Assetklasse Infrastruktur ist für Versicherer attraktiv

Wettbewerb um breitere Diversifizierung und bessere Erträge darf niemals dazu führen, Risiken auszublenden - Strikt qualitätsorientierte Selektion lohnt sich

Assetklasse Infrastruktur ist für Versicherer attraktiv

Mehr als zwei Fünftel (41 %) von 300 Top-Managern der Versicherungsbranche sagen laut einer aktuellen Befragung von BlackRock, der Druck steige, aus den Vermögensanlagen einen höheren Beitrag zur Gesamtprofitabilität zu erwirtschaften. Eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer (84 %) gibt an, dass alternative Anlageklassen die Profitabilität der Anlageportfolien erhöhen können. Große Investoren haben angesichts niedriger Zinsen schon vor mehr als zehn Jahren angefangen, ihre Kompetenzen im Bereich der alternativen Anlageklassen kontinuierlich auszubauen. Dabei drängen auch Investitionen in Infrastruktur immer stärker in das Blickfeld.Die Assetklasse Infrastruktur bietet Anlegern der Versicherungswirtschaft drei wichtige Vorteile: Erstens ist diese Assetklasse nur schwach korreliert mit der in ihren Kapitalanlagen traditionell stark vertretenen Anleihen. Infrastruktur diversifiziert das Portfolio. Zweitens sind mit Anlagen in Infrastruktur langfristig stabile Erträge zu erzielen, die gut mit den langfristigen Verbindlichkeiten der Versicherungsseite harmonieren und darüber hinaus drittens, durch eine Illiquiditätsprämie einen Renditevorsprung gegenüber liquiden Anleihen vorweisen.Die Eintrittsschranke für Versicherungen und versicherungsähnliche Anleger in diesen langfristig lukrativen Markt ist die Risikokompetenz. So richtig der Gedanke ist, neue Assetklassen zu erschließen, um breiter zu diversifizieren, so falsch wäre es, in Assetklassen zu investieren, deren Risiken nicht verlässlich genug eingeschätzt werden können. Es ist deswegen unabdingbar, gemäß dem Grundsatz “Kaufe nur, was du auch verstehst!”, die nötige Risikokompetenz aufzubauen. Learning by doingAnleger werden in der Assetklasse Infrastruktur zunächst den heimischen Markt sondieren, das Umfeld sowie Recht und Gesetz sind vertraut, die Rahmenbedingungen bekannt und politische Wechsellagen lassen sich gut einschätzen. Der heimische Markt mag nicht der attraktivste sein, er hat aber die niedrigsten Eintrittsschranken. Am Ende zählt bei einem Investment nicht, was oben draufsteht, sondern was unten rauskommt. Die ersten Investitionen in Infrastruktur sind auch Investitionen in die zukünftige Risikokompetenz, um sich sukzessive immer noch attraktiveren Investments nähern zu können.Entsprechend haben dann auch deutsche Versicherungen zunächst Windanlagen in ihrem Heimatmarkt Deutschland gekauft, wo sie sich besonders gut auskennen. Und das ist auch nötig. Denn die Erträge solcher Anlagen hängen sehr davon ab, wie oft und stark der Wind weht. Wer, wenn nicht eine deutsche Versicherung, könnte dies wohl gut einschätzen. Auch Munich Re beschäftigt Meteorologen, die verlässliche Schätzungen hierzu abgeben können, welche auch einem Kapitalanleger Sicherheit bezüglich der zu erwartenden Erträge bieten.Die Risikokompetenz von Versicherungen ist hier auch noch aus einem anderen Grund wichtig. Windanlagen sind eine vergleichsweise junge Technik, sie soll aber jahrzehntelang Energie erzeugen. An den rotierenden Flügeln wirken hohe Kräfte, die Schwingungen und Vibrationen stellen hohe Anforderungen an Material und Konstruktion. Gleichzeitig sollen diese Anlagen möglichst leicht und kostengünstig sein. Versicherungen verfügen über langjährig erprobte Methoden zur Überprüfung der dauerhaften Belastbarkeit von technischen Anlagen, auch Windkraftanlagen. Alle Zügel in der Hand haltenFür Versicherungen besteht auch die Herausforderung, Infrastruktur nach dem Erwerb in den Regelbetrieb zu überführen. Mit Blick auf die Windanlagen ist hier ein Assetmanagement verlangt, dass immobilienaffine Kapitalanleger bereits gut kennen. Von der Wartung und der Instandhaltung, vom betriebswirtschaftlichen bis zum technischen Property Management bis hin zu Hausmeisterleistungen ist hier alles dabei. Nur wer hier ganzheitlich mit Blick auf den Lebenszyklus alle Zügel in der Hand hält, wird hinterher auch die anfangs beim Erwerb errechneten und erwarteten Erträge erhalten.Kapitalanleger, die in Infrastruktur investieren, müssen auf eine hinreichende Diversifizierung achten. Für Euroanleger bietet der Euroraum genügend Chancen, breit zu investieren. Mitentscheidend für die Länderauswahl ist das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage. In manchen Ländern besteht ein ungünstiges Verhältnis: viele interessierte Investoren, aber nur ein ungenügendes Angebot. Insgesamt ist in Europa die Nachfrage nach Infrastrukturprojekten in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Da das Angebot zwar langsam wächst, aber nicht mit der gestiegenen Nachfrage Schritt halten konnte, drückt die Lücke auf die Renditen und wirkt sich auch nachteilig auf die übrigen Konditionen aus. Für Investoren aus der Versicherungsbranche wird es immer schwieriger, attraktive Projekte zu finden und zu finanzieren.Die hohe Nachfrage nach Infrastruktur hat nicht nur zu sinkenden Erträgen, sondern zu einem regelrechten Wettlauf um die vergleichsweise wenigen attraktiven Projekte geführt. Diesem Herdentrieb gilt es unbedingt zu widerstehen. So frustrierend es sein mag, nach einer langen Prüfung und mehreren Bieterrunden nicht zum Zug zu kommen, am Ende muss immer die hinreichende Gewissheit stehen, mit einem sehr langfristigen Investment hinreichend verlässliche Erträge zu erzielen. Insbesondere muss auch darauf geachtet werden, dass alle relevanten Risiken in der Analyse adressiert werden. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit, Qualität vor Quantität.In Europa haben Investoren in Infrastruktur die Erfahrung gemacht, dass die einmal vereinbarten Preise und Konditionen nachträglich geändert worden sind, und zwar zu Ungunsten der Investoren. Die Erträge von Infrastruktur hängen wesentlich von staatlichen Rahmenbedingungen und Regeln ab. Private Investoren müssen darauf vertrauen können, dass diese Regeln bei Vertragsabschluss mit Blick auf ihre Erträge Bestand haben. In einigen Ländern sind diese, und zwar schon kurz nachdem private Investoren eingestiegen sind, geändert worden. Für private Investoren ist dies selbstverständlich Anlass, in diesen Ländern nicht mehr zu investieren. Aus übergeordneter Perspektive lässt sich feststellen, dass sich rückwirkendes staatliches Handeln, das in Investorenrechte eingreift, langfristig nicht lohnt. America the BeautifulDie Renditen von Infrastruktur außerhalb von Europa sind zum Teil erheblich attraktiver – die entscheidende Frage ist, ob die Risiken auf akzeptablem Niveau gehalten werden können. Nordamerika bietet Vorteile, auch relativ zu Europa. Die Bevölkerung wächst im Gegensatz zu Europa. Der Markt ist weniger fragmentiert und segmentiert als in Europa. Das Länderrisiko in Nordamerika ist gegenüber Europa insgesamt geringer und weniger weit gespreizt wie zwischen einzelnen europäischen Ländern. Die Rahmenbedingungen für private Investoren sind stabil, ein hohes Maß an Rechtssicherheit ist gegeben. Rückwirkende Eingriffe in regulatorische Rahmenbedingungen sind – ein ganz wichtiger Punkt! – vergleichsweise unwahrscheinlich.Der nordamerikanische Markt für Infrastrukturinvestitionen hat noch gewaltiges Potenzial. Es gibt neben dem Gas-Boom im Energiebereich erheblichen Investitionsbedarf in der Transport- und Wasserversorgung. Auch unter der neuen Präsidentschaft in den USA besteht ein breiter politischer Konsens darüber, dass es ohne die Mobilisierung privater Investoren nicht darstellbar ist, den Investitionsrückstau bei Straßen und Flughäfen, aber auch bei Wasser- und anderen Netzen anzugehen. Es wird also in Zukunft genügend attraktive Projekte geben.Für Munich Re und die Meag ist Nordamerika Heimatmarkt, weil dort beide mit eigenen Einheiten am Markt vertreten sind. Der Meag steht dort in der technischen und Versicherungs-Due-Diligence die In-house-Kompetenz von Munich Re of America sowie Hartford Steam Boiler zur Verfügung. Diese Risikokompetenz ist notwendig, um zu prüfen, ob die Projekte den anspruchsvollen und strengen Kriterien genügen. Nur so können übermäßige Risiken vermieden und auf akzeptablem Niveau gehalten werden.Bisher sind nordamerikanische Einheiten von Munich Re im Umfang von rund 800 Mill. Euro in Infrastruktur investiert. Nordamerika will und wird weiter in Infrastruktur investieren und private Investoren auch aus der Versicherungswirtschaft können – entsprechende Risikokompetenz vorausgesetzt – dort attraktive Mehrerträge erwirtschaften, auch Munich Re wird sich daran beteiligen. Profitabilität steigernFazit – Versicherungen suchen verstärkt nach Möglichkeiten, auch in der Kapitalanlage zusätzliche Erträge zu generieren, um die Profitabilität insgesamt zu steigern. Infrastruktur ist eine attraktive Assetklasse, die dafür in Frage kommt.Jede neue Assetklasse erfordert eine ausgeprägte Risikokompetenz. Diese wird sukzessive erworben, Lerneffekte und Rüstkosten sind einzukalkulieren. Versicherungen können ihre Risikokompetenz im Assetmanagement hebeln und haben hier einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Investoren. Der Wettbewerb um breitere Diversifizierung und bessere Erträge verlangt hohe Leistungen. Er darf aber niemals dazu führen, Risiken auszublenden oder diese mit Blick auf die Uhr nicht gründlich zu prüfen. Am Ende zahlt sich diese strikt qualitätsorientierte Selektion aus.—Thomas Kabisch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Meag