FIRM-Forschungspreis 2024 für Sasan Mansouri
FIRM-Forschungspreis 2024 für Sasan Mansouri
30.000 Euro Preisgeld für Dissertation zum Informationsverhalten von Managern bei Analystenkonferenzen
Von Esther Baumann*)
Es ist kein Geheimnis, dass Manager bei den vierteljährlichen Analystenkonferenzen auf konkrete Fragen oft nur schwammige Antworten geben und die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Investoren so bewusst aufrechterhalten wird. Aber wie reagieren Investoren, wenn ihre Fragen nicht oder nur unzureichend beantwortet werden? Das hat Sasan Mansouri mit Hilfe von KI-gestützten Sprachmodellen untersucht. Mit seinem innovativen Forschungsansatz konnte sich Mansouri gegen 12 weitere Forscherinnen und Forscher aus dem In- und Ausland durchsetzen. Seine Dissertation wurde von Mark Wahrenburg von der Goethe Universität Frankfurt betreut.
Neben Mansouri sind auch Alina Stehskova von der Universität Wien und Urban Ulrych, der an der Universität Zürich promovierte, in die Endrunde für den alle zwei Jahre vergebenen FIRM-Forschungspreis gekommen. Ihre Arbeiten wurden von der Jury aus Vertretern von Wissenschaft und Wirtschaft unter den eingereichten Arbeiten als jene ausgewählt, die hochwertige theoretisch-konzeptionelle Grundlagenarbeit, innovativen Praxisbezug und empirische Forschung in bester Weise verbinden. Alle drei haben ihre Arbeiten bei der FIRM-Forschungskonferenz am 20. Juni 2024 vorgestellt und sich der kritischen Diskussion mit erfahrenen Praxisvertretern und Wissenschaftlern gestellt. Die nächste Konferenz ist für Juni 2025 geplant.
KI-gestütztes Sprachmodell
Mansouris Dissertation mit dem Titel „Aufsätze zur Informationsübertragung & Maschinelles Lernen im Finanzwesen“ umfasst fünf tiefgehende Studien zur Dynamik der Informationsveröffentlichung und der Wahrnehmung durch den Finanzmarkt. Um zu messen, wie Investoren auf unzureichende Antworten von befragten Unternehmensmanagern reagieren, wurde ein Sprachmodell trainiert, das so genannte „Non-Answers“ erkennt. Der verwendete Machine Learning Algorithmus identifiziert Phrasen, die häufig mit Non-Answers oder ausweichenden Antworten assoziiert werden, beispielsweise „[let me get] back to you“ und „[it’s] too early to [tell]“. Diese identifizierten Non-Answer-Marker sind kontextunabhängig und können demnach allgemeingültig Anwendung finden – beispielsweise auch bei Interviews mit Politikern.
600.000 Antworten untersucht
Für seine Forschung hat Mansouri 600.000 Fragen und Antworten in Telefonkonferenzen von Unternehmen mit Finanzanalysten untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Finanzmärkte negativ reagieren, wenn Manager den Informationsfluss durch Non-Answers behindern. Insbesondere erhöhen Non-Answers die Unsicherheit der Anleger und deren Bedarf, sich gegen Aktienrisiken abzusichern. Nicht überraschend ist, dass Non-Answers häufiger vorkommen, wenn die Analystenfragen schwierig sind, z.B. zukunftsbezogen, oder von weniger wohlwollenden Analysten gestellt werden.
Wenn die Analystenkonferenzen eines Unternehmens wegen Non-Answers weniger informativ sind, könnten Anleger sich anderen Informationsquellen zuwenden. In einer Folgestudie untersucht Mansouri daher, wie die Wirtschaftspresse auf Non-Answers reagiert. Er analysiert vor allem, ob die Berichterstattung der Wirtschaftspresse nachfrageorientiert ist, also ob Journalisten mehr Informationen über Unternehmen veröffentlichen, bei denen eine größere Informationsnachfrage der Investoren besteht, oder ob der angebotsorientierte Ansatz überwiegt, also weniger über Unternehmen berichtet wird, die mehr Non-Answers geben. Die Ergebnisse zeigen, dass vorwiegend angebotsseitige Faktoren die Berichterstattung bestimmen.
Mansouri konnte mit seiner Präsentation die Konferenzteilnehmer am meisten überzeugen, weil seine Fragestellungen einen hohen Praxisbezug haben und er zudem auf innovative Methoden setzt, um enorme Datenmengen zu verarbeiten. „Mansouri belegt mit seinen Studienergebnissen, dass der Kapitalmarkt transparente und präzise Kommunikation schätzt und mangelnde Klarheit bestraft. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Mechanismen am Kapitalmarkt“, erläutert der Juryvorsitzende Günter Franke von der Universität Konstanz die Jury-Entscheidung.
Weitere wichtige Themen bei der FIRM-Forschungskonferenz waren eine Studie zu Kreditstandards bei Banken sowie ein Praxisbericht zum Einsatz von Quantencomputing im Risikomanagement.
Auf Grundlage eines großen Bank-Firmen-Panels haben die EZB-Expertinnen Franziska Hünnekes, Donata Faccia und Petra Köhler-Ulbrich untersucht, welche Determinanten die Kreditstandards von Banken beeinflussen. Dafür wurden Daten von Banken und Firmen aus zehn Euro-Ländern zwischen 2008 und 2020 ausgewertet. Die Studie zeigt, dass Banken mit einer risikoträchtigeren Klientel von Kreditnehmern ihre Kreditstandards bei steigenden Risiken stärker verschärfen – außer wenn die Bank selbst finanziell sehr stabil ist. Höhere Finanzierungskosten führen ebenfalls zu strikteren Kreditstandards. Zudem wendeten Banken mit größerer Exposition gegenüber von der COVID-19-Pandemie betroffenen Sektoren strengere Kreditstandards an, wobei diese Wirkung durch eine höhere Inanspruchnahme staatlich garantierter Kredite abgemildert wurde.
Verschlüsselung im Fokus
Tim Schneider von der Deutschen Bank beleuchtete die Grundlagen des Quantencomputings sowie dessen Auswirkungen auf die Kryptographie. Die weltweiten Investitionen in Quantencomputing belaufen sich auf etwa 39 Mrd. Dollar, wobei China führend ist. Gefahren sieht Schneider vor allem darin, dass zukünftig die aktuellen Verschlüsselungsverfahren von Quantencomputing leicht geknackt werden können. Deshalb sei die Entwicklung quantensicherer Algorithmen und quantenbasierter Schlüsselverteilung von entscheidender Bedeutung. Im Finanzbereich liegen die Chancen des Quantencomputings beispielsweise in der Beschleunigung von Monte-Carlo-Simulationen und der Bewertung von Derivaten. Unternehmen rät Schneider, ihre Verschlüsselungssysteme zu überprüfen, Risiken zu bewerten, Lieferanten einzubeziehen und einen Migrationsplan zu quantensicheren Algorithmen zu erstellen.
*) Esther Baumann ist Geschäftsführerin FIRM