LEITARTIKEL

Armutszeugnis für Aufseher

Die europäische Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ist noch nicht richtig tot, schon treiben Bankenregulierer und -aufseher, Währungshüter und andere die nächste Sau durchs Dorf: Europas Kreditwirtschaft soll ihre auf mehr als 1 Bill. Euro...

Armutszeugnis für Aufseher

Die europäische Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ist noch nicht richtig tot, schon treiben Bankenregulierer und -aufseher, Währungshüter und andere die nächste Sau durchs Dorf: Europas Kreditwirtschaft soll ihre auf mehr als 1 Bill. Euro veranschlagten faulen Darlehen bei einer EU-Bad-Bank abladen und entsorgen dürfen. Der Vorsitzende der Regulierungsbehörde European Banking Authority (EBA), Andrea Enria, hat die Diskussion Ende Januar angestoßen – und das zu gründende Vehikel übrigens als “Asset Management Company” bezeichnet. Das klingt und soll wohl auch genau so klingen, als gebe es da ein Vermögen zu verwalten. Nun, Schrott hat auch einen Preis.Klaus Regling, der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, und Vítor Constâncio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), beeilten sich jedenfalls, die Idee gut zu finden, während sich die Begeisterung seitens der Bundesregierung in engen Grenzen hält. Böse Zungen behaupten ja zudem, die Eurozone habe doch längst eine Abwicklungsbank: die EZB.Zunächst einmal haben sich die Initiatoren der Bad-Bank-Diskussion mit ihrem Alarmismus selbst ein Armutszeugnis ausgestellt. Wir leben im Jahr 10 der Weltfinanzkrise, zu der sich spätestens 2010 die europäische Staatsschuldenkrise gesellt hat. Hinter uns liegt fast eine Dekade einer in ihrer schieren Masse an Gesetzen, Verordnungen, Standards, Aufsichtsrundschreiben und so weiter sowie in ihrer Eingriffsintensität beispiellosen globalen Regulierung. Vor allem um den Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsschuldenkrise zu durchbrechen, hat sich derweil die Eurozone als Bankenunion formiert, in der seit mehr als zwei Jahren ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus unter Regie der EZB arbeitet. Das gemeinsame Abwicklungssystem kam hinzu. Die Banken, ob europäisch oder national beaufsichtigt, wurden allen erdenklichen (Stress-)Tests unterzogen.Und trotzdem ist mehr als jeder 20. Euro, den Europas Banken als Kredit vergeben haben, “non-performing”? Das entspricht der erwähnten Billion, wobei Italien mit je nach Abgrenzung bis zu 360 Mrd. Euro klar in Führung liegt – da steht mindestens jeder sechste Euro im Feuer. Allzu viel scheinen die Regulierungsorgie, die Aufsichtsvergemeinschaftung et cetera demnach nicht gebracht zu haben. Dann sind aber nicht nur jede Menge Kredite faul, es geht ein übler Geruch auch vom europäischen Aufsichtssystem höchstselbst aus.Obendrein erscheint das Bad-Bank-Konzept auch in seinen technischen Details nicht zu Ende gedacht. So weisen Commerzbank und DZ Bank in Studien zu Recht etwa auf die im Enria-Plan vorgesehene Nachhaftung der Banken hin, die an den Märkten für Akzeptanzprobleme sorgen dürfte. Davon einmal abgesehen haben Bankenregulierer und Notenbanker aber durchaus dazugelernt. Dass mit allem, was auch nur entfernt nach Vergemeinschaftung aussieht, namentlich in Deutschland kein Blumentopf zu gewinnen ist, gehört heute zum europäischen Allgemeinwissen. Und so versichert der Italiener an der EBA-Spitze denn – vermutlich mit Unschuldsmiene – im “Handelsblatt”-Interview: “Die gesamte Struktur ist so geplant, dass jede Form der Vergemeinschaftung von Verlusten oder Risiken vermieden wird.” Und fügt im selben Atemzug hinzu: “Jede Form von Staatshilfe, die nötig sein sollte, würde auf nationaler Ebene stattfinden.”Lesen wir richtig: “Staatshilfe”? Eben erst glaubten wir verstanden zu haben, dass die Steuerzahler nie mehr für die Rettung oder Abwicklung von Banken zur Kasse gebeten werden sollen, und Europas oberster Bankenregulierer redet wieder wie selbstverständlich von staatlichen Garantien für an ihren Krediten notleidende Banken! Dank des jüngsten italienischen Sündenfalls in Sachen Monte dei Paschi di Siena, der penetranten Diskussionen über eine weitere Aufweichung der europäischen Schuldenregeln oder der gerade wieder hochkochenden Debatte über einen – den wievielten? – Schuldenerlass für Griechenland haben die krisenerfahrenen Bürger Europas eine mehr als nur vage Vorstellung davon, was es heißt, wenn Risiken und Haftung wieder einmal “nicht vergemeinschaftet” werden.Entscheidend, hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schon in puncto europäische Einlagensicherung argumentiert, ist aber nicht die Verteilung der zu hohen Risiken in nationalen Bankensystemen, sondern deren Verringerung. Zumal die Regierungen für eine Vergemeinschaftung die Legitimation durch den Souverän bräuchten. Doch die Politik wird sich gerade im europäischen Superwahljahr 2017 hüten, diese Legitimation für eine Bad Bank einzufordern.——–Von Bernd WittkowskiTrotz beispielloser Regulierung und Bankenunion ist in Europa mehr als 1 Bill. Euro an Krediten faul. Da geht ein übler Geruch auch vom Aufsichtssystem aus.——-