Allianz-Chef kritisiert Regulierung
tl Frankfurt
– „Regulierung macht das Finanzsystem nicht sicherer“, hat Allianz-CEO Oliver Bäte auf einer Konferenz der Ratingagentur Standard & Poors erklärt. Er verwies auf die betriebliche Altersvorsorge, wo wieder Solvency I statt des marktbasierten Ansatzes Solvency II angewendet werde und wo es wie in Deutschland keine Kapitalanforderungen gebe – und dies, obwohl die Probleme mit der alternden Bevölkerung eher wachsen würden. Bäte beklagt gefährliche Regulierungstendenzen im Bankensektor wie die Verlängerung des „dänischen Kompromisses“, demzufolge Banken ihren Leverage für das Versicherungsgeschäft im Prinzip verdoppeln könnten. Das könne zu großen systemischen Risiken führen, sei aber noch gar nicht öffentlich bekannt, warnt der Allianz-Chef.
„Superdisziplinierte“ Aufsicht
Die Aufsicht in Deutschland und der Schweiz bezeichnete er in der Covid-Krise als „superdiszipliniert“ bei ihrer Haltung zu Dividendenzahlungen, während es im übrigen Europa auch durch EIOPA ein „totales Durcheinander“ gegeben habe. Obwohl die Versicherer viel besser durch die Krise gekommen seien als die Banken, hätten ihnen die Aufseher in einigen Ländern Ausschüttungen untersagt oder dies zumindest empfohlen – mit der Folge deutlich steigender Kapitalkosten. „Das war ein Desaster für unsere Branche und sollte sich nie wiederholen“, forderte Bäte. „Wir haben ein risikobasiertes Aufsichtsregime und Aufseher, die die Kapitalquoten prüfen und Stresstests durchführen.“ Die Unternehmen sollten individuell beurteilt werden, anstatt eine branchenweite Ausschüttungssperre auszusprechen. Sonst werde der Versicherungssektor „uninvestable“, ähnlich wie die Banken.
Die Kurse der Versicherer hätten sich im Vergleich zum übrigen Markt deutlich schwächer entwickelt, obwohl sich Erträge und Dividenden besser entwickelt hätten. „Der Markt glaubt offensichtlich nicht, dass sich dies fortsetzen wird. Ich glaube, er irrt sich, zumindest bei den Top-Gesellschaften.“ Haupttreiber des Kursabschlags sind laut Bäte gestiegene Kapitalkosten vor allem für Leben- und Krankenversicherer mit hohen Garantiebeständen (s. Grafik).
Belastet werden die Kurse der Versicherer nach seiner Ansicht in erster Linie durch die Aussicht auf lang anhaltende Niedrigzinsen, falsch kalkulierte Preise für langfristige Risiken insbesondere bei Naturkatastrophen und (durch Aufsichtshandeln verursachte) Zweifel an stetigen Ausschüttungen. Die niedrigen Zinsen, durch Solvency II verursachte künstliche Volatilität, Großrisiken und eine schwache Präsenz auf Wachstumsmärkten könnten wiederum Ursachen der steigenden Kapitalkosten sein, vermutet Bäte. Kostensenkend könne wiederum Private Equity wirken, das über direkte Beteiligungen oder Rückversicherungen in den Sektor ströme. Bäte sieht zwar einerseits Risiken durch Schattenbanken, begrüßt aber andererseits bei einem durchdachten Risikomanagement die Chance, durch Private Equity Zinskosten zu senken und Spreads wieder auszuweiten.
Die von 2016 bis 2020 deutlich höhere Aktienrendite bei reinen Schaden/Unfall-Versicherern (Monoliner) im Vergleich zu Mehrspartenversicherern wie der Allianz hält Bäte für „absolut falsch“. Multiliner hätten Diversifikationsvorteile, während manch Monoliner kaum mehr wachsen könne. Allianz befinde sich als einziger Multiliner weltweit in der Spitzengruppe der Versicherer mit den höchsten Gewinnen.
Wertberichtigt Seite 8