LEITARTIKEL

Aufseher im Wettbewerb

Über den Wettbewerb im Bankensektor ist viel geschrieben worden - von der Konkurrenz unter Aufsichtsbehörden hat man bislang weniger gehört. Dies dürfte sich ändern. Denn mit ihrer Neuordnung der Aufsicht hierzulande und in der EU hat die Politik zu...

Aufseher im Wettbewerb

Über den Wettbewerb im Bankensektor ist viel geschrieben worden – von der Konkurrenz unter Aufsichtsbehörden hat man bislang weniger gehört. Dies dürfte sich ändern. Denn mit ihrer Neuordnung der Aufsicht hierzulande und in der EU hat die Politik zu viele Akteure und damit zu viele Reibungspunkte geschaffen. Was die einzelne Behörde beaufsichtigen soll, ist in der Theorie zwar einigermaßen abgegrenzt. In der Praxis aber hat jede Aufsichtsinstanz nicht nur die Ordnung im Bankensektor und mittelbar das Wohl der Steuerzahler, sondern ebenso das eigene Bedürfnis nach Bedeutung im Auge, und dies umso mehr, je stärker die Zahl der Wettbewerber zunimmt.Zu ersten Reibereien ist es schon gekommen. Da sieht sich die Deutsche Bundesbank veranlasst, einen direkten Berichtsweg zur EZB einzufordern – nach der Novelle des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) bleibt ihr dieser, wenn es um systemrelevante Banken geht, künftig versperrt, denn allein die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird Ansprechpartner der Notenbank sein, die für die laufende Aufsicht zuständige Bundesbank bleibt außen vor. Auch die BaFin aber hat ihre lieben Sorgen, ernennt die Bundesregierung im noch zu verabschiedenden Sanierungs- und Abwicklungsgesetz doch die Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) zur nationalen Abwicklungsbehörde. Wer schon in der Vergangenheit die Dualität in der deutschen Finanzaufsicht aus Bundesbank und BaFin beklagte, darf sich daher künftig an einem Trio reiben. Dabei verdreifacht die BaFin gerade erst ihr für die Sanierungsplanung von Banken zuständiges Personal, wohl in der Erwartung, auch Abwicklungspläne zu erstellen.Im europäischen Maßstab geht es weniger harmonisch zu: Da muss sich eine Europäische Zentralbank (EZB) als künftige Bankenaufseherin mit einem eigenen Aufsichtsansatz von den nationalen Behörden abgrenzen, wie sich vor wenigen Wochen zeigte, als zwischen EZB und BaFin in der Frage der Bewertung von Schiffsportfolios im Bilanztest die Fetzen flogen, so dass sich letztlich der EZB-Rat damit befassen musste. Dass wenige Tage darauf FMSA und BaFin mit einer umfangreichen Datenabfrage zu Sanierungsplänen in die Endphase des Bilanztests platzten – geschenkt.Derweil reizen die 2011 ins Leben gerufenen europaweiten Regulierungsinstanzen für Banken, Versicherer und Wertpapiermärkte, EBA, EIOPA und ESMA, ihr Mandat, je nach Art der Betrachtung, aus oder überziehen es. Bürokratisches Fingerhakeln wird en vogue. Dem Vernehmen nach ließ die EBA schon vor Monaten die Muskeln spielen mit einer Andeutung, sie publiziere Ergebnisse des Stresstests nicht zwangsläufig vor dem 4. November, wenn die EZB Bankenaufseherin in Euroland wird, sondern wenn sie diese als vollständig erachte. Der nächste Zwist ist abzusehen, wenn bald die mit weitreichenden Befugnissen ausgestattete EU-Abwicklungsbehörde ihre Arbeit aufnimmt.Solche Episoden zeugen von Angst, zur Disposition zu stehen, wenn der regulatorische Zyklus in einigen Jahren dreht und wieder Deregulierung das Gebot ist. Wofür braucht die Bundesbank insgesamt 10 000 Leute, wenn die EZB als Aufseherin der Deutschen Bank die Mitarbeiter der nationalen Behörde nur vom Hörensagen kennt, wird dann die Frage lauten.Interessant: Aufsichtsrepräsentanten, von denen man nie gemeint hätte, dass sie dies einmal für nötig halten würden, rühren neuerdings die Werbetrommel. Jetzt hat jede Instanz ihr Alleinstellungsmerkmal. Die eine verweist auf die Expertise ihrer zahlreichen Spezialisten, die zweite führt ins Feld, die Kreditwirtschaft gebe ihr den Vorzug, und die dritte wähnt ihr Ohr besonders nahe am Markt.Was aus diesem Wettbewerb folgt, liegt auf der Hand: Aufseher agieren im Zweifel rücksichtsloser gegenüber ihresgleichen, Herrschaftswissen wird etabliert und gepflegt. Wer also kontrolliert die Aufseher, deren Kooperation nötiger ist denn je, während ihre Bereitschaft dazu geringer denn je sein dürfte? Die Judikative? Vielfach ist ja nicht einmal klar, gegen wen Banken im Zweifel vorgehen können: Den nationalen Aufseher? Die EBA? Die EZB?In den USA rief die Regierung 2010 mit dem Financial Stability Oversight Council eigens eine weitere Organisation ins Leben, um die Arbeit der schon bestehenden Behörden zu koordinieren. Damit aber nähme die viel beklagte Machtfülle der Exekutive nur weiter zu, und in der nächsten Krise wäre Verantwortungsdiffusion programmiert. Die Gesetzgeber in der EU und in Deutschland sollten daher die Zahl der Regulierungsinstanzen verringern und Verantwortung eindeutig zuweisen. So wie bisher kann es weiter-, nicht aber gut gehen.——–Von Bernd NeubacherVom Wettbewerb im Bankensektor ist viel die Rede, vom Wettbewerb unter den Bankenaufsehern dagegen weitaus weniger. Das wird sich ändern.——-