Natwest-Platzierung bei Kleinanlegern naht
Natwest-Platzierung bei Kleinanlegern naht
Zeichnern winken angeblich Treueaktien, Staatsanteil könnte 16 Jahre nach der Rettung während der Finanzkrise unter 10 Prozent fallen
hip London
Von Andreas Hippin, London
Die Platzierung von Natwest-Aktien bei Kleinanlegern rückt immer näher. Der britische Schatzkanzler Jeremy Hunt hatte einen solchen Schritt für den Sommer angekündigt. Broker nehmen bereits Interessensbekundungen entgegen. Von einer großangelegten Kampagne wie in den 1980er-Jahren, als die Regierung von Margaret Thatcher unter dem Slogan „Tell Sid“ dafür warb, bei der Privatisierung von British Gas zu zeichnen, ist allerdings noch nichts zu sehen. In Spots ging es seinerzeit darum, einem schwer fassbaren Mann namens Sid die Anlagechance zu erklären.
„Eine neue Generation“
Hunt hatte im Herbst vergangenen Jahres gesagt, eine solche Platzierung könne „eine neue Generation von Kleinanlegern hervorbringen“. Bislang ist einiges an die Öffentlichkeit gedrungen, was allerdings so nicht eintreffen muss: Die Mindestanlagesumme wird sich angeblich auf 250 Pfund belaufen, die Obergrenze auf 10.000 Pfund. Wer die ihm zugeteilten Dividendenpapiere ein Jahr hält, bekommt Medienberichten zufolge für jeweils zehn Aktien eine Treueaktie zugeteilt. Das erinnert ein wenig an den Börsengang der TSB Banking Group, die wenig später von Sabadell übernommen wurde. Ein moderater Abschlag auf den aktuellen Kurs werde vorgenommen, um das Angebot attraktiver zu machen.
Parallele Platzierung bei Institutionellen
Zugleich sollen Aktien bei institutionellen Investoren untergebracht werden. Das könnte den Anteil der öffentlichen Hand an dem einst unter dem Namen Royal Bank of Scotland (RBS) bekannten Institut bis auf 10% drücken, berichtete Sky News unter Berufung auf nicht näher spezifizierte Quellen, bei großer Nachfrage auch darunter. Zuletzt hatte sich die Staatsbeteiligung auf 27,93% belaufen. Bis 2026 soll sie komplett abgeschmolzen sein.
Mit dem Unterschreiten der 30-Prozent-Schwelle wurde Natwest auch für Investoren interessant, die sich bislang mit Blick auf mögliche staatliche Einflussnahme zurückgehalten hatten. Wie der „Guardian“ berichtet, hat die Capital Group 33 Millionen Aktien erworben, was einem Anteil von annähernd 0,4% entspricht. Angeblich hat der US-Vermögensverwalter weiter zugekauft. Zu den größten Anteilseignern neben UK Government Investments (UKGI) gehören MSF Investment Management, der von der Norges Bank gemanagte norwegische Staatsfonds und der ETF-Anbieter Vanguard.
George Osborne machte den Anfang
Ein anderer konservativer Schatzkanzler, George Osborne, hatte im August 2015 mit dem Abverkauf der von seinem Vorgänger Alistair Darling (Labour) in der Finanzkrise eingegangenen Beteiligung begonnen. Dafür nahm er einen Verlust von rund 1 Mrd. Pfund in Kauf. Der staatliche Einstiegskurs hatte bei 502 Pence gelegen, Osbornes Verkaufskurs bei 330. „Ich war nicht der Schatzkanzler, der die RBS herausgehauen hat“, sagte Osborne damals mit Blick auf Darling, der das Institut auf dem Höhepunkt der Finanzkrise mit 46 Mrd. Pfund vor dem Untergang bewahrt hatte. Die RBS hatte sich damals an der Übernahme der niederländischen ABN Amro verhoben. Schnell wurde klar, dass der Abbau des Anteils Jahre in Anspruch nehmen würde.
Die Ausgliederung von Williams & Glyn erwies sich als schwieriger als erwartet. Brüssel hatte die Ausgliederung von 316 Filialen im Gegenzug für die Genehmigung der Staatshilfen während der Finanzkrise verlangt. Die Bank hatte eine erfolgreiche Trennung zur Voraussetzung für die Wiederaufnahme von Dividendenzahlungen erklärt. Der damalige CEO Ross McEwan machte lieber den Volksentscheid für den EU-Austritt für die Verzögerung der Privatisierung verantwortlich als den unter seiner Führung angefallenen Milliardenverlust.
Preis der Finanzstabilität
Osbornes Nachfolger Philip Hammond nahm den Abverkauf 2018 wieder auf. Ein weiterer Milliardenverlust war der Preis dafür, die Staatsbeteiligung auf 62,4 % zu drücken. Tatsächlich handelt es sich bei den sukzessiven Veräußerungsverlusten um den Preis der Finanzstabilität während der Finanzkrise. Der Bail-out fing den Einschlag der Krise ab und verteilte die Schmerzen über viele Jahre.
Was für ein Preis erzielt werden müsste, um die Kosten der Bankenrettung zu decken, ist umstritten. Geht es nach den damaligen Angaben von UKGI, hätte die öffentliche Hand einen Preis von 440 Pence je Aktie erzielen müssen, um auf ihre Kosten zu kommen. Der Rechnungshof notierte in seiner Auswertung des ersten Anteilsverkaufs, dass 625 Pence hätten erzielt werden müssen. Er hatte auch die Finanzierungskosten berücksichtigt, die dem Steuerzahler für die Rettung des Instituts während der Finanzkrise entstanden.