Banken befürchten Schwächung des Pfandbriefs
Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) übt deutliche Kritik an der geplanten Novelle der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV). Dabei geht es insbesondere um die aus Sicht des Verbandes zu geringe Absenkung der Kapitalisierungszinssätze (die für den Beleihungswert eine zentrale Rolle spielen), die nur eingeschränkte Zulassung computergestützter Bewertungsverfahren und die belastende Gesamtwirkung aller Änderungen.
Zunächst optimistisch
Nach ersten Gesprächen mit der BaFin im April 2019 waren die VDP-Vertreter noch optimistisch. „Unser Eindruck bei diesen und auch späteren Gesprächen war, dass bei der Ausgangslage eine Übereinstimmung bestand“, sagt VDP-Präsident Louis Hagen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Gemeint sind damit die seit 2006, als die BelWertV erstmals ins Pfandbriefgesetz integriert wurde, kräftig gestiegenen Immobilienpreise und die seit geraumer Zeit niedrigen Zinsen. Dies führte zu einem immer stärkeren Auseinanderklaffen von Beleihungswert und Marktwert. Außerdem stehen immer mehr zuverlässige Daten für eine computergestützte Immobilienbewertung zur Verfügung. „Deswegen waren wir der Meinung, es wäre durchaus an der Zeit, die BelWertV den neuen Gegebenheiten anzupassen.“
Umso größer war die Überraschung beim VDP und der ganzen deutschen Kreditwirtschaft, als die BaFin vor einigen Wochen ihren Entwurf für eine Novelle der BelWertV vorgelegt hat. Angesichts des krassen Auseinanderfallens von Marktwerten und Beleihungswerten erwartete der Verband eine Anpassung der Kapitalisierungszinssätze. „Die jetzt vorliegenden Vorschläge betrachten wir als bei weitem nicht ausreichend“, so Hagen. „Diese Zinssätze sind seit den 1960er Jahren in der Höhe unverändert“, ergänzt Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des VDP. „Heute beträgt der Beleihungswert teilweise unter 50% des Marktwertes. Als ich angefangen habe zu arbeiten, galt die Faustregel: Der Beleihungswert liegt zwischen 10 und 15%, im Ausland 20% unter dem Marktwert und ist damit ein sicherer Wert.“
Großer Sicherheitspuffer
Ein Beispiel zeigt, wie groß der Sicherheitspuffer inzwischen geworden ist. Bei einem Marktwert von 100000 Euro beträgt der Beleihungswert heute für Ertragsimmobilien – bei der Wohneigentumsfinanzierung sind die Abstände geringer – in der Regel 50000 Euro, teilweise sogar weniger. Davon 60% sind 30000 Euro, die dann für die Deckung des Pfandbriefs verwendet werden können. Der Puffer beträgt also 70000 Euro oder 70% des Marktwertes. Folge dieser Entwicklung ist, dass ein immer kleinerer Anteil der Immobilienkredite über den Pfandbrief refinanziert werden kann.
„Damit kann der Pfandbrief seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen“, ist Hagen überzeugt. Der Pfandbrief werde zwar genutzt, könnte aber noch viel mehr genutzt werden. „Daran hätten auch die Investoren ihre Freude, weil sie mehr Pfandbriefe kaufen könnten.“ Die Banken wollten in keiner Form die Sicherheit des Pfandbriefs beeinträchtigen. „Auch wir sind daran interessiert, dass der Pfandbrief weiterhin als sehr sicheres Kapitalmarktprodukt angesehen wird“, betont der VDP-Präsident.
Tropfen auf den heißen Stein
Auch die Anhebung der Kleindarlehensgrenze von 400000 Euro auf 500000 Euro ist aus Sicht des VDP „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Das helfe in den Ballungszentren, wo am meisten finanziert werde, nicht weiter. Tolckmitt untermauert das mit Zahlen. 2009, als die Grenze wie noch heute 400000 Euro betrug, lagen für Deutschland insgesamt 3,4% der Finanzierungen von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen oberhalb dieser Grenze. In Metropolen waren es 5,8%. 2021 wären es bei einer Erhöhung auf 500000 Euro 12,7% bzw. 22,8% und bei einer vom VDP vorgeschlagenen Erhöhung auf 600000 Euro 6,8% bzw. 13,2%. Die BaFin knüpft an diese Kleindarlehensgrenze mit der Anwendung von computergestützten, statistischen Bewertungsverfahren an. Sie sollen laut Verordnungsentwurf nur für Kleindarlehen zulässig sein. Gerade in Ballungsräumen müsste dann wieder häufig das klassische Bewertungsverfahren verwendet werden, stellt Tolckmitt fest. „Wir wissen aber, dass die Datenlage für die computerunterstützte Bewertung von Objekten oberhalb der Kleindarlehensgrenze genauso gut ist wie für solche unter dieser Grenze. Deswegen verstehen wir nicht, warum hier eine Grenze bei 500000 Euro gezogen werden soll.“ In anderen Ländern sei dieses Verfahren schon seit Jahren etabliert.
In der klassischen Bewertung muss das auf Basis einer Datenbank ermittelte Ergebnis bei Ein- und Zweifamilienhäusern durch fünf konkrete Vergleichsobjekte validiert werden (Vergleichswertverfahren). „Bei einer Datenbank von VDP Research mit über 5 Millionen Datensätzen mutet es schon etwas komisch an, wenn man auf dieser Basis erstellte Bewertungen durch fünf tatsächliche Objekte validieren muss“, findet Tolckmitt. „Der technologische Fortschritt wird hier nicht berücksichtigt.“ Außerdem weist er darauf hin, dass es diese fünf vergleichbaren Objekte in der Praxis häufig nicht gebe.
Nicht zuletzt müssen die Bewertungsmodelle laut BelWertV-Entwurf zukünftig jährlich durch eine vom System- und Datenbankanbieter unabhängige qualifizierte Stelle validiert werden. „Das ist noch ein Grund weniger, der Qualität der Daten zu misstrauen.“ Für Hagen ist das Fazit klar: „Wenn die Datenmenge ausreichend und belastbar ist, sollte es immer zulässig sein, eine computerunterstützte Bewertung durchzuführen – unabhängig von irgendwelchen Bewertungsgrenzen.“
Zusätzliche Belastungen
In der Gesamtschau des vorliegenden BaFin-Entwurfs kritisiert der VDP zusätzliche Belastungen an vielen Stellen, die die geringen Erleichterungen überkompensieren würden. „Am Ende des Tages führt all das zu einer Verschärfung“, stellt Tolckmitt fest. So sollen die Bewirtschaftungskosten höher angesetzt und die Nutzungsdauer für bestimmte Objektarten reduziert werden. „Das alles sorgt für einen weiter zurückgehenden Beleihungswert. Erste Zahlen aus unseren Mitgliedsinstituten deuten darauf hin, dass der veränderte Ansatz der Bewirtschaftungskosten zu 4 bis 5% Wertminderung und damit Minderung des Beleihungswertes führt. Kommen objektartspezifisch weitere Änderungen dazu, führen diese zu Wertminderungen, die teilweise sogar über 10% liegen.“
Als Verschärfung der bisherigen Regelung sieht die Kreditwirtschaft auch die von der BaFin vorgeschlagene Vorgehensweise bei der Kontrolle der Bewertungen an. Dabei werde sogar über die Bestimmungen der EU-Bankenverordnung (CRR) hinausgegangen. Artikel 208 der CRR unterscheidet zwischen der Überwachung und Überprüfung von Immobilienwerten. Jährlich erfolgt eine Überwachung der Immobilienmärkte auf Basis statistischer Verfahren, ob sich die Fundamentaldaten verändert haben.
Dazu wird in Deutschland beispielsweise das Marktschwankungskonzept der Deutschen Kreditwirtschaft angewendet, das die VDP-Tochter VDP Research jedes Jahr erstellt und auch der BaFin zugänglich macht. „Dabei geht es um Fragen wie: Wie haben sich die Immobilienpreise in einzelnen Regionen verändert? Übersteigt bei Sinken der Preise dieser Wert eine bestimmte Prozentschwelle? Wenn dem so ist, müssen die Objekte in dieser Region überprüft werden. Dieses Verfahren ist allseits akzeptiert“, sagt Tolckmitt. Darüber hinaus gilt: Eine Immobilie muss anlassbezogen überprüft werden, wenn konkrete Einflussfaktoren, die deren Wert maßgeblich beeinflussen, bekannt werden, z.B. bei Naturkatastrophen.
Der vorliegende Entwurf der BelWertV schreibt nun unter Berufung auf die CRR eine jährliche Überprüfung auf Objektebene vor. „Dem ist aber nicht so“, stellt Hagen fest. „In der CRR steht, dass Immobilien jährlich überwacht werden müssen. Nur wenn sich in Regionen eine konkrete negative Marktentwicklung zeigt, bedarf es einer objektbezogenen Überprüfung der betroffenen Fälle.“ Die grundsätzliche Forderung einer jährlichen Überprüfung bedeute, dass alle Immobilien jedes Jahr neu bewertet werden müssten. „Das ist ein irrsinniger Arbeitsaufwand“, so Hagen.
Hoffen auf Verbesserungen
Der VDP, der hier federführend für die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) handelt, setzt nach Ende der laufenden Anhörung zum vorliegenden Entwurf der BelWertV am 3. September auf weitere Gespräche auf Fach- und politischer Ebene, damit aus Sicht der Kreditwirtschaft noch Verbesserungen an dem Entwurf erreicht werden können. Nach Tolckmitts Eindruck will die BaFin aber „nicht allzu lange“ mit dem Erlass der Verordnung warten, da sie im Zusammenhang mit der seit 1. Juli 2021 fälligen Umsetzung der Covered- Bond-Richtlinie gesehen wird.