgere er sich auch manchmal über Schlagzeilen über die Bank. Meistens ärgere er sich aber auch „über uns selbst“, denn häufig sei „ja auch etwas dran an der Kritik“.