Problemkredite

Banken in der Ukraine verzeichnen horrende Ausfälle

Der Ukraine-Krieg belastet die Bankbranche des Landes schwer: Der Aufwand für Kreditausfälle reißt tiefe Löcher in die Ergebnisrechnung der Geldhäuser. Die Zentralbank gibt sich gleichwohl zuversichtlich.

Banken in der Ukraine verzeichnen horrende Ausfälle

Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Banken des Landes schwer belastet: Hatten die Geldhäuser bereits vor der breit angelegten Invasion vor einem Jahr einen enorm hohen Bestand an faulen Krediten in Höhe von 30% an den gesamten Ausreichungen angehäuft, stieg die Quote bis Jahresbeginn auf 38%, wie die Zentralbank in Kiew berichtet. In absoluten Zahlen kletterte der Bestand an faulen Darlehen um 87 Mrd. Hrywnja (2,2Mrd. Euro) auf 432 Mrd. Hrywnja (11,1 Mrd. Euro). Wegen Krieg, Wirtschaftskrise und der Angriffe auf Energieinfrastruktur könnten die Ausfälle nach Auffassung der National Bank of Ukraine noch deutlich steigen. Ehe Russland seine Aggression vor einem Jahr ausweitete, hatten die Banken die Quote bereits schrittweise gesenkt, ehe sie nun wieder abrupt anstieg.

Verloren sind die Darlehen insbesondere in den von Russland besetzten Gebieten des Landes: Mindestens 98% der Ausreichungen fallen dort voraussichtlich aus, berichtet etwa die Oschadbank. Insgesamt belasten die Kreditausfälle verschiedene Geldhäuser in ähnlicher Größenordnung. Die State Export-Import Bank, Ukrgasbank und Oschadbank sind mit einem Kundenkreditvolumen von 82,7 Mrd. Hrywnja, 69,4 Mrd. Hrywnja und 77,6 Mrd. Hrywnja ähnlich groß, und auch der Aufwand für Kreditausfälle fällt mit 5,4 Mrd. Hrywnja, 5,8 Mrd. Hrywnja und erneut 5,4 Mrd. Hrywnja jeweils ähnlich aus. Die Export-Import Bank und Ukrgasbank weisen dabei ihre Zahlen für Ende September aus, während die Oschadbank zuletzt per Jahresmitte publizierte. Unterm Strich blieb hier wie dort ein Verlust stehen: Die State Export-Import Bank weist ein Minus von 7,9 Mrd. Hrywnja aus, die Ukrgasbank von 5,4 Mrd. Hrywn­ja und die Oschadbank von 4,4 Mrd. Hrywnja. Nicht alle großen Häuser publizieren allerdings bereits Zahlen für das zurückliegende Jahr. So ist der jüngste Bericht der Privatbank auf das Jahr 2021 datiert.

Ausländische Banken, die in der Ukraine aktiv sind, fuhren bisher ebenfalls Verluste in dem Land ein. Die Frankfurter Procredit-Gruppe etwa, die vor allem in Südost- und Osteuropa aktiv ist, weist für ihre Tochter in der Ukraine eine Kreditrisikovorsorge von 73 Mill. Euro bis Ende September aus sowie einen Verlust von 43 Mill. Euro. Den Eignern will das Haus daher einen Verzicht auf die Dividende vorschlagen. Insgesamt ist die Gruppe aber mit einem Gewinn von 17 Mill. Euro noch profitabel. Ihren Geschäftsbericht für das Gesamtjahr veröffentlicht Procredit am 23. März.

Trotz der hohen Belastung stufte die Zentralbank die Kreditwirtschaft wiederholt als stabil ein. „Das Bankensystem hat dem Schlag standgehalten, sich schnell an die Bedingungen eines umfassenden Zermürbungskriegs angepasst und ist operativ stabil, liquide und profitabel“, hielt die Zentralbank vor wenigen Tagen mit Blick auf das vierte Quartal fest. Auch wenn Banken die Kapitalpolster angesichts der hohen Verluste verringern müssen, so werden die meisten Geldhäuser das Kapital voraussichtlich durch künftige Gewinne wieder stärken können, wie die Zentralbank hofft. Von der Branche fordert sie einen behutsamen Umgang mit säumigen Kunden.

Immer wieder griff die Zentralbank in den Finanzsektor ein. Mit Beginn der russischen Invasion sagte sie Banken etwa eine uneingeschränkte Refinanzierung zu und schränkte die Bargeldabhebung ein. Weil das Kreditneugeschäft einbrach, lagern die Geldhäuser ihre Mittel heute häufig bei der Zentralbank. Auch will Kiew die Kreditbestände und Vorsorgereserven genauer unter die Lupe nehmen. Und auch jenseits der Grenzen ist die Zentralbank aktiv: Um ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland den Umtausch von Hrywnja zu ermöglichen, schloss die National Bank of Ukraine im Mai 2022 eine Vereinbarung mit Bun­desbank und Bundesfinanzministerium.

Darüber hinaus drängte die Zentralbank die Institute dazu, den Filialbetrieb auch im Falle von Stromausfällen aufrechtzuerhalten. Insgesamt 1827 Niederlassungen, also rund 40% des Netzwerks, sind mit Notfallstrom und entsprechenden Kommunikationskanälen ausgestattet, wie die Institution in Kiew bereits im Januar berichtete. Ein reibungsloser Betrieb der Banken hat für die Ukraine nicht zuletzt einen symbolischen Wert.