Andreas Windmeier, J.P. Morgan

„Banken müssen hier schnell liefern“

Den Banken fehlt es auch im Payment-Sektor an IT-Spezialisten – und das, wo ein Projekt nach dem anderen in den Markt gebracht werden muss. Von daher regt Andreas Windmeier von J.P. Morgan stärkere Kooperationen an.

„Banken müssen hier schnell liefern“

Von Björn Godenrath, Frankfurt

In den Zahlungsverkehr der Banken ist Bewegung gekommen. Fintechs kommen mit digitalen Diensten und stoßen in die Domäne der Institute und Payment Service Provider (PSPs) vor. Gleichzeitig gewinnt der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr an Bedeutung. Dieser erfuhr kürzlich mit der großen ISO20022-Migration – zeitlich gekoppelt an die Vereinheitlichung der Target-Zahlungssysteme – ein Upgrade, das eine Menge an verbesserten Funktionalitäten beinhaltet. „Die ISO20022-Migration bringt eine Vereinheitlichung im Zahlungsverkehr und ermöglicht jetzt eine strukturierte Übertragung der Daten. Im Clearing gab es in den ersten Tagen nach der Migration mitunter kleinere Probleme, die inzwischen aber zum größten Teil gelöst sind“, so Andreas Windmeier, Head of Payments im europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz bei der J.P. Morgan SE im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Mangel an IT-Spezialisten

Dass die Target-Migration verschoben werden musste, lag auch daran, dass die Testumgebungen Mängel zeigten, was wiederum damit zusammenhing, dass die Bundesbank nicht so schnell spezielle IT-Kräfte anheuern konnte, wie es für ein solches Megaprojekt notwendig war. Das ist ein allgemeines Problem: „Für die Vielzahl an Projekten benötigen die Finanzinstitute erhebliche IT-Ressourcen.“ Gleichzeitig habe aber die Geschwindigkeit zugenommen, mit der Payment-Neuerungen umgesetzt werden müssen, so Windmeier.

„Vor diesem Hintergrund stellt sich für Banken mehr denn je die Frage, ob jedes Institut gleichermaßen das Gesamtspektrum an Lösungen entwickeln sollte. „Ich würde dafür plädieren, dass Banken untereinander und mit Fintechs verstärkt auf Kooperationen setzen.“ Das wäre dann im Zahlungsverkehr eine Phase der „Coopetition“, in der zum Beispiel J.P. Morgan seine umfangreichen Clearing-Kapazitäten in Dollar und Euro einbringen könnte – allein im systemrelevanten Dollar-Clearing sind gut 4000 Institute angebunden.

Die Fintech-Challenge

Dass die Kreditinstitute an einigen Stellen besser werden müssen, zeigen die Markterfolge von Fintechs wie Adyen, Revolut und Wise. Die haben vielen Banken insbesondere bei Transaktionen mit geringeren Volumina im E-Commerce den Rang abgelaufen. Private Nutzer hätten heute beispielsweise bei Cross-Border-Transaktionen verschiedene Optionen. Faktoren wie die Gebührenstruktur und Geschwindigkeit der Ausführung seien weitgehend transparent, so der Payment-Spezialist. Um sich wettbewerbsfähiger aufzustellen und ein konkurrenzfähiges Produkt zu kreieren, müssten Banken die verfügbare Infrastruktur in den Fokus rücken. In der Abwicklung könne ein Spezialist wie J.P .Morgan anderen Banken behilflich sein, weltweit kostengünstiges Clearing anzubieten.

Insgesamt entwickelt sich der Zahlungsverkehr in Richtung Neartime und Instant Settlement. Bei der Einführung von Sepa Instant sei die Branche vielfach nicht bereit gewesen, ihre Systeme in der Breite umzustellen, sagt Windmeier. Instant Payment werde allerdings früher oder später als verpflichtende Option kommen – eine Initiative von EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness macht da (mit Unterstützung der EZB) Druck.

Für die Umsetzung eines sofortigen Settlements müsse man zudem schauen, was für Technologie dafür zur Verfügung stehe, regt Windmeier an. Für Industriekunden sei es zum Beispiel wichtig, dass sie Dollar-Liquidität rund um die Uhr bewegen können – wofür J.P. Morgan mit Siemens schon eine Blockchain-Plattform aufgebaut hat, die einen 24/7-Betrieb mit sofortigem Settlement ermöglicht. „Die Ära des industriellen Internets, sprich Industrie 4.0, stellt an das Clearing ganz neue Anforderungen, Banken müssen hier schnell liefern.“ Windmeier vertritt die Ansicht, dass perspektivisch ein Multibanken-fähiges Clearing kommen muss, in dem sich dann auch ein Wholesale Digital Euro einfügen könnte, also digitales Zentralbankgeld für den Interbanken-Zahlungsverkehr.

Was der digitale Euro braucht

Der große Elefant im Raum ist derzeit aber der digitale Euro für den Retail-Zahlungsverkehr, der wie Bargeld im Handel eingesetzt werden kann. Da ein solches Produkt nur über die Geschäftsbanken und PSPs marktgängig gemacht und damit in die Breite gebracht werden kann, müsse das Modell Anreize für die Dienstleister enthalten, sagt Windmeier. Diskutiert werde zudem ein Transaktionslimit sowie ein Holdinglimit: Es sollte keine allzu großen Verschiebungen bei der Depositenbasis in den Banken geben, vor diesem Hintergrund sollte das Guthaben in Wallets mit dem digitalen Euro begrenzt sein. Andererseits braucht es schon ein gewisses Volumen, wenn Dienstleister eine Infrastruktur entwickeln sollen. Ein kritischer Faktor für den Erfolg von digitalen Zentralbankwährungen wird die Akzeptanz im Retail-Sektor sein. Windmeier verweist darauf, dass vor allem der Handel darüber entscheide, welche Zahlungsmittel sich durchsetzen und sich gegenüber Kreditkarten und Bargeld im Akzeptanz-Portfolio des Handels behaupten. Händler rechnen genau, was für sie als Marge bleibt. Wobei es ja zum Beispiel schon einige Händler gibt, die komplett auf das Bargeld-Handling verzichten wollen.

Wo die Musik im Zahlungsverkehr gerade so richtig spielt, das ist der Bereich Marktplätze in B2C und B2B. Das ist alles, was mit Amazon angefangen hat und eine hohe Komplexität erfordert – von der Einbindung von Lieferanten bis hin zum Käufer mit seinen Retouren. Adyen und Stripe sind mit E-Commerce-Marktplätzen groß geworden.

Marktplätze im Fokus

An diesen Kuchen wollen die Banken ran, aber wie? „Im Zusammenspiel von Zahlungsakzeptanz und klassischen Services für das Treasury haben wir schon mehr zu bieten als die Fintechs. Diese Kraft wollen wir jetzt auch ausspielen, entwickelt sich das Transaktionsgeschäft doch stark in die Richtung der Marktplätze.“ Erste Schritte dafür hat J.P. Morgan mit VW Payments unternommen, wo man den digitalen Teil des Fahrzeugs für die Bedürfnisse des täglichen Zahlungsverkehrs ertüchtigt. Für die Autoindustrie soll das Fahrzeug Herzstück eines digitalen Ökosystems sein, das dem Benutzer eine Einbettung gewohnter digitaler Dienste und Zusatzdienste ermöglicht, was wiederum über modulare Abos Zusatzeinnahmen beschert. Und all das erfordert einen Zahlungsdienst im Hintergrund.

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