NOTIERT IN FRANKFURT

238-mal Digitalisierung und sechsmal Finanzplatz

Das hat ja gut funktioniert. 69 Stimmen, bei 137 Abgeordneten die denkbar knappste Mehrheit, haben CDU und Grüne im hessischen Landtag, und mit exakt 69 Stimmen wurde Volker Bouffier (CDU, 67) am Freitag als Ministerpräsident wiedergewählt. Seinem...

238-mal Digitalisierung und sechsmal Finanzplatz

Das hat ja gut funktioniert. 69 Stimmen, bei 137 Abgeordneten die denkbar knappste Mehrheit, haben CDU und Grüne im hessischen Landtag, und mit exakt 69 Stimmen wurde Volker Bouffier (CDU, 67) am Freitag als Ministerpräsident wiedergewählt. Seinem Kabinett gehören unter anderem die bisherigen Amtsinhaber Tarek Al-Wazir (Grüne, 48) als stellvertretender Regierungschef und Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und jetzt auch Wohnen sowie Finanzminister Thomas Schäfer (CDU, 52) an, ferner – dieses Ressort ist ganz neu – die bisherige Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Darmstadt und Unternehmerin Kristina Sinemus (parteilos, 55) als Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung.Gerade letztere Personalie macht in Verbindung mit dem am Tag vor Weihnachten vereinbarten Koalitionsvertrag deutlich, wo die Reise der neuen Landesregierung, in der sich das Kräfteverhältnis deutlich von schwarz zu grün verschoben hat, hingehen soll. Auf dem 196-seitigen Programm für die nächsten fünf Jahre mit dem etwas kryptischen Titel “Aufbruch im Wandel durch Haltung, Orientierung und Zusammenhalt” finden sich die Begriffe “Digitalisierung”, “digital” und entsprechende Wortkombinationen sage und schreibe 238-mal. Das Wort “Finanzplatz” taucht derweil ganze sechsmal auf, nach dem Inhaltsverzeichnis zum ersten Mal auf Seite 113 im Kapitel “Lebensgrundlagen bewahren” und dann weiter hinten in einem sehr überschaubaren Abschnitt, der aber wiederum stark von der Digitalisierung geprägt ist. Immerhin: Man erfährt, dass das “globale, moderne und technologisch starke Cluster für Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungen”, über das Deutschland mit dem Finanzplatz Frankfurt bereits heute verfüge, ausgebaut und an diesem Standort weiter gestärkt werden soll. “Selbstverständlich” ist für die Koalitionspartner, dass das Euro-Clearing nur in der Eurozone stattfinden könne und daher aus London nach Frankfurt zu verlagern sei. Der Platz, schon jetzt “einer der führenden Standorte für digitale Zukunftsthemen” und neue Finanztrends, soll zu einem Zentrum für nachhaltige Finanzprodukte entwickelt werden. Geplant ist dafür auch ein Green Bond des Landes. Auch die Helaba und das zu ihr gehörende Förderinstitut WIBank sollen durch entsprechende Emissionen Kapital für nachhaltige Investitionen mobilisieren. Eine Privatisierung der Landesbank ist kein Thema. In Europa will sich Schwarz-Grün für den Erhalt des Bankensystems mit drei Säulen und des “einzigartigen Einlagensicherungssystems” der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, also der Institutssicherung, einsetzen.Steuerschlupflöcher will die Koalition schließen – logisch. Aber hätten beide Parteien ihren Vertrag nicht auf glatt 200 Seiten ausweiten können? Dann wäre noch Platz gewesen für ein klares Bekenntnis gegen eine Finanztransaktionssteuer, an der in Berlin gearbeitet wird, und ein Plädoyer für die Beibehaltung der Abgeltungsteuer. Das hätte zur proklamierten “weiteren Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt” unbedingt dazugehört.