London wirbt mit Sicherheit
Finanzplatz London wirbt mit Sicherheit
Die City entdeckt angesichts der weltweiten politischen Verwerfungen Berechenbarkeit als Standortvorteil
Transparenz, Kontinuität und eine Finanzaufsicht, die Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern soll: Was man in der City of London bislang für selbstverständlich hielt, wird zum Ende der Nachkriegszeit als Standortvorteil betrachtet. In der weltweiten Regulierungsdebatte will Großbritannien ganz vorne mit dabei sein.
hip London
Für gewöhnlich werden auf der alljährlichen internationalen Konferenz der britischen Finanzlobby The City UK die neuesten Trends in der Branche diskutiert: vom freiwilligen CO2-Zertifikatehandel und anderen „Green Finance“-Ideen bis hin zum Einsatz künstlicher Intelligenz. Diesmal stand die Veranstaltung ganz im Zeichen der weltweiten politischen Umwälzungen, die auf die Pandemie folgten. Was man bislang für selbstverständlich hielt, wurde als Standortvorteil entdeckt.
Existenzielle Bedrohungen
„Jeder hier im Raum hat in der Nachkriegszeit gelebt und prosperiert“, sagte der ehemalige General Richard Barrons, der nun als Co-Chairman von Universal Defence & Security Solutions fungiert. „Das ist vorbei.“ Nun habe man es mit einer multipolaren Welt voller existenzieller Bedrohungen zu tun, in der eine „Konversation“ zwischen liberalen Demokratien und Autokratien stattfinde. Bevölkerungswachstum und die Auswirkungen des Klimawandels dürften die Konfrontation zwischen den Großmächten anfeuern.
„Langweiligkeit der Vorhersehbarkeit“
Roger Lui, Partner der Kanzlei Allen & Overy in Hongkong und Boardmitglied, lobte „die Sicherheit, die das Vereinigte Königreich bieten kann“. Die Transparenz, Sicherheit und Kontinuität, „die Langweiligkeit der Vorhersehbarkeit“ sei viel wert. Das solle man nicht unterschätzen. Die „relative politische Neutralität“ des Landes sei ein Vorteil.
Internationales Benchmarking
Eine von Freshfields Bruckhaus Deringer für The City UK durchgeführte Umfrage in 21 Jurisdiktionen ergab, dass es zwar in mehreren davon die Erwartung bzw. die Zielvorgabe an die Finanzaufsicht gibt, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Doch veröffentlichen nur wenige, wenn überhaupt welche, quantitative Kennzahlen, die mit denen der britischen Regulierer vergleichbar seien. Die Finanzlobby will gemeinsam mit der Kanzlei einen Rahmen entwickeln, der ein internationales Benchmarking ermöglichen soll. Das wäre „enorm nützlich, um zu verstehen, wie unsere Regulierer die Konkurrenzfähigkeit und das Wachstum Großbritanniens voranbringen, um die Entwicklung effizienter Maßnahmen zu lenken und um sicherzustellen, dass Großbritannien das beste regulatorische Umfeld für den Erfolg von Unternehmen bietet“, sagte Miles Celic, der CEO des Verbands.
Badenoch kritisiert ausufernde Regulierung
Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch sagte unterdessen einer ausufernden Regulierung den Kampf an.„Die Belastung durch Regulierung ist unter aufeinanderfolgenden Regierungen zu groß geworden“, sagte Badenoch, die offenbarte, dass sie einst in den Compliance-Abteilungen von Royal Bank of Scotland und Coutts gearbeitet hat. Nur im Compliance-Bereich habe es offene Stellen gegeben, sagte sie.
„Ich fürchte, dass wir im 21. Jahrhundert die Erfolge, die wir im produzierenden Gewerbe hatten, für selbstverständlich halten“, sagte Badenoch. Klagen über „zu viel Wachstum“ machten ihr Sorgen. Theorien fänden Anklang, „die alles unterminieren, worauf unser Wohlstand beruht“. Es beunruhige sie, wenn dieser Wohlstand allein auf Rassismus und Kolonialismus zurückgeführt werde. Die daraus abgeleiteten Forderungen „werden uns alle ärmer machen“.
Rolle der Finanzbranche
Unter einer Labour-Regierung „wird die Regulierungsflut Fahrt aufnehmen und weiter zunehmen“, warnte Badenoch. Eine Menge der aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Finanzbranche gehe darauf zurück, dass die Leute nicht viel von ihr hielten. Die Branche müsse stärker darauf hinweisen, welche Rolle sie für die Gesellschaft spiele. Das empfahl auch die Politikberaterin Tina Fordham der City. „Einer der Gründe, warum wir uns in dieser Situation befinden, ist, dass niemand versteht, wie Geld funktioniert“, sagte sie.
Bessere Beziehungen zur EU
Die City müsse proaktiver auftreten, riet Fordham den versammelten Branchenvertretern. Es reiche nicht, sich auf die bekannten Vorteile Londons wie Sprache und Rechtssystem zu verlassen. „Wir müssen unsere Beziehungen zu Europa verbessern“, forderte sie. „Labour versteht das, traut sich aber nicht, damit Wahlkampf zu machen.“
Digitalisierung des Handels
Aus Sicht von Sharon Lewis, Partner bei Hogan Lovells, hat Großbritannien viel zu bieten. Rund 80% des Welthandels folgten britischem Recht. Der im vergangenen Jahr verabschiedete Electronic Trade Documents Act habe die Digitalisierung des Handels ermöglicht. Deutschland und Frankreich hätten nachgezogen. Pragmatismus dieser Art sei wichtig in einer Welt, in der man in wichtigen Fragen wie KI oder Klimaschutz zunehmend unterschiedliche Richtungen einschlage.