Sparpläne

BaFin gegen Sparkassen

Ein einstiger Verkaufsschlager, die Prämiensparpläne, hängt den Sparkassen wie ein Mühlstein um den Hals: Wegen einer umstrittenen Zinsberechnung will die deutsche Finanzaufsicht die Institute dazu verpflichten, ihre Kunden über die Methodik aufzuklären. Für die Sparkassen steht viel auf dem Spiel.

BaFin gegen Sparkassen

jsc Frankfurt – Im Streit über Zinsnachzahlungen für alte Sparverträge erhöht die deutsche Finanzaufsicht den Druck auf die Kreditwirtschaft. Mit einer Allgemeinverfügung will die BaFin die Kreditinstitute künftig dazu verpflichten, betroffene Kunden über die angewendeten Zinsanpassungsregeln aufzuklären, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Dabei zielt die Aufsicht auf langfristige Verträge, die zwischen 1990 und 2010 abgeschlossen worden waren und einseitige Zinsanpassungsklauseln enthielten, die der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2004 untersagt hatte. Ein Entwurf der Allgemeinverfügung ist nun auf der Internetseite der BaFin einsehbar. Bis zum 26.Februar nimmt sie Stellungnahmen an.

Mit ihrem Vorstoß adressiert die BaFin die gesamte Kreditwirtschaft, vor allem aber die Sparkassen, die früher im großen Stil Prämiensparverträge vertrieben haben, ehe sie im Niedrigzinsumfeld davon Abstand nahmen. Die Verträge sehen vor, Sparer nicht allein über Zinsen, sondern über eine jährlich steigende Prämie zu gewinnen, die in einer gängigen Variante in höchster Stufe 50% der im 15. Jahr eingezahlten Beiträge vorsieht. Im heutigen Zinsumfeld sind diese Verträge aus Sicht der Sparkassen unattraktiv, und lange Zeit war umstritten, unter welchen Umständen ein Institut einen Vertrag kündigen darf. In den vergangenen Jahren haben Sparkassen die Verträge in großer Zahl gekündigt, nachdem die höchste Prämienstufe erreicht war. Der Bundesgerichtshof hat diese Praxis unter be­stimmten Umständen als zulässig ein­gestuft (Az. XI ZR 345/18).

Trotzdem drohen den Geldhäusern hohe Nachforderungen. Denn während für die Kündigung nun mehr Klarheit herrscht, streiten sich Sparkassen und Verbraucherzentralen über die Art und Weise, wie die Zinsen, die neben den Prämien anfielen, konkret berechnet worden sind. Nach dem BGH-Urteil von 2004, das eine willkürliche Zinsanpassung durch ein Kreditinstitut untersagt hat, haben viele Sparkassen die Be­rechnung der Zinsen in der Praxis an einen Referenzsatz gekoppelt.

„Absolut“ oder „relativ“

Doch ein wesentlicher Streitpunkt ist dabei, ob diese Anpassung „absolut“ zum Referenzzinssatz erfolgen darf, also Prozentpunkt für Prozentpunkt, oder aber „relativ“, so dass der anfängliche Abstand zwischen Vertrags- und Referenzzins anteilig gleich bleibt. Nach Information der BaFin berechnen nur wenige Kreditinstitute die Zinsen nach der „relativen“ Variante, sondern bevorzugen eine „absolute“ Berechnung. Bei sinkenden Zinsen wie in den vergangenen Jahren führt eine absolute Anpassung dazu, dass der Zins für den Anleger schneller sinkt als bei einer relativen Berechnung.

Nach Auffassung des Sparkassenverbands DSGV ist das Vorgehen der Kreditinstitute korrekt: Eine absolute Anpassung sei „leicht durch Kunden zu berechnen und damit gut vorhersehbar“, erklärte der Verband am Freitag. Die Berechnung sei fair, „weil bei steigenden Zinsen die gleiche Methode zugrunde gelegt wird wie bei sinkenden Zinsen.“

Die Verbraucherzentralen sehen hingegen in vielen Fällen „rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln“ und haben bundesweit mehrere Musterfeststellungsklagen auf den Weg ge­bracht. Mit ihrem Vorstoß macht die BaFin nun ebenfalls deutlich, dass sie die Rechtsauffassung der Sparkassen skeptisch sieht: Die Aufsicht verweist im Entwurf der Allgemeinverfügung auf ein weiteres BGH-Urteil aus dem Jahr 2010, das in einem ähnlichen Fall eine absolute Zinsanpassung zu­gunsten einer relativen Berechnung verworfen hat. Die BaFin legt der Kreditwirtschaft eine Vertragsauslegung nahe, „die von den Zivilgerichten noch zu er­warten ist“. Alternativ sollen Institute ihren Kunden einen individuellen Änderungsvertrag mit einer Zinsanpassungsklausel anbieten, „die die Rechtsprechung des BGH aus 2010 berücksichtigt“. Eine neue Allgemeinverfügung hatte sich bereits abgezeichnet, nachdem die BaFin im Dezember nach gescheiterten Gesprächen zwischen Verbraucherzentralen und Kreditwirtschaft „verwaltungsrechtliche Optionen“ ins Spiel gebracht hatte.

Nach einer Musterfeststellungsklage am Oberlandesgericht Dresden liegt die Frage der Zinsberechnung erneut beim BGH. Der DSGV will dieses Urteil abwarten. Den Vorstoß der BaFin lehnt der Verband mit deutlichen Worten ab. „Ein Rechtsstaat zeichnet sich durch Gewaltenteilung aus. Die Exekutivdirektion Wertpapieraufsicht der BaFin sollte sich deshalb nicht an die Stelle von Gerichten setzen und zivilrechtliche Streitfragen selbst entscheiden wollen.“ Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht derweil ein „schönes Beispiel für ein gelungenes Ineinandergreifen von behördlicher und zivilrechtlicher Rechtsdurchsetzung“.

Für Sparkassen steht viel auf dem Spiel: Prämiensparverträge waren früher weit verbreitet, und etwaige Zinsnachzahlungen können nach Angaben des VZBV mehrere Tausend Euro je Vertrag betragen.

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