Konjunktur

Auftragspolster der Industrie schwindet

Eine schwächere Auslandsnachfrage beschert der deutschen Industrie ein überraschend kräftiges Auftragsminus im April. Die Aussichten trüben sich wegen des Ukraine-Kriegs und der bröckelnden Chinakonjunktur ein – und der Materialmangel verschärft sich erneut.

Auftragspolster der Industrie schwindet

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie steckt in einer Auftragsflaute, aus der sie so schnell nicht wieder herauskommen wird. Denn an den Hauptursachen – der Unsicherheit infolge des Ukraine-Krieges und einer schwächeren Nachfrage in China, die sich zudem über geringere Bestellmengen aus anderen Ländern mehrfach bemerkbar macht – wird sich erst einmal nichts ändern. Im April sammelten die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes 2,7% weniger Neuaufträge ein als im Vormonat, wie das Statistikamt Destatis gestern mitteilte. Ökonomen hatten das dritte Minus in Folge erwartet, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

„Die erhöhte Unsicherheit durch die russische Invasion in der Ukraine führt weiterhin zu einer schwachen Nachfrage, vor allem aus dem Ausland“, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium die um 4,0% zum Vormonat gesunkenen Auslandsbestellungen. Insbesondere aus den Euro-Ländern gingen weniger Orders ein. Das Ministerium verwies aber auch darauf, dass die Unternehmen weiter über gut gefüllte Auftragsbücher verfügten und zudem einzelne Branchen zunehmende Ordereingänge verzeichneten.

Für die Produktion sei das Bestellvolumen derzeit allerdings zweitrangig, fasst Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen die momentane Misere der Industrie zusammen: Diese werde „derzeit in erster Linie davon bestimmt, wie viele Vorprodukte verfügbar sind“. Auch wenn sich die Lage laut Destatis im April „etwas normalisiert“ hat, signalisieren Mai-Daten eine erneute Verschärfung der Materialknappheit. Laut einer Ifo-Umfrage klagen 77,2% der Firmen über Probleme, und der Kiel Trade Indicator zeigt, dass der internationale Handel wieder stärker unter den Staus und Verzögerungen der Containerschifffahrt leidet – die zudem erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie nun auch die Nordsee erreicht haben. Vor den Häfen Deutschlands, Hollands und Belgiens stecken gegenwärtig knapp 2% der globalen Frachtkapazität fest, wie das IfW Kiel am Dienstag mitteilte. Unter Börsianern hingegen hellte sich die Konjunkturstimmung im Juni auf. Eine Trendwende sei dies aber noch nicht, mahnt das Analysehaus Sentix.

Berichte Seite 4

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