Angst vor Hauruckverfahren

Zertifikatebranche fürchtet zu rasche Überprüfung der Wertpapier-Vorgaben

Angst vor Hauruckverfahren

jsc Frankfurt – Die anstehende Überprüfung des Basisinformationsblatts für Finanzprodukte droht nach Darstellung der deutschen Zertifikatebranche im Hauruckverfahren vollzogen zu werden. “Für eine gründliche und adäquate Auseinandersetzung mit der Materie fehlt bei dem ambitionierten Plan die Zeit”, sagte Henning Bergmann, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV), am Montag zum Auftakt einer Konferenz des Verbands in Frankfurt. Schon im ursprünglichen EU-Gesetzgebungsverfahren sei das Tempo zu hoch gewesen und die Auswirkungen nicht gründlich genug durchdacht worden. Das gelte für die EU-Verordnung Priips, die das Basisinformationsblatt definiert, aber auch für die EU-Richtlinie Mifid II, die genaue Vorgaben für die Anlageberatung und den Wertpapierhandel macht.Das Priips-Dokument stößt schon seit Jahren in der Finanzbranche auf Kritik. Die Verordnung definiert im Detail, wie Szenarien zur künftigen Wertentwicklung berechnet und dargestellt werden müssen. Das Informationsblatt weist die Ergebnisse in Prozent und absolut für einen Beispielbetrag in vier unterschiedlichen Szenarien aus. Während die Fondsbranche von einer Übergangsregel profitiert und vorerst mit bisherigen Informationsblättern weiterarbeiten kann, muss die Zertifikatebranche das Priips-Dokument bereits einsetzen. “Anleger verstehen die Informationsblätter, vor allem die Performance-Szenarien, vielfach nicht”, sagt Bergmann. “Die Folge: Sie ignorieren die Informationsblätter ganz überwiegend.” In der EU sei das Zusammenspiel aus Kommission, Parlament, Mitgliedsstaaten und Behörden sehr komplex, kritisierte er. “Niemand fühlt sich zuständig für fehlende Konsistenz und rechtstechnische Qualität.” Folgen für VerbraucherleitbildAuch die deutsche Finanzaufsicht BaFin konstatiert, dass Anleger diverse Informationen häufig nicht lesen, wie die Behörde unter Verweis auf eine Umfrage zu Mifid II festhält. Referatsleiter Ralf Becker zeigte sich auf der Konferenz mit dem Befund unzufrieden. “Wenn die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung nicht genutzt werden, dann ist das sicherlich keine gute Ausgangslage”, sagte der Experte. “Vielleicht muss man auch überlegen, was das für das Verbraucherbild oder -leitbild bedeutet.” Einen Mangel sieht er auch in der Praxis der Geeignetheitserklärungen, die in der Beratung ausgefüllt werden müssen. Oft gehe aus den Angaben nicht genau hervor, inwiefern ein bestimmtes Finanzprodukt zu den Bedürfnissen des Kunden passe, kritisierte Becker. Mit einem Volumen von 73,5 Mrd. Euro sind Zertifikate, zu denen zinslastige und weitgehend sichere Produkte ebenso zählen wie aktienmarktnahe und spekulative Instrumente, ein wichtiges Segment in Deutschland.Weitgehend einig zeigten sich Bergmann und Becker derweil mit Blick auf den Aufwand der Regulierung: Während der DDV-Vertreter eine Milliardenlast allein für die deutsche Branche durch Mifid II sieht, bezeichnete Becker das Regelwerk als “Klotz”. Anders als früher werde die Wertpapierregulierung neben der Regelsetzung für Banken und Versicherer nicht mehr stiefmütterlich behandelt.