Axel Lehmann übernimmt bei Credit Suisse
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Der neue Verwaltungsratspräsident von Credit Suisse will an der Strategie seines Vorgängers António Horta-Osório festhalten. „Es gibt keine Strategiediskussion, es geht um die Umsetzung“, betonte Dr. Axel Lehmann am Montag im Reuters-Interview. Die zweitgrößte Schweizer Bank wolle sich auf die Vermögensverwaltung sowie das Geschäft im Heimatmarkt konzentrieren und Kapital aus der Investmentbank abziehen. „In den kommenden Jahren wird man die Strategie regelmäßig überprüfen, aber im Moment ist das überhaupt kein Thema“, so der Manager.
In der Nacht zum Montag war Horta-Osório nach nur wenigen Monaten im Amt überraschend als Verwaltungsratspräsident zurückgetreten, nachdem Schweizer Medien aufgedeckt hatten, dass er gegen Quarantäne-Auflagen verstoßen hatte. Lehmann will die Bank nach zahlreichen Skandalen nun in ruhigere Gewässer führen. Der Risikosteuerung und der persönlichen Verantwortlichkeit werde er eine große Bedeutung beimessen, sagte der 1959 geborene Schweizer, der zuvor Spitzenmanager beim Rivalen UBS und davor beim Versicherer Zurich war.
Lehmann – erst seit Oktober im Verwaltungsrat von Credit Suisse – hat den Vorsitz des Risikoausschusses inne. Zuvor gehörte er seit 2016 der Konzernleitung der Rivalin UBS an und war Chef der UBS Schweiz. In dieser Funktion trug er die Verantwortung für das Personal & Corporate Banking in der Schweiz.
Von 2009 bis 2015 war er Mitglied des Verwaltungsrats der UBS AG und Mitglied des Risk Committee. Er übte diese Funktionen parallel zu seiner Tätigkeit beim Versicherer Zurich aus, für den er von 1996 bis 2015 tätig war, darunter als Mitglied des Group Executive Committee von 2002 bis 2015 und als langjähriger Group Chief Risk Officer sowie als CEO bzw. Chairman verschiedener Regionen, darunter Nordamerika und Europa.
Lehmann studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen mit Master-Abschluss (1984), wo er auch promovierte (1989) und in BWL habilitierte (1996). So ist er heute noch Titularprofessor und Mitglied des Beirats der Universität St. Gallen. Zugleich arbeitete er von 1985 bis 1995 am Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen, zuletzt als Vizepräsident, Leiter Consulting und Management Development, bevor er 1995 für ein Jahr zu Swiss Life als Leiter Strategic Planning und Controlling wechselte.
Nach Angaben des neuen Verwaltungsratschefs plant Credit Suisse keine größeren Veränderungen im Management. Thomas Gottstein bleibe Konzernchef. „Er ist zentral, dass wir die Transformation zusammen weiterführen können“, sagte Lehmann. Im Tagesgeschäft habe die Bank kaum Auswirkungen der Quarantäne-Diskussionen gespürt. Der Manager rechnet nach eigenen Worten damit, dass der seit geraumer Zeit unter Druck stehende Aktienkurs wieder anzieht. Im vergangenen Jahr hat Credit Suisse vor dem Hintergrund hoher Verluste infolge des Greensill-Debakels und der Pleite des Hedgefonds Archegos fast ein Viertel ihrer Börsenbewertung verloren.
Hoffnung auf Erholung
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass, wenn wir die Strategie Schritt für Schritt umsetzen und sich die operative Performance verbessert, sich das Thema (des tiefen Aktienkurses) von selbst verflüchtigt.“ Dies werde Zeit brauchen. Das Institut müsse konsistent sein in dem, was es mache, und sich auf die Ausführung und die Kunden konzentrieren. „Und dann wird über die Zeit sicherlich auch eine Erholung in allen Dimensionen – Reputation, aber sicher auch in der Bewertung der Firma – stattfinden.“
Der Verwaltungsrat habe mit Unterstützung einer Schweizer und einer amerikanischen Kanzlei eine unabhängige Untersuchung der Quarantäne-Verletzungen Horta-Osórios in der Schweiz und in Großbritannien veranlasst, erläuterte Lehmann. Gegen Ende der vergangenen Woche seien die Berichte konsolidiert worden. Dabei habe die Bank auch in engem Kontakt mit der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma gestanden. „Wir haben über das Wochenende intensivste Sitzungen gehabt mit kurzen und keinen Nächten und langen Arbeitstagen“, sagte Lehmann. Horta-Osório habe dabei mitgearbeitet. Über die Zeit habe sich verdichtet, dass ein Rücktritt im besten Interesse für ihn, aber auch für die Bank sei.
„Dann haben wir im Verlauf des gestrigen Nachmittags und im Kontakt mit den Behörden und anderen Stakeholdern den Entscheid vorbereitet, der dann in dem Announcement kumulierte“, schilderte Lehmann das Prozedere. Gleichzeitig sei seine Ernennung erfolgt. „Ich habe natürlich eine große Portion Respekt, aber auch eine große Portion Zuversicht für die nächsten Monate und für die nächsten Jahre für die Gruppe.“
Formell wird der Verwaltungsrat Lehmann auf der Generalversammlung am 29. April als Präsidenten vorschlagen. Vor diesem Hintergrund wird der Manager nicht wie vorgesehen als Verwaltungsratsmitglied der Helvetia Holding kandidieren, bei der er ab 2023 als Verwaltungsratspräsident vorgesehen war. Nach Angaben des Schweizer Versicherers hat der Verwaltungsrat bereits zuvor entschieden, dass Dr. Thomas Schmuckli auf der Generalversammlung 2022 interimistisch als Verwaltungsratspräsident gewählt werden soll. Daran ändere sich nichts, so Helvetia.